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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Drittes Heft (März 1907)
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Swarzenski, Georg: [Rezension von: Karl Künstle, Die Kunst des Klosters Reichenau im 9. und 10. Jahrhundert und der neuentdeckte karolingische Gemäldezyklus zu Goldbach bei Ueberlingen]
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Wendland, Hans: [Rezension von: Heinrich Krings, Ein wiedergefundenes Gemälde Martin Schongauers]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0073

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MONATSHEFTE

DER KUNSTWISSENSCHAFTLICHEN LITERATUR

unter Mitwirkung vieler Kunstgelehrten herausgegeben von

Dr. Ernst Jaffe und Dr. Curt Sachs.

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Drittes Heft. □ März 1907.

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Deutsche Kunst.
Karl Künstle. Die Kunst des Klosters
Reichenau im 9. und 10. Jahrhundert und der
neuentdeckte karolingische Gemäldezyklus zu
Goldbach bei Ueberlingen. Festschrift zum
80. Geburtstag Sr. k. Hoheit des Grossher-
zogs Friedrich von Baden. Mit Unter-
stützung des grossherzoglichen Ministe-
ums der Justiz, des Kultus und des Unter-
chts. Freiburg, Herder 1906. M. 25,
Der Wert dieses gut ausgestatteten Buches
liegt in der hervorragenden Bedeutung eines Fun-
des von Wandgemälden in der Kirche zu Gold-
bach, die unter Mitwirkung des Verfassers im
Sommer 1904 entdeckt wurden und die in der vor-
liegenden Schrift zum ersten Male eingehend pu-
bliziert werden. In dieser kleinen Kirche hatte
man schon 1899 jene Apostelfresken im Chor ge-
funden, die s. Z. F. X. Kraus veröffentlicht hatte;
und nun hat sich die Vermutung bestätigt, dass
auch im Langhaus Reste einer alten malerischen
Ausstattung erhalten sein müssten. Es handelt
sich um nichts geringeres, als um einen Zyklus
von Wandbildern mit Darstellungen aus dem Wun-
derwirken Christi, zu denen noch eine interessante
Dedikationsdarstellung tritt. Diese Wandgemälde
sind aufs engste verwandt dem berühmten Zyklus der
Georgskirche auf Oberzell-Reichenau.Beide sindoffen-
bar ebenbürtige Erzeugnisse der gleichen Zeit und
Schule. Verf. hat sich nicht mit dieser Feststellung be-
gnügt, sondern eine gewagte Umdatierung vorge-
nommen, die beide Zyklen in das 9. Jahrhundert,
in die karolingische Zeit, versetzt. Das ist falsch.
Keiner der beiden Zyklen kann vor der Mitte des
10. Jahrhunderts entstanden sein; die Gründe, die
die bisherige Forschung zu dieser Datierung ge-
führt haben, sind durch K. nicht widerlegt worden,
die Gründe, die er für seine Umdatierung anführt,
sind nicht stichhaltig und beruhen zumeist auf
falschen Voraussetzungen. Auch in dem einleiten-
den Abschnitte, wo Verf. einen Ueberblick über
die Kunstgeschichte der Reichenau im 9. und
10. Jahrhundert gibt, gelingt es ihm nicht, seiner

These festeren Halt zu geben. Dankenswert sind
hier die gewissenhaften baugeschichtlichen Unter-
suchungen, und in dem Absatz über Malerei der
Fund eines interessanten Reichenauer Kodex in
Karlsruhe, der merkwürdigerweise allen Beteiligten
entgangen war. Im übrigen aber hat der Verf.
überall dort, wo er in Widerspruch tritt mit den
Resultaten der neueren Forschung, kein glückliches
Urteil bewiesen, und unsere Kenntnis dieses schwie-
rigen und wichtigsten Kapitels deutscher Kunst-
geschichte ist durch seine Arbeit zwar auf eine
breitere Basis gestellt, aber mehr verwirrt, als ge-
klärt worden. Dies gilt z. B. für die Verlegung
der Echternacher Handschriftengruppe nach Rei-
chenau, wobei als Beweis mit angeführt wird, dass
es am Ende des 10. Jahrhunderts überhaupt nur
eine einzige Schule gegeben habe, die „seit Jahren
erstarkt“ sei (Reichenau)! Unrichtig ist auch, dass
keine Reichenauer Miniaturkodices von der Mitte
des 10. Jahrhunderts erhalten seien; ganz erstaun-
lich die Behauptung, dass „St. Gallen im 9. Jahr-
hundert keine eigene Malerschule besass“. Die
Oxforder Elfenbeintafel, die Verf. zur ikonograpbi-
schen Vergleichung heranzieht, ist nicht altchrist-
lich, sondern karolingisch, und zwar vermutlich
gerade in Reichenau entstanden! —-Wer deutsche
Wandmalereien kennen lernen will, die wirklich
der karolingischen Kunst angehören, betrachte den
indessen bekannt gewordenen Zyklus von St. Jo-
hann zu Münster in Graubünden, den in einer
musterhaften Untersuchung Zemp und Dürrer pu-
bliziert haben. Georg Swarzenski
Heinrich Krings. Ein wiedergefundenes Ge-
mälde Martin Schongauers. Dezember-Heft
des „Hochland“, München 1906, pag. 350—354.
Das wiedergefundene Gemälde Martin Schon-
gauers aus der Pfarrkirche zu Neuwied hängt eng
zusammen mit dem Stich der Verkündigung des
Meisters, B. 3.
Krings musste den Beweis erbringen, dass das
Bild dem Stiche vorangehe, um es als ein selbst-
ständiges Werk Martin Schongauers zu legitimieren.
Er setzt die Entstehung des Kupferstiches in eine
 
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