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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Achtes/Neuntes Heft (August/September 1907)
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Schubring, Paul: [Rezension von: Fritz Burger, Francesco Laurana. Eine Studie zur italienischen Quattrocentosculptur]
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Springer, Jaro: [Rezension von: Hans W. Singer, Rembrandt]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0194

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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur. Aug./Sept.-Heft.

sammen. Der zarte Kultus der Minnepoesie, der
an König Renes Hof getrieben wurde, hat ihn,
den dalmatiner Steinmetzen, zu der persönlichen
Sprache zarter Beseelung befähigt; und die huma-
nistische Lebenshaltung des neapolitaner Hofes
hat diese Entwicklung weiter begünstigt. Der
häufige Wechsel seines Wohnsitzes hat jenen Mangel
an Bodenständigkeit verschuldet, der es ihm er-’
Schwert, sich neben den schollenfesten Florentinern
zu behaupten. Dafür ist aber sein Bild reich
durchströmt von den seltsamen Widersprüchen, die
der Südwesten und der Norden des tyrrhenischen
Meeres in der Vereinigung darbieten.
B.’s Buch ist ein wichtiger Beitrag zu der
Geschichte der italienischen Quattrocentosculptur.
Der Verfasser verspricht, die neapolitaner Gruppe
der Plastiker noch weiter zu verfolgen. Er sei auf
eine versteckte Arbeit Domenico Gagginis in Süd-
italien aufmerksam gemacht: in Alhamura in
Apulien befindet sich eine grosse Kanzel mit Re-
liefs aus der Jugendgeschichte Christi, die aus dem
Atelier der Gaggini, wenn nicht von Domenico
selber herstammt. Paul Schub ring

Niederländische Kunst.
Hans W. Singer: Rembrandt. Des Meisters
Radierungen in 402 Abbildungen. Stutt-
gart und Leipzig. Deutsche Verlagsan-
stalt 1906. (Klassiker der Kunst in Gesamt-
ausgaben VIII.)
In Rembrandts Jubiläumsjahr ist diese Aus-
gabe seiner Radierungen erschienen. Ursprünglich
gewiss als Ehrung geplant, ist durch die Schuld
des Herausgebers schliesslich leider das Gegenteil
einer Ehrung daraus geworden.
Singer teilt die Radierungen Rembrandts in
drei Gruppen: 1. die echten Radierungen, 2. zweifel-
hafte Blätter und solche, die im reproduzierten
Zustand nicht mehr Rembrandts Weise erkennen
lassen, 3. verworfene Blätter.
In die dritte Abteilung ist etwa die Hälfte
aller von Bartsch beschriebenen Blätter verwiesen.
Darunter sehr viele, die schon immer und von
jedem Rembrandt abgesprochen wurden. Aber es
sind doch auch solche aufgenommen worden, die
hier zu finden aufs peinlichste überrascht. Die
meisten der frühen Selbstbildnisse, darunter auch
das kleine Köpfchen im Barett B. 2, das W. v.
Seidlitz, das liebenswürdigste Bildnis des Meisters
nennt und das dadurch so populär geworden ist,
dass es auf dem Titelblatt des so rasch vergessenen

Buches von Rembrandt-Deutschen abgebildet war.
Mit einem für jedes Blatt durchgeführten Beweis
im einzelnen gibt sich Hans W. Singer nicht ab,
er verwirft in Bausch und Bogen, hauptsächlich
weil ihm die Beleuchtung unkünstlerisch und
schablonenhaft vorkommt. Rembrandt habe viele
Radierschüler unterrichtet, die er in einzelnen
Kämmerchen habe arbeiten lassen. Der Meister
sei nun von Kämmerchen zu Kämmerchen ge-
gangen und habe jedem Schüler als Modell posiert,
mal mit gesträubtem Haar, mal mit aufgerissenen
Augen. Wer einen Roman über Rembrandt
schreiben wollte, (Singer ist auf dem besten Wege
dazu), der dürfte dieses Motiv nicht verwenden,
wenn anders er beabsichtigt, seinen Helden wirk-
lich und historisch vorzuführen. Hier nur zwei
Gegengründe: Rembrandt erscheint auf diesen
Bildnissen so jung, dass er die Radierschule mit
dem Kämmerchensystem schon ums Jahr 1630 in
Leyden eingerichtet haben müsste. Dass er das
gleich im Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit
getan habe, ist sehr unwahrscheinlich. Dann
zweitens: die verworfenen Porträts Rembrandts
sind (mit Ausnahme von B. 9, einem Blatt, das
schon früher und wohl mit Recht bezweifelt
wurde) deutlich als Selbstbildnisse zu erkennen,
die Augen immer auf den Beschauer gerichtet, so
wie dem Künstler, wenn er sich selbst zeichnen
wollte, das eigene Gesicht im Spiegel erschien.
Unter den von Singer verworfenen Blättern die
beiden meisterlichen Bildnisse: den Juden an der
Treppe B. 278 und den grossen Coppenol B. 283
zu finden, wird am meisten befremden. Beide,
meint Singer, seien von „Reproduzenten“ nach
Bildern Rembrandt’s radiert worden. Der be-
dauerliche Irrtum kann zur Entschuldigung
Singer’s nur dadurch erklärt werden, dass er offen-
bar die beiden fraglichen Bilder Rembrandt’s —
Ephraim Bonus in der Sammlung Six in Amster-
dam, der Coppenol bei Lord Ashburton The Grange —
nicht kennt. Er hätte sich aber in Bode’s grossem
Rembrandtwerk (V 135 und VI145) leicht darüber
orientieren können. Aus den Abbildungen und
nach der Massen, die Bode gibt, hätte Singer
entnehmen können, dass es sich hier um Skizzen
handelt, Vorstudien zu den radierten Bildnissen.
Vom Bilde des Coppenol sagt es zudem Bode aus-
drücklich. Aber auch das Bild des jüdischen Arztes
muss als Studie zur Radierung in Anspruch ge-
nommen werden. Die Skizze gibt weniger, die
Treppe, der Hintergrund und manches Beiwerk
wurden erst auf der Kupferplatte zugefügt. Singer
beschreibt das so: „der Reproduzent hat den geist-
losen Hintergrund und das misslungene Geländer
hinzugefügt, ferner den Arm und die Hand ver-
 
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