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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Zehntes/Elftes Heft (Oktober/November 1907)
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Burger, Fritz: [Rezension von: Weizsaecker, Semrau, Warburg (u.a.), Kunstwissenschaftliche Beiträge]
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Singer, Hans Wolfgang: [Rezension von: Ulrich Thieme, Felix Becker (Hg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. Von der Antike bis zur Gegenwart, Band 1, Aa - Antonio de Miraguel]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0243

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Okt.'Nov.-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

213

sinniger kleiner Aufsatz von Wilhelm Pinder, der
ein schönes Familienbildnis Johann Friedr. Aug.
Tischbeins aus Leipziger Privatbesitz publiziert
und mit treffenden, kurzen Bemerkungen die künst-
lerische Bedeutung der drei Tischbein charakterisiert.
Fritz Burger
Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler
Von der Antike bis zur Gegenwart Unter
Mitwirkung von 3ü0 Fachgelehrten desIn-
und Auslandes Herausgegeben von Br-
Ulrich Thieme und Dr. Felix Becker Erster
Band Aa. — Antonio de Miraguel Leipzig
Verlag von Wilhelm Engelmann 1907
(M. 32,-).
Das Werk wird der grossen Mehrzahl der
Leser dieser Zeilen schon vor seinem Erscheinen,
kann man sagen, ein guter Bekannter sein. Alle
Fachgenossen, an die sich die M. d. k. L. ja fast
ausschliesslich wenden, wissen seit Jahren, dass die
Vorbereitungen zu dieser Veröffentlichung unter
den denkbar günstigsten Umständen im Gange
waren. Jetzt werden sie nur ihre Zuversicht, dass
zum zweiten Male Deutschland auf kunstlexiko-
graphischem Gebiet alle übrigen Völker äusser
Sehweite hinter sich lässt, bestätigt finden.
Eine Besprechung des Lexikons an dieser
Stelle, erübrigt sich eigentlich, insofern sie nur
dessen Vorzüge klarlegen und betonen will. Da
wir alle wissen, nach welch unübertiefflichenGrund-
sätzen die Bedaktion ihre Arbeiten in Angriff >
nahm, und da wir auch wissen, in welch ausge-
zeichnete Hände die Bedaktion gefallen ist, war
es uns auch bekannt, welches Ergebnis zu erwarten
stand. Es bedarf nicht erst des ausdrücklichen Lobs.
Nach der Schätzung der Schriftleitung dürfte
die Vollendung der Biesenaufgabe mindestens zehn
Jahre in Anspruch nehmen. Gegenüber dieser
Leistung, den insgesamt zwanzig Bänden, stellt
der vorliegende erste Band immerhin nur einen
bescheidenen Bruchteil dar, einen Bruchteil, der
zu klein ist, als dass er ganz unbedingt in jeder
Einzelheit alles, was noch nachkommt, bestimmen
müsste. Ich will mich daher darauf beschränken,
einige Gegenvorschläge zu den angenommenen vor-
zubringen, in der Erwägung, dass es nicht zu spät
ist, auf den einen oder den anderen einzugehen,
sollten sie doch einleuchten und in der Hoffnung,
dass meine eigene achtjährige Erfahrung gerade
auf diesem Feld mir vielleicht einige Berechtigung
gebe hier mitzureden, die über derjenigen des ersten
besten Kritikers steht.
Es hat mich arg enttäuscht, dass sich die
Schriftleitung dazu entschlossen hat, die Künstler
nicht unter ihren richtigen Namen einzustellen.

Warum nun die Künstler auf ewige Zeiten das
Los des lichtscheuen Gesindels zu teilen haben,
nur gewissermassen mit Diebs-, Spott- oder kindisch-
familiären Namen an gerufen zu werden, ist mir
nicht ersichtlich. Die Unsitte konnte sich vor drei
oder vier Jahrhunderten selbstverständlich leicht
einbürgern. Auch noch vor fünfzig oder achtzig
Jahren konnten sich Backfische beiderlei Geschlechts
in dem Gefühl wiegen, sie stünden den Herren
näher, wenn sie von ihnen, — wie von einem
guten Freunde oder Verwandten. — als Baphael
oder Michelangelo redeten. Wie viele Millionen
haben solch scheussliche Bezeichnungen wie So-
doma nachgeplappert, ohne eine Ahnung von dessen
Ursprung oder Bedeutung zu haben. Aber wie
wenig entspricht das Festhalten an solcherlei
Ueberlieferungs-Gerümpel unserem heutigen Gefühl.
Wenn sich das vorliegende, epochemachende Werk
dafür entschieden hätte oder noch dafür entscheiden
könnte, die allein richtige und logische Einstellung
einzuführen, in zwanzig Jahren vielleicht wären
die Hälfte dieser Sobriquets in die wohlverdiente
Vergessenheit geraten. Es hätte die Arbeit unserer
besten, neuen Galeriekataloge unterstützt und hätte
eine seiner- erzieherischen Pflichten eingelöst.
Die Leitung meint, sie diene dem praktischen
Gebrauch, wenn sie an den so lange ein geführten
Benennungen fest hielt. Das ist ein völliger Trug-
schluss. Wie viele Bolognese, Bomano u. dgl. wird
es jetzt geben, unter denen man sich höchst müh-
sam denjenigen heraussuchen muss, den man haben
will. Welche Verwechslung haben schon die beiden
Caravaggio-Namen hervorgerufen. An praktischer
Nutzbarkeit gewinnt ein Lexikon durchaus nicht
auf diese Art: und man muss nur bedenken, dass
die richtigen Namen sich immer mehr einbürgern
und, wie ich schon sagte, durch eben dieses Lexi-
kon in wenigen Jahren Gemeingut hätten werden
können. Das Ausschlaggebende ist aber, dass sich
die Schriftleitung vor einer Verwirrung nicht retten
kann. Es gibt heute noch eben so viele Dilettanten
auf der Welt, die von Guido reden wie von Beni,
eben so viele die den Claude nennen, den andere
Lorrain heissen: unter welche Namen werden
diese Künstler eingeordnet? Wo soll die Grenze
gezogen werden zwischen den Künstlern, die unter
Baphael und Michelangelo und denen, die unter
ihren Familiennamen, nicht unter diese Vornamen
eingeordnet werden? Bazzi wird wahrscheinlich
unter Sodoma, Betti unter Pinturricchio eingestellt
werden: kommt aber Glauber unter Polydor,
Hammerer unter Meiger, Bonzi unter Gobbo usw. zu
stehen? In hunderten solcher Fälle wird die
Schriftleitung vergeblich zu entscheiden suchen,
was hier massgebend sein soll und es wird ihr
 
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