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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.
Juli-Heft.
des von der Künstlerüberlieferung schmachvoll
behandelten, muss kommen. Man braucht darum
Feuerbach für sich nicht unrecht zu geben, dass er
das unmöglich gewordene Verhältnis löste. Aber
ich glaube, die Mäzene aller Zeiten sind nicht anders
gewesen als Schack. Sehr gut sagt der Ver-
fasser, es sei zu erwägen, die Biographie Feuer-
bachs einmal ohne die Akten zu schreiben, sie
allein aus den nachdauernden Werken des Künst-
lers zu lesen und sich von allen geschriebenen
Quellen zu befreien. In der Tat liegt hier die
zukünftige Aufgabe. Soweit ich die zahlreichen
Wertungen aus Anlass der Jahrhundertsaus-
stellung verfolgt habe, nirgends ist mir der Ver-
such begegnet, die Stilentwickelung abseits von
allem Zeitlichen dieses gequälten Daseins von
Stufe zu Stufe an den Bildern zu verfolgen. Erst
wenn das mit Verstand und Urteil geschehen ist,
wird sich seine Kunstleistung, unbeeinflusst von
dem gemütlichen Anteil, den sein persönlicher
Idealismus und das Pathos eines in seiner Art
erhabenen menschlichen Kampfes erweckt,
würdigen lassen. Carl Neumann
Reinh. Freih. v. Lichtenberg und Ernst Jaffe:
Hundert Jahre Deutsch-Römischer Landschafts-
malerei. Berlin 1907, Oesterheld & Co. Mit
einer Mappe in Lichtdr. Br. M. 18,—, geb. M. 20,—.
Zwei Autoren nennen sich hier; ihr Anteil an
dem Werk wird in dem Register bezeichnet. So
ist der Referent der verlockenden Aufgabe ent-
hoben, bei diesem literarischen Dioskurenpaar nach
dem Verdienst des einzelnen zu spüren.
Aus fleissiger Aneinanderreihung des litera-
rischen Materials, Erlebnissen und persönlich
aufgenommener Tradition ist diese Geschichte der
Deutsch-römischen Landschaftsmalerei entstanden.
Die heroische Landschaft wurde dabei in den
Mittelpunkt der Betrachtung gerückt, und aus
den Meistern, die sich in ihrer Schilderung
zusammenfanden, noch nachträglich eine Art
Hetärie gebildet: Wer nicht dazu gehört, kommt
in diesem Buch nicht recht auf.
Aber persönliche Bekanntschaft mit Künstlern
wirkt selten klärend auf das Urteil über ihre
Werke. So scheint auch hier das Licht nicht
immer gerecht verteilt. Kanoldt, „der Retter der
Serpentara“, dessen Andenken das Buch gewidmet
ist, der jüngere Preller, Dreber werden gleich-
wertig mit den grossen Meistern der Goethezeit,
mit Koch, Reinhart und den Nazarenern behandelt,
während doch gerade die retrospektiven Aus-
stellungen der letzten Jahre überraschende Ent-
täuschungen über sie brachten. Das Interesse an
dem Sujet dieser Gruppe hätte keinen Massstab
für die Bedeutung der einzelnen Künstler abgeben
dürfen. Wenn Nerly (Nehrlich) kurz abgetan wird,
weil er nicht zur Entwickelung beigetragen hat,
was gibt da an dieser Stelle Hans Meyer und
Anton von Werner ihren Platz?
Ueberhaupt ist das Material nicht durchweg
nach der Würde des Gegenstandes gesichtet.
Dem Leser musste mehr daran liegen, von Heinrich
Ludwig etwas zu erfahren, der uns um seiner
bedeutenden Freunde willen und als Autor der
hier reproduzierten kostbaren Skizze interessiert
als zu hören, wann Max Roman Einjähriger war,
oder dass „seit 1881 Meyer in glücklicher Ehe
mit Selma, geb. Drewke lebt". In der Reihe der
Illustrationen würde man manchen Namen wie
Flinsch lieber als Rottmann missen.
Auch die Abneigung gegen das Wesen der
modernen Kunst, die an manchen Stellen in die
Schilderung hineinklingt — vielleicht ein mensch-
lich sehr erklärliches Echo von j enem Honoratioren-
tisch „in der trauten Künstlerkneipe“, den Colonette
— rächt sich an der Darstellung: es fehlt ganz der
Reiz des Kontrastes: der hätte sich leicht dazu
gefunden: es brauchte nicht einmal betrachtet zu
werden, wie ganz anders die alten Holländer, wie
Velazquez Rom gesehen, die moderne Kunst selbst
bot Gegensätze genug: Corot’s Castel Gandolfo
und Blick über das Forum konnten neben den
Werken anderer Klassizisten erwähnt, Rottmanns
flimmernde Dächer Roms bei Schack, Lenbachs
sonnige Veduten des Vestatempels und Titusbogen
mussten besprochen werden, und was Charles
Schuch dort gemalt hat, hervorzuholen, wäre
dankenswert gewesen. Dafür haben viele von den
persönlichen Ueberlieferuugen aus dem römischen
Künstlerleben hier nun ein- für allemal ihr Archiv
gefunden. Oskar Fischei
Ausstellung deutscher Kunst aus der Zeit
von 1775—1875 in der Königlichen Nationalgalerie
Berlin 1906. Herausgegeben vom Vorstand
der Deutschen Jahrhundertausstellung.
München 1906. Verlagsanstalt F. Bruck-
mann A.-G. 4°. 620 SS. 1137 Abb. M. 60,-.
Dieser stattliche Band ist der zweite Teil des
grossen illustrierten Gesamtkataloges der Jahr-
hundertausstellung, dessen erster Teil im November-
heft 1906 von mir angezeigt worden ist. Erbringt
Reproduktionen von allen Bildern der Ausstellung,
soweit sie nicht schon im ersten Teil berücksichtigt
worden sind. Nur diejenigen sind fortgelassen,
„die sich zur Wiedergabe nicht eigneten oder neben
anderen für die Charakteristik der Meister wichtigeren
Schöpfungen entbehrlich schienen.“ Hier hat also
doch eine gewisse Sonderung stattgefunden. Sie
Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.
Juli-Heft.
des von der Künstlerüberlieferung schmachvoll
behandelten, muss kommen. Man braucht darum
Feuerbach für sich nicht unrecht zu geben, dass er
das unmöglich gewordene Verhältnis löste. Aber
ich glaube, die Mäzene aller Zeiten sind nicht anders
gewesen als Schack. Sehr gut sagt der Ver-
fasser, es sei zu erwägen, die Biographie Feuer-
bachs einmal ohne die Akten zu schreiben, sie
allein aus den nachdauernden Werken des Künst-
lers zu lesen und sich von allen geschriebenen
Quellen zu befreien. In der Tat liegt hier die
zukünftige Aufgabe. Soweit ich die zahlreichen
Wertungen aus Anlass der Jahrhundertsaus-
stellung verfolgt habe, nirgends ist mir der Ver-
such begegnet, die Stilentwickelung abseits von
allem Zeitlichen dieses gequälten Daseins von
Stufe zu Stufe an den Bildern zu verfolgen. Erst
wenn das mit Verstand und Urteil geschehen ist,
wird sich seine Kunstleistung, unbeeinflusst von
dem gemütlichen Anteil, den sein persönlicher
Idealismus und das Pathos eines in seiner Art
erhabenen menschlichen Kampfes erweckt,
würdigen lassen. Carl Neumann
Reinh. Freih. v. Lichtenberg und Ernst Jaffe:
Hundert Jahre Deutsch-Römischer Landschafts-
malerei. Berlin 1907, Oesterheld & Co. Mit
einer Mappe in Lichtdr. Br. M. 18,—, geb. M. 20,—.
Zwei Autoren nennen sich hier; ihr Anteil an
dem Werk wird in dem Register bezeichnet. So
ist der Referent der verlockenden Aufgabe ent-
hoben, bei diesem literarischen Dioskurenpaar nach
dem Verdienst des einzelnen zu spüren.
Aus fleissiger Aneinanderreihung des litera-
rischen Materials, Erlebnissen und persönlich
aufgenommener Tradition ist diese Geschichte der
Deutsch-römischen Landschaftsmalerei entstanden.
Die heroische Landschaft wurde dabei in den
Mittelpunkt der Betrachtung gerückt, und aus
den Meistern, die sich in ihrer Schilderung
zusammenfanden, noch nachträglich eine Art
Hetärie gebildet: Wer nicht dazu gehört, kommt
in diesem Buch nicht recht auf.
Aber persönliche Bekanntschaft mit Künstlern
wirkt selten klärend auf das Urteil über ihre
Werke. So scheint auch hier das Licht nicht
immer gerecht verteilt. Kanoldt, „der Retter der
Serpentara“, dessen Andenken das Buch gewidmet
ist, der jüngere Preller, Dreber werden gleich-
wertig mit den grossen Meistern der Goethezeit,
mit Koch, Reinhart und den Nazarenern behandelt,
während doch gerade die retrospektiven Aus-
stellungen der letzten Jahre überraschende Ent-
täuschungen über sie brachten. Das Interesse an
dem Sujet dieser Gruppe hätte keinen Massstab
für die Bedeutung der einzelnen Künstler abgeben
dürfen. Wenn Nerly (Nehrlich) kurz abgetan wird,
weil er nicht zur Entwickelung beigetragen hat,
was gibt da an dieser Stelle Hans Meyer und
Anton von Werner ihren Platz?
Ueberhaupt ist das Material nicht durchweg
nach der Würde des Gegenstandes gesichtet.
Dem Leser musste mehr daran liegen, von Heinrich
Ludwig etwas zu erfahren, der uns um seiner
bedeutenden Freunde willen und als Autor der
hier reproduzierten kostbaren Skizze interessiert
als zu hören, wann Max Roman Einjähriger war,
oder dass „seit 1881 Meyer in glücklicher Ehe
mit Selma, geb. Drewke lebt". In der Reihe der
Illustrationen würde man manchen Namen wie
Flinsch lieber als Rottmann missen.
Auch die Abneigung gegen das Wesen der
modernen Kunst, die an manchen Stellen in die
Schilderung hineinklingt — vielleicht ein mensch-
lich sehr erklärliches Echo von j enem Honoratioren-
tisch „in der trauten Künstlerkneipe“, den Colonette
— rächt sich an der Darstellung: es fehlt ganz der
Reiz des Kontrastes: der hätte sich leicht dazu
gefunden: es brauchte nicht einmal betrachtet zu
werden, wie ganz anders die alten Holländer, wie
Velazquez Rom gesehen, die moderne Kunst selbst
bot Gegensätze genug: Corot’s Castel Gandolfo
und Blick über das Forum konnten neben den
Werken anderer Klassizisten erwähnt, Rottmanns
flimmernde Dächer Roms bei Schack, Lenbachs
sonnige Veduten des Vestatempels und Titusbogen
mussten besprochen werden, und was Charles
Schuch dort gemalt hat, hervorzuholen, wäre
dankenswert gewesen. Dafür haben viele von den
persönlichen Ueberlieferuugen aus dem römischen
Künstlerleben hier nun ein- für allemal ihr Archiv
gefunden. Oskar Fischei
Ausstellung deutscher Kunst aus der Zeit
von 1775—1875 in der Königlichen Nationalgalerie
Berlin 1906. Herausgegeben vom Vorstand
der Deutschen Jahrhundertausstellung.
München 1906. Verlagsanstalt F. Bruck-
mann A.-G. 4°. 620 SS. 1137 Abb. M. 60,-.
Dieser stattliche Band ist der zweite Teil des
grossen illustrierten Gesamtkataloges der Jahr-
hundertausstellung, dessen erster Teil im November-
heft 1906 von mir angezeigt worden ist. Erbringt
Reproduktionen von allen Bildern der Ausstellung,
soweit sie nicht schon im ersten Teil berücksichtigt
worden sind. Nur diejenigen sind fortgelassen,
„die sich zur Wiedergabe nicht eigneten oder neben
anderen für die Charakteristik der Meister wichtigeren
Schöpfungen entbehrlich schienen.“ Hier hat also
doch eine gewisse Sonderung stattgefunden. Sie