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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Viertes Heft (April 1907)
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Spahn, Martin: [Rezension von: Karl Frey, Die Briefe des Michelagniolo Buonarroti]
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Cohn, William: [Rezension von: Werner von Hoerschelmann, Die Entwicklung der altchinesischen Ornamentik. Beiträge zur Kultur- und Universalgeschichte]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0113

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April-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

hervorstossenden, oft eiligen und oft bitteren Aus-
drucksweise Michelangelos, welche vornehmlich in
den Briefen an die Seinen unverhüllt erscheint,
aufs getreueste angepasst. Da Frey die von Mila-
nesis Druck abweichenden Lesarten der Originale
nicht angibt, muss das Urteil über die Sinngemäss-
heit einzelner von ihm gebrauchter Wendungen
vorläufig zurückgehalten werden. Nicht minder
wertvoll als der Text sind die 80 Seiten umfassen-
den Anmerkungen und Register. In den Anmer-
kungen ist eine Fülle sachlicher Aufklärungen und
trefflicher Urteile über Michelangelos Menschentum
und Kunst untergebracht, die gegenüber Thodes
idealisierender und Steinmanns ästhetisierender Be-
trachtungsweise alle Beachtung verdienen. Einige
Briefe an Michelangelo, auch einige Gedichte
Michelangelos, ebenfalls in eigener Uebersetzung
Freys, sind in die Anmerkungen eingestreut.
Ueber die Auswahl der Briefe kann man wie
über jede Auswahl streiten. Ist sie für das lite-
rarisch und künstlerisch interessierte Publikum
gemacht? Dann könnte man sogar darüber streiten,
ob sie überhaupt hätte gemacht werden dürfen.
Denn soviel diese Briefe dem sagen, der sich mit
Michelangelos Persönlichkeit und Kunst in ihrer
Gesamtheit lebenslang innerlich auseinandersetzt,
dem Publikum sagen sie, so scheint mir, wenig.
Vielleicht liessen sie sich diesem immerhin etwas
lebendiger machen, als die vorliegende Anordnung
des Bändchens es tut, wenn Frey, gemäss den
Perioden des Seelenlebens Michelangelos, für die
Zeit der Sixtinischen Kapelle, der Unfruchtbarkeit
von 1513 bis 1534, des Jüngsten Gerichts und der
Freundschaft mit Vittoria, endlich für die Zeit der
Peterskirche gewisse Brief-Gruppen gebildet hätte
und wenn er regelmässig das Publikum in die be-
sonderen Bedingungen jeder Periode kurz und ein-
dringlich ein geführt hätte. Er ist da nicht sonder-
lich gleichmässig verfahren. Es wundert mich
z. B., dass er die Korrespondenz aus den Jahren
der Sixtinischen Kapelle verhältnismässig wenig
ausnutzte, obwohl sie den stärksten seelengeschicht-
lichen Gehalt besitzt: wer sie Brief für Brief nach-
fühlt, fühlt den pochenden Herzschlag des schaffen-
den und leidenden Meisters in ihr. Aber wahr-
scheinlich hat Frey kaum an das grössere, Michel-
angelo innerlich fremde Publikum gedacht, sondern
vielmehr an den Kreis derjenigen, die, mit Michel-
angelo vertraut, bei der Lektüre der Uebersetzung
die Freude auskosten, des Meisters Briefe nunmehr
für unser Sprachgut gewonnen zu sehen, und an
jene Naturen, die das Herzensbedürfnis haben, die
Briefe Michelangelos etwa wie Goethes italienische
Reise geschmackvoll gebunden und liebevoll ediert
daheim in ihrer täglichen Umgebung zu haben.

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Diese werden dem verdienten Forscher, „dem
Wiedererwecker“ (um Michelangelos ehrendes Wort
auf Vasari auf ihn anzuwenden), wie dem Verlage
aufrichtigen Dank wissen! Martin Spahn
o
Asiatische Kunst.
Werner von Hoerschelmann, Die Entwick-
lung der altchinesischen Ornamentik. Beiträge
zur Kultur- und Universalgeschichte,
herausgegeben von Karl Lamprecht.
R. Voigtländers Verlag, Leipzig 1907. 48
SS. 8,J. 5,40 M.
Bisher hat man es nicht gewagt, in der chine-
sischen Ornamentik eine Entwicklungslinie fest-
zustellen. Dies hat jetzt mit gutem Erfolge
von Hoerschelmann versucht. Es gelang ihm, eine
Stufenfolge nachzuweisen, „welche im grossen und
ganzen durchaus demjenigen Entwicklungsgang
entsprach, welcher nach Untersuchungen auf
gleichem Gebiet für die allerverschiedensten Völker
als der allgemeine und gesetzmässige gelten muss“,
eine Tatsache, die gerade für China so wichtig ist,
da dieses Land aus Ehrfurcht vor einmal festge-
setzten, falschen Zeitbestimmungen noch so oft
eine unverständliche Sonderstellung in der’ Ge-
schichte und Vorgeschichte der Völker erhält.
Dem Verfasser liegen die so oft gebrauchten
beiden chinesischen Katalogwerke „Po-ku t’u-lu“
(1107—1111) und „Si-ts’ing ku-kien“ (1749) vor.
An der Hand ihrer Abbildungen von Bronze- und
Nephritgegenständen konstatiert er, indem er
gleichartiges vergleichend zusammenstellt, drei
weite Perioden.
Die erste umfasst die „geometrische Orna-
mentik“. Ihre Zeit war natürlich schon vorüber,
als die ersten Bronzegefässe gegossen wurden.
Doch deren Dekoration „weist in jene primitive
Epoche zurück“. Zwei Arten von geometrischer
Dekoration lassen sich unterscheiden. Die eine
zeigt die „einfachsten Motive“, zu denen auch der
Mäander gehört, „in einfacher rhythmischer Rei-
hung“, die andere „eine reichere Gruppe aus kom-
plizierten, durch Zusammensetzung verschiedener
Elemente gebildeten Figuren“. Aus der einfachen
rhythmischen Reihung wird die alternierende.
Zahlreiche Beispiele beider Arten werden abge-
bildet. Diese Periode gibt „ein Bild der Kunst-
weise, welche bis gegen Ende des dritten Jahr-
tausends vor Ohr. in China geherrscht hat.
Die zweite Periode zeigt „einen allmählich
vor sich gegangenen Wandel der Anschauung“,
„eine Fortentwicklung auf dem Wege zu realisti-
 
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