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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Fünftes/Sechstes Heft (Mai/Juni 1907)
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Singer, Hans Wolfgang: [Rezension von: O. von Schleinitz, William Holman Hunt]
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Schubring, Paul: [Rezension von: Georg Gronau (Hg.), Correggio]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0136

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108

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur. Mai/Juni-Heft.

Englische Kunst.
O. von Schleinitz: William Holman Hunt.
(Künstler MonographienLXXXVIII) Biele-
feld und Leipzig. 8°. 1907. (148 S. mit 141
Abb. — 4 Mk.)
Ein Buch über diesen gesinnungstreusten aller
„Praeraphaeliten“ („The staunch Prae-Raphaelite“)
zu schreiben, ist eine reizende und lohnende Aufgabe.
Er war der einzige der Gruppe, der sich eigentlich
über bestimmte Ziele klar war und diese wenigstens
im eigenen Gefühl ahnte so wie sie Ruskin später in
Worten fasste. Die anderen erfüllte tatsächlich
nur eine mehr oder minder starke „Sturm und
Drang“-Stimmung. Eine „Theorie“ hatten sie sich
gar nicht zurecht gelegt, und bald gingen sie auch
künstlerisch nach allen Himmelsrichtungen ausein-
ander. Hunt, der eingefleischte Theoretiker, hatte
stets unter seinem eigenen Dogma zu leiden.
Namentlich nachdem es völlig aufgehört hatte, der
lebendigen Kunstsehnsucht der Zeit entgegenzu-
kommen, hemmte es seinen Elug wie bleiernes
Gewicht, und den Ruhm, die Achtung die er heute
geniesst, verdankt er zum allergrössten Teil der
Tat, dass er zufällig solche Geister wie Rossetti,
Morris, Burne-Jones befreien half, zum kleinsten
Theil den eigenen Schöpfungen. Nur der grosse,
wenn auch irregeleitete Wille, der sich in seiner
Kunst offenbarte, imponiert uns heute noch.
Sein Lebenswerk zu schildern ist uns nun auch
noch erleichtert w orden durch den Umstand dass
er selbst sich in einem zweibändigen Werk hat
hören lassen. Es ist vielleicht befangener, als das-
jenige der meisten Selbstbiographen; aber gerade
der Befangene weist hier dem Kundigen den Weg
zur Wahrheit.
Das vorliegende Buch löst die Aufgabe auch
nicht im entferntesten: es tritt ihr eigentlich gar
nicht einmal nahe. Mit der Einsicht und der Durch-
dringung die vielleicht für einen ganz kurz orien-
tierenden, oberflächlichen Artikel in der „Woche“
hinreichen würde, wird die äusserliche Chronik
des Lebens und Schaffens Hunts erzählt. Eine An-
schauung ist überhaupt nicht vorhanden; Füllsel
von Daten, Episoden und Anekdoten füttern den
Text in sprunghafter Weise bis auf die nötige
Länge heran. Oft gibt es nur Begleitsätze zu der
Clichereihe. Plan- und kraftlos bespricht ein Satz,
ganz unvermittelt Rossetti, oder Ruskin, oder
Millais, nicht etwa in einer Weise, die ihre Be-
ziehung zu Hunt beleuchten, sondern an und für
sich. Ohne den leisesten Uebergang finden wir
auf einmal den Satz auf S. 19: „Das von Rossetti
1852 gemalte Porträt von Madox Brown (Abb. 11)
und sein eigenes Selbstbildnis (Abb. 13) aus dem

Jahre 1853 wird sicherlich des Interesses nicht
entbehren“. Weil die Cliches zufällig zur Ver-
fügung standen, werden sie in so naiver Weise
eingeführt! Der Umstand, dass Hunt einmal im
Meierhof zu Ewell zu Besuch abgestiegen ist, dass
er im Kunst- und Literatur-Zirkel des „Old Little
Holland House“ eine bescheidene Rolle spielte, ge-
nügte dem Verfasser, um seinem Werk Natur-
aufnahmen dieser Stätten einzuverleiben! Eines
der Gemälde Hunts gelangte endlich in die Kapelle
des Keble College: daher bildet er eine äussere
Ansicht des Gebäudes ab! Vom Eord Madox
Brown-Bildnis des Rossetti (Abb. 11) erkennt er
nicht einmal dass es Zeichnung ist und nennt es
(auch auf Seite 19 im Text!) ein gemaltes Bildnis!
Auf diese Weise wird m. E. keine Einführung in
die Kunst Holman Hunts geboten.
Selbst sprachliche Einwendungen sind auf jeder
Seite zu machen; der stetige Gebrauch von „da-
selbst“, „derselbe“, „bezüglich“, „teils—teils“ etc.,
mahnt an das Kaufmannsdeutsch entschwundener
Jahre. Vieles im Englischen ist missverstanden
und falsch („old grand man“ statt „grand old man“
für Gladstone — das wissen doch selbst die Aus-
länder), aber auch das Deutsch ist dem Verfasser
nicht mehr geläufig, wie unter anderem sein „Unter-
lage“ statt „Untermalung“, „Grundier ang“ beweist.
Der Verfasser spricht allerorts von sich selbst
und seiner Begegnung mit diesem und jenem
berühmten Künstler. Worin aber eigentlich Hunts
„Praeraphaelitismus“ besteht und was ihn von den
anderen Mitgliedern der Brüderschaft so streng
trennt, wird nicht erläutert. Wenn trotzdem das
Erscheinen des Buches lebhaft zu begrüssen ist, so
geschieht dies wegen der vorzüglichen und immer
wieder zu rühmenden Sorgfalt, mit der die Ver-
lagsbuchhandlung diesen Band, wie alle ihre
„Monographien“, ausgestattet hat. Die trefflichen
Cliches bieten gute Wiedergaben von einem künst-
lerischen Material, das besonders willkommen ist,
weil es äusser hier für das deutsche Publikum
nicht erreichbar ist. Hans W. Singer
Q
Italienische Kunst.
Correggio. Des Meisters Gemälde in
196 Abbildungen. Herausgegeben vonGeorg
Gronau. Stuttgart 1907. (Klassiker der
Kunst in Gesamtausgaben X.) XLVI und
175 Seiten.
Man darf diesen Band mit besonderer Freude
begrüssen. Denn der einst neben Rafael überlaut
gepriesene Maler hat seit Burckhardt eine Unter-
 
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