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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Achtes/Neuntes Heft (August/September 1907)
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Schubring, Paul: [Rezension von: Fritz Burger, Francesco Laurana. Eine Studie zur italienischen Quattrocentosculptur]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0193

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Aug./Sept.-Heft. Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

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Autorschaft Lauranas für die in Italien gearbeiteten
Büsten ablehnte. Berner hatte Rohlfs Laurana
für den Triumphbogen König Alfons in Neapel in
Anspruch genommen, womit er nicht den Beifall
der deutschen Forscher fand. Jetzt hat Fritz
Burger, dem wir das grosse umfassende Werk
über das florentiner Grabmal und wichtige, über
SteinmannsUntersuchungen der römischen Quattro-
centoplastik weit hinausgehende Aufsätze verdanken,
die Untersuchung auf breiter Basis und ge-
nauer Kenntnis, auch des sicilianischen Materials
wieder aufgenommen, das Oeuvre des Meisters sehr
vervollständigt, gesichtet und abgebildet und die
scheinbaren Widersprüche zwischen italienischen und
französischen Arbeiten aufgekläit. In dem Be-
streben, alle die in Frage kommenden, die neapoli-
tanische und sicilianische Plastik des Quattrocento
berührenden Fragen mit zu beantworten, ist ihm
bisweilen die Fülle des Materials über den Kopf
gewachsen, und nur auf grossen Umwegen führt
er uns zum Meister zurück. Die Darstellung leidet
unter dieser Disposition: ich habe das Buch zwei-
mal durchgelesen, ohne im einzelnen die Resultate
klar zu verstehen, erst beim dritten Mal fand ich
mich zurecht. Das mag an mir liegen; aber die
vielen falschen Citate, der wenig gefeilte Satzbau
und manche andere Unebenheiten wirken nicht
günstig. Der Wunsch, Rohlfs zuvorzukommen,
hat den Verf. zu einer zu hastigen Niederschrift
getrieben. Das soll aber den Dank nicht verkleinern,
dass wir viel neues Material in kritischer Sichtung
dargeboten bekommen und die Persönlichkeit dieses
Meisters ein festes Relief gewinnt.
Der Lehrer des Dalmatiners, den B. mit Luciano
Laurana verwandt glaubt, ist Domenico Gaggini,
der 1455 etwa von Genua nach Neapel übergesiedelt
ist und hier als erstes Werk die Tür in der Sala
del barone, dem Banquettsaal des Castel nuovo
gearbeitet hat. Vielleicht war Francesco auch
schon bei Domenico Gaggini in Genua. Der grosse
Triumphbogen ist nach B. auf einen Original-
entwurf Pisanellos zurückzuführen, den Laurana
dann umgearbeitet hat. Viele Hände sind bei der
Ausführung beteiligt; am Relief des Triumphwagens
des Königs nicht weniger als 5 (Dom. Gaggini)
Pietro Paolo d’Antonio [der Schöpfer des Taber-
nakels Sixtus IV. in S. Peter in Rom], Pietro da
Milano, A. Chellino und ein Gaggini - Schüler).
1461—66 ist Laurana am Hof König Renes in
Frankreich (nur Medaillen sind aus dieser Zeit er-
halten), dann ist er 1467—72 in Sicilien, 1472—75
wieder in Neapel und Rom. Der von B. ange-
nommene florentiner Aufenthalt ist sehr unwahr-
scheinlich. Die aus Florenz stammende Stuck-
büste der Hlg. Caterina im Berliner Kaiser Fried-

rich Museum kann ihn jedenfalls nicht erhärten;
denn diese ist m. E. sienesisch und von Giovanni
di Stefano gearbeitet. Seit 1477 ist Laurana in
Marseille, Tarascon und Avignon tätig. Um 1500
muss er, etwa 75jährig, gestorben sein.
Die bekanntesten Arbeiten, seine Büsten, sind
während des zweiten Aufenthaltes in Neapel, um
1475 entstanden. Porträtiert sind von ihm Beatrice
d’Aragon (Dreyfuss, Paris) und ihre Schwester
Eleonore (Berlin u. Bardini), Battista Sforza (um
1472 wohl in Urbino entstanden) und, das schönste
Werk, die Büste in Wien, mit der die zahlreichen
Totenmasken viel Verwandtschaft zeigen. Burger
glaubt in diesen Werken Reproduktionen einer
Ideal-Büste der Laura, der Geliebten Petrarcas, zu
erkennen. Was B. über den Zusammenhang der
Wiener Büste mit dem bekannten Frauenbild im
Museo Polda Pezzoli in Mailand sagt (das B. unbe-
greiflicher Weise noch immer für eine Arbeit Piero
della Francescas hält), ist nicht überzeugend.
Wichtiger sind die sicilianischen Arbeiten, von
denen eine Madonna, in Noto, 1471 datiert und
signiert ist. Der grösste Auftrag war die Fassaden-
dekoration einer Kapelle in S. Francesco in Palermo,
bei der sich Laurana vor allem als ein Schüler
Dom. Gagginis dokumentiert. Daneben hat B. eine
ganze Anzahl Madonnen, Reliefs und Büsten Lau-
ranas neu auf gefunden; von den Madonnen ist
freilich ein Teil nur Schulgut. Die aus Sicilien
stammende Büste bei Me. Andre in Paris hält
B. für eine Fälschung.
Der Altersstyl Lauranas, der sich in den Ar-
beiten in Marseille, Avignon usw. verrät, zeigt ein
Nachlassen der Kraft und eine Anlehnung an
französische Vorbilder, was sich aus der Mitbetei-
ligung französischer Gesellen sehr leicht erklärt.
Es ist also falsch, von hier aus, wie einige franzö-
sische Forscher wollten, den Styl Lauranas rück-
wärts zu kontrollieren. Allerdings verrät sich in
diesen späteren Werken der eklektische Charakter
Lauranas besonders stark. Aber dieser Skrupel-
losigkeit verdankt er ja gerade seine besondere
Note. Denn das Eigentümliche seines Wesens
verrät sich in jener Mischung italienischer und
französischer Elemente, für die Lauranas erster
Aufenthalt in Frankreich (1461—66) entscheidend
wurde. So bildet Laurana den entschiedensten
Gegenpol zur toscanischen Plastik. Seltsam, dass
dieser Dalmatiner gar nichts Venezianisches ange-
nommen hat. Genua hat mehr den Architekten
und den dekorativen Ordner als den Plastiker in
Laurana entwickelt. Gegenüber Toscana vermisst
man Kraft und Lebendigkeit; aber das sensitive
Leben seiner fein organisierten Geschöpfe, nament-
lich der Frauen, bringt ihn mit Leonardo zu-
 
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