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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

DOI Heft:
Zweites Heft (Februar 1907)
DOI Artikel:
Singer, Hans Wolfgang: [Rezension von: Karl Scheffler, Max Liebermann]
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Cohen, Walter: [Rezension von: Gustave van Kalcken, Peintures ecclésiastiques du moyen-âge de l'epoque de Jan van Scorel et P. van Oostzaanen, 1499-1560]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0059

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Februar-Heft. Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

mannes, der das eigentliche Wesen seines Mittels
nicht ergründet. Nur in einigen Kaltnadelarbeiten
auf Zink stellte sich das bei Liebermann ein, und
sie fallen auch völlig aus dem übrigen radierten
Werk heraus. In den geätzten Arbeiten frappiert
er uns ein oder zweimal, indem er die Wirkung
damit erreicht, die die impressionistische Oeltechnik
erreicht. Aber was uns dabei gefangen nimmt,
ist ja nur die uns überrumpelnde Geschicklichkeit.
Einsichtigerweise hat er den Versuch nicht oft
wiederholt.
Schliesslich stelle ich diese Abweichung nur
als eine Meinungsverschiedenheit hin. Im ganzen
genommen gilt mir das Buch als eines der lesens-
wertesten und besten der letzten Jahre in unserem
Fach.
Hans W. Singer
o
Niederländische Kunst.
Peintures ecclesiastiques du moyen-äge de
l’epoque de Jan van Scorel et P. van Oostzaanen,
1499—1560, publiees sous les auspices de
Gustave van Kalcken et accompagnees de
notices de Monsieur le Chevalier Dr. J. Six.
— Haarlem, H. Kleinmann & Cie. (Ohne
Jahr.) 11 Lieferungen. 14 S. Text. 54Tafeln.
(80 sind angekündigt.)
Eranz Dülberg hat in zwei Aufsätzen des
Bepertoriums, 1899 und 1900, die wichtigsten dieser
Fresken, die von Naarden und Alkmaar, ausführlich
besprochen. Nun liegen sie, vereint mit Nach-
bildungen der Fresken aus der Ursulakirche in
Warmenhuizen, in ausgezeichneten Lichtdrucken
des Kleinmannschen Verlags vor. Eine Publikation
umso dankenswerter, als der historische Wert dieser
Malereien schwerer wiegt als der künstlerische und
infolgedessen auf eine weitere Verbreitung kaum
zu rechnen ist.
Der Nutzen für die Wissenschaft wird noch
erhöht durch den ausführlichen Text, den Professor
J. Six dazu geschrieben hat. Er verweist auf das
älteste Denkmal holländischer Freskokunst, die Ge-
wölbemalereien der Pankratiuskirche in Enkhuizen.
Nach zuverlässigen Nachrichten stammen sie aus
dem Jahre 1484 und stellten Geschichten aus dem
alten und neuen Testamente dar. Dreimal ist man
mit einer dicken Schicht von Oelfarbe darüber her-
gefahren! Jetzt beginnt man die Wieder auf deckung;
nach Six versprechen diese Versuche guten Erfolg.
Einen Zeitgenossen Geertgens von Haarlem als Monu-
mentalmaler kennen zu lernen, würde sich schon
lohnen

äl

Zeitlich folgen diesen Fresken einige Frag-
mente im Kommunal-Museum zu Utrecht, aus der
oberen Kapelle des St. Agnesklosters dieser Bischofs-
stadt stammend. Auf dem einen sieht man Reste
einer Kreuzabnahme. Vermutlich hat sie ein Ut-
rechter Künstler um das Jahr 1516 gemalt. Zwei
Jahre später entsteht der ausgedehnte Fresken-
schmuck der St. Veitskirche zu Naarden, das nur
wenige Kilometer von Utrecht entfernt ist. Aber
Naarden lebte mit der Nachbarstadt in bitterer
Fehde; und da in den Gewölben mehrfach das
Amsterdamer Stadtwappen angebracht ist, tut man
gut, den Künstler, einen Zeitgenossen des Jacob
Cornelisz, auch als seinen Stadtgenossen zu be-
trachten. Wie zur Vorbereitung auf das Haupt-
bild in der Apsis, das jüngste Gericht, erscheinen
in Gegenüberstellungen je 11 Vorgänge aus dem
alten und dem neuen Testamente, also: Elias von
den Kindern, Christus von dem Soldaten gehöhnt;
Isaak das Opferholz, Christus das Kreuz tragend;
und so fort. Die Bilderstürmer haben 1566 Naarden
verschont, auch entgingen die Fresken der Plünderung
durch die Geusen i. J. 1572 und anderen kriege-
rischen Zwischenfällen. Was aber Vernachlässigung
und skrupellose „Restaurierung“ an den Gemälden
gesündigt hat, davon geben schon die 29 Tafeln
unserer Publikation ein oft sehr unerfreuliches
Abbild.
Six nimmt an, dass der von ihm ausführlich
charakterisierte Naardener Künstler italienischen
Einfluss erfahren, ja Italien selbst gesehen habe.
Manche Köpfe erinnern ihn an Fra Filippo und
Lionardo. Sogar an die Maler Japans lässt Six
der „sehr eigene, sehr persönliche Stil“ des Naar-
deners denken.
Mein Urteil, wie auch das von Wilhelm
Valentiner (vgl. Bulletin van den Nederlandschen
Oudheidkundigen Bond 1905) lautet viel weniger
günstig. Dieser Maler erscheint als ein wenig
wählerischer, phantasieloser Entlehner. Verwunden-
lieh muss es vorkommen, dass Six nicht die zahl-
reichen Anleihen bei unserm Albrecht Dürer be-
merkt hat. Aus der kleinen Holzschnittpassion von
1511 sind allein vier Blätter, die Dornenkrönung,
Auferstehung, Himmelfahrt und das Pfingstfest ge-
treu kopiert. Aber auch Jakob Cornelisz und Lukas
van Leiden werden geplündert. (Genaueres bei
Valentiner.) Man mag diesem Anonymus zuge-
stehen, dass er geschickt zu komponieren und seine
Figuren gut in den Raum zu stellen vermag; seine
künstlerische Bedeutung geht, bei so starkem An-
lehnungsbedürfnis, kaum über die des späteren
Klassikers der „Nachempfinder“, des braven Mar-
cellus Koffermans, hinaus. Dass Dürers graphische
Blätter gerade in den Niederlanden, schon ganz
 
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