Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

DOI Heft:
Zehntes/Elftes Heft (Oktober/November 1907)
DOI Artikel:
Boehn, Max von: [Rezension von: Richard Oertel, Francisco de Goya]
DOI Artikel:
Fischel, Oskar: [Rezension von: Hans W. Singer, Die Kgl. Gemälde-Gallerie Dresden I (Moderner Cicerone)]
DOI Artikel:
Waetzoldt, Wilhelm: [Rezension von: Karl Simon, Seitenansicht und Vorderansicht]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0238

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
208

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Okt./Nov.-Heft.

Radierungen ganz absieht, ist von den 150 Abbil-
dungen immerhin noch ein Drittel als höchst will-
kommene Ergänzung zu v. Loga’s Werk zu be-
trachten; vielleicht wird der Verfasser bei Neuauf-
lagen sein Material nach dieser Seite hin noch
weiter ausgestalten können.
Max v. Boehn
Öl
Sammlungen und Ausstellungen.
Hans W. Singer: Die Kgl. Gemälde-Galierie
Dresden I (Moderner Cicerone). Mit ICO Ab-
bildungen und 2 Grundrissen. Stuttgart,
Berlin, Leipzig. Union, Deutsche Verlags-
gesellschaft.
Wir Kunsthistoriker kennen den Cicerone in
drei Fassungen: den alten „Cicerone“ lesen wir,
wenn wir uns einmal wieder erinnern wollen,
dass über Kunstwerke schreiben nicht heisst,
irgend etwas über sie sagen, sondern für das
Wesentliche in ihnen den rechten Ausdruck zu
finden. Den modernisierten brauchen wir als
unentbehrliches Nachschlage- und Reisehandbuch.
Den „modernen“ aber schreiben wir, wenn wir
der Aufforderung des Verlegers folgen wollen oder
sollen.
Darum kann in einer kunstgeschichtlichen
Zeitschrift die Kritik nicht wissenschaftlich sein.
Aber bei einem kunstpädagogischen Unternehmen
wird man „cui bono?“ fragen dürfen.
Wer im Titel verspricht, ein moderner Führer
zu sein, stellt ein persönliches Urteil und neue
Wahrheiten in Aussicht. Liegt bei dieser Aufgabe
viel daran? Selbst wenn es nicht die Wahrheiten
sein sollten, die heut auf allen Gassen gepfiffen
werden, so fördert jede Kritik des Führers gerade
hier, wo soviel Bescheidenheit angebracht ist, den
Hang zum Nachreden und voreiligem Absprechen.
Das Publikum fühlt sich alter Kunst gegenüber
stets in einer Art Defensive — mit jenem in-
stinktiven Widerwillen, den nur der Autoritäts-
glaube des Bildungsphilisters niederhält.
Für den Führer gibt es zwei Arten, vom
modernen Standpunkt alte Bilder zu beurteilen.
Die eine, die hier gewählte, wäre, alles, was dem
augenblicklichen Kunstcharakter entgegen ist,
abzulehnen. Dann fällt Correggio mit dem
„Treppenwitz der Nachzügler“, Aart van der
Neer, dessen durch chemische Veränderungen
entstellte Bilder, wie sie heut aussehn mit „Mond-
schein und sonstigen Mätzchen“, allein nicht
bestricken, „der überschätzte Lothringer“ (Claudel),
Ruisdael, „der sich recht leicht mit einei’ einmal
gefundenen Wirkung begnügt“.

Auf dem andern Weg hat man die mitlebende
Kunst in ihrem Ringen mit der Natur teilnehmend
verfolgt und freut sich, vieles davon durch Fir-
niss und Gallerieton und erstarrte Kompositions-
tiberlieferungen hindurch bei den alten Meistern
wiederzuerkennen. Die erste Art mag politischer
erscheinen, und wer sie vertritt, wird zeitgemäss
sein. Wenn aber nun das Urteil sich wandelt,
wie es sich z. B. bei den Meistern des italienischen
Barock, die hier so schlecht fortkommen, dass es
überflüssig schien, Caravaggio auch nur zu er-
wähnen, zu wandeln beginnt, wird auch der
„moderne Cicerone“ unmodern. Er hat das
Publikum auf eine falsche Fährte gelockt, es um
den Glauben an die und jene Grösse, und was
schlimmer, um Genüsse gebracht, und man darf
— scheidet man Verlag und Autor aus — fragen:
cui bono? Oskar Fischei


Kunstlehre.
Karl Simon: Seitenansicht und Vorder-
ansicht. Sonderabdruck aus der Zeitschrift
fürAesthetik und Allgemeine Kunstwissen-
schaft, II. Band. 3. Heft. Verlag von Fer-
dinand Enke, Stuttgart.
Dieser kleine Aufsatz behandelt ein, besonders
für die Porträtdarstellung, wichtiges Problem der
Aesthetik der bildenden Künste. Simon will nur
Grundlinien ziehen für eine eindringende historische
Analyse der Rolle, die Profil und Face in der
Kunstgeschichte spielen. Nach einer Abwägung
der Vorzüge und Nachteile, die Seiten- und Vorder-
ansicht für die künstlerische Darstellung der
menschlichen Aeusserlichkeit haben, betrachtet er
die Verschiedenheit der Wirkungen beider Haupt-
ansichten und verfolgt das Profil und Face in der
Kunst verschiedener Zeiten und Völker. Einige
ergänzende Bemerkungen seien erlaubt. Für die
Wahl der einen oder der anderen Ansicht im ge-
malten Bildnis kommt äusser den von Simon an-
geführten Punkten in Betracht, dass die für die
Charakterinterpretation des Modelles günstigste
Ansicht zugleich möglichst der rein künstlerischen
Forderung einer Bildmässigkeit entsprechen muss.
Da aber in der Natur keineswegs die malerische
Ansicht eines Gesichtes zusammenzufallen braucht
mit seiner charakteristischsten, verlangt, wie
Herkomer sich ausdrückt, der Widerspruch
„zwischen dem Gesichtsausdruck, der sich zu bester
künstlerischer Bearbeitung eignet, und dem, der
die wirkungsvollste Illustration des Charakters
bieten würde“, vom Maler hier oder dort Opfer.
 
Annotationen