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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Erstes Heft (Januar 1907)
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Frey, Karl: [Rezension von: Hermann Egger, Codex Escurialensis, ein Skizzenbuch aus der Werkstatt Domenico Ghirlandajos]
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Gronau, Georg: [Rezension von: Hugo von Kilényi, Ein wiedergefundenes Bild des Tizian]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0035

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Januar-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

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der Tafeln. — Zwar nur ein Katalog; aber welche
kolossale Arbeit steckt darin! Mit welcher Treue
im Kleinen ist hier verfahren worden! Wer ein-
mal ähnliche Arbeiten zu leisten hatte, wird dies
zu schätzen wissen. Einige Artikel weiten sich
zu wertvollen Abhandlungen aus. So besonders
der über das Goldene Haus Neros aus der Eeder
Michaelis. Diese Beiträge der beiden Mitarbeiter
sind regelmässig mit einem H. oder M. gezeichnet.
Von Hülsen rühren die Berichte über Stadtveduten
und Eorumsarchitekturen, von Michaelis solche
über Provenienz, Schicksale und Deutung von
Denkmälern her, worin ja dieser Gelehrte unbe-
strittene Autorität ist.
Einige Ausstellungen muss ich aber dennoch
machen. So befindet sich z. B. das Original von
Michelagniolos Zeichnung, das Götterschiessen, für
Cavalieri, in Windsor; das Blatt in der Brera ist
nur eine, und zwar keineswegs gute Kopie danach
(p. 70) Bei Gelegenheit einer Opferszene auf einem
antiken Sarkophage (fol. 28) hätte Raffael zitiert
werden können, der das Motiv für sein Opfer zu
Lystra verwendet hat Auf Blatt 35 (p. 100) liest
man nur „rpea, nicht turpea, das aus anderem Zu-
sammenhänge (allerdings richtig) ergänzt zu sein
scheint. Viele Wortverstümmelungen scheinen
(was zu bemerken war) auf Schreibfehler, nicht
immer gleich auf Missverständnisse des Zeichners
zurückzugehen. So z. B. „in chifa laualle“ für in
„chafa la ualle“, übrigens eine geläufige Form.
Ueberhaupt wäre auch ein Eingehen auf sprach-
liche Eigenheiten im Codex sowie auf die Wort-
erklärung bei seltsamen Inschriften erwünscht ge-
wesen. Bei der Transkription der Beischriften
hätte in orthographischer Beziehung eine grössere
Genauigkeit walten und endlich die Register, be-
sonders das der Personennamen, vollständiger ge-
macht werden können. Doch das sind nur gering-
fügige Ausstellungen, die den Wert des Gebotenen
nicht beeinträchtigen. Möchte der verdiente Her-
ausgeber seine eminente Kraft und sein Wissen
nun auch auf die weitere Erschliessung des Mate-
riales an Handzeichnungen, besonders auch der-
jenigen in der Wiener Hofbibliothek, verwenden.
Karl Frey
Hugo von Kilenyi, Ein wiedergefundenes
Bild des Tizian. Studie. Budapest 1906,
F. Kilian’s Nachf. 31 S. m 7 Taf. Lex. 8°.
Man ist stets etwas misstrauisch gestimmt,
wenn uns eine Broschüre vorgelegt wird, durch
welche der Nachweis geführt werden soll, es sei
irgend ein verschollenes Werk eines der ganz
grossen Meister wieder aufgefunden worden. Denn
meist handelt es sich hier nicht um eine zweck-

lose wissenschaftliche Arbeit, sondern ein Ziffern -
Interesse hat dem Autor die Feder geführt.
Von diesem gewöhnlichen Charakter solcher
Gelegenheitsschriften unterscheidet sich die vor-
liegende in erfreulicher Weise. Sie ist gut und
sorgfältig gearbeitet und mutet dem Leser nicht,
wie es so oft geschieht, zu, die allergrössten Un-
wahrheiten zu glauben.
Der Verfasser stellt die These auf, dass das
im Privatbesitz in Budapest befindliche Bild der
„Venus mit dem ihr einen Spiegel vorhaltenden
Amor“ — Besitzer ist nicht angegeben, jedoch nach
Frimmel, Kunst-Chronik 1897, Sp. 198, Ministerial-
rat von Kilenyi — identisch sei mit einem Bilde
der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm,
und dass es ein Original von Tizian sei.
Den Beweis, den der Verfasser zuerst antreten
will, halte ich für in allen Teilen geglückt. Die
Stiche von Teniers und Prenner, die er abbildet,
und die mit dem Fester Bilde in allen denjenigen
Stücken übereinstimmen, worin dieses von dem als
Original anerkannten Bilde in Petersburg abweicht,
lassen in dieser Hinsicht keinen Zweifel. Und es
wird uns auch, trotz einiger Lücken, in der Haupt-
sache bewiesen, wie das Bild von Wien nach Ofen,
und auf welche Weise es aus dem Besitz der
Kaiserlichen Sammlung fortkam.
Die andere Frage jedoch, ob das Bild, das
einst Erzherzog Leopold Wilhelm besass, ein Ori-
ginal des Meisters gewesen ist oder aber Werk-
stattwiederholung, lässt sich mit historischen
Argumenten nicht erweisen. Wie viele Werke
haben nicht in den grossen Gallerien des sieb-
zehnten Jahrhunderts für Originale gegolten, die
seither längst ihrer stolzen Namen entkleidet
worden sind! Hier kann nur die Kenntnis des
Originales ein Urteil gestalten; ich habe dieses
bisher nicht gesehen und muss mich daher eines
solchen enthalten. Doch nimmt die Reproduktion
entschieden für das Bild ein, wennschon es nach
dieser nicht völlig die Qualitäten des Petersburger
Exemplares zu erreichen scheint.
Interessant ist der Umstand, dass das Bild
ursprünglich eine andere Komposition gezeigt hat,
die bei einer Reinigung zu Tage getreten ist (vom
früheren und jetzigen Zustand sind Abbildungen
gegeben.) Hier war ein Putto zwischen Venus
und dem Spiegel placiert, im Typus des Kopfes
ganz demjenigen des Petersburger Bildes gleich,
beim Halten des Spiegels beschäftigt. Doch kann
ich nur nicht verstehen, dass, wie Verfasser an-
nimmt (S. 58), stets nur ein Amor geplant gewesen
sei. der den Spiegel hielt, und Tizian aus kompo-
sitionellen Gründen ihn von dieser Stelle fortge-
nommen und nach vorn gebracht habe, so wie er
 
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