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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Erstes Heft (Januar 1907)
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Gronau, Georg: [Rezension von: Hugo von Kilényi, Ein wiedergefundenes Bild des Tizian]
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Schultz, Alwin: [Rezension von: Hugo Schmerber, Betrachtungen über die italienische Malerei im 17. Jahrhundert]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0036

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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Januar-Heft.

jetzt zu sehen ist. Der kleine Bursche hätte so
von hinten den Spiegel nicht halten können, und
was für eine hässliche Lücke hätte das Bild in
dieser Bonn rechts gezeigt!
Notorisch scheint es auch Repliken der Kom-
position zu geben, auf denen zwei Putten den
Spiegel halten; ein Gemälde in Petersburg
(No. 108) und eine Wiederholung danach, früher
bei Lord Ashburton (Crowe und Cavalcaselle, Tizian
II, S. 632, Anm, 41).
Jedoch muss entweder der Putto des Pester
Bildes frühzeitig zugedeckt worden sein und auf
diesen Zustand des Bildes die zahlreichen Kopien
danach zurückgehen, oder aber es hat (was an und
für sich sehr möglich ist) ein weiteres Exemplar
mit nur einem Putto allen diesen Bildern zur
Vorlage gedient.
Nicht zu folgen vermag ich dem Verfasser in
jenem Teil der Ausführungen, worin er die Priorität
seines vor dem Petersburger Bilde nachweisen will.
Umkomponierungen berühmter und gesuchter Bilder
sind in den Werkstätten der grossen Meister zu
oft vorgenommen worden — ich erinnere an die
Abwandlungen der Allegorie des Davalos —, um
hier nicht alles für möglich zu halten.
Verfasser verlässt gegen Schluss seiner Schrift
den sicheren Boden und begibt sich in das Gebiet
der Hypothese; er möchte nach weisen, dass das
Bild des Erzherzogs Leopold Wilhelm identisch sei
mit jenem, das Philipp IT. besass. Tizian selbst
gedenkt in einer 1574 geschriebenen Liste dieses
Bildes für den König (Crowe & Cavalcaselle II,
S. 783). Nach dem, was wir durch Justi über die
Tizianischen Bilder in Spanien wissen, waren in den
königlichen Sammlungen zwei Exemplare der Kompo-
sition, jedesmal mit nur einem Putto; das eine war
noch 1794 nachweisbar, das andere ist bis 1701
dort vorhanden (s. Jahrbuch der preuss. Kunstslgn.X,
S. 182). Damit wird diese Provenienz hinfällig,
und wir müssen uns nach einer anderen umsehen:
ich glaube, sie nachweisen zu können.
Ridolfi kannte zwei Bilder der Venus mit dem
Spiegel, beide Male mit zwei Putten. Das eine
gehörte den Barbarigo und stammte, wie deren
Bilder alle, aus Tizians eigenem Besitz: dies ist
das jetzt in Petersburg befindliche Original (Ri-
dolfi I, 181). Das andere hatte Tizian für Niccolo
Crasso gemalt; Ridolfi sah es noch im Hause seines
gleichnamigen Enkels (I, 175). Das war 1646 etwa.
Der Erzherzog Leopold Wilhelm verdankte nach-
weislich einen Teil seiner kostbaren Sammlung dem
venezianischen Privatbesitz: sollte nicht dieses Bild
der Venus um jene Zeit von Venedig nach Brüssel
bezw. Wien gelangt sein?

Die Richtigkeit vorausgesetzt, würde das Pester
Gemälde einen vielleicht nicht so illustren, aber
immerhin einen recht bemerkenswerten Stammbaum
gewinnen, wie sich dessen nicht viele Bilder
rühmen können.
Georg Gronau
Schmerber, Hugo* Betrachtungen über die
italienische Malerei im 17. Jahrhundert. (Zur
Kunstgeschichte des Auslandes, HeftXLII.)
Mit 30 Tafeln in Lichtdruck. Strassburg,
J. H. Ed. Heitz (Heitz und Mündel). 1906.
Die italienische Malerei des 17. Jahrhunderts,
die einst so aufrichtig bewundert worden ist, wird
heute streng und abweisend beurteilt. Der Ver-
fasser des vorliegenden Werkes will uns nun
lehren jene Kunstwerke zu verstehen, sie aus ihrer
Zeit, aus den Anschauungen derselben zu erklären.
Ein guter, vielversprechender Ansatz ist zu An-
fang des Jahrhunderts vorhanden: Caravaggio;
seine Nachwirkung auf die folgenden Künstler-
geschlechter ist unverkennbar, wenn er auch nicht
offen hervortritt. Dass er dies nicht vermag, da-
für sind die herrschenden akademischen Kunst-
anschauungen verantwortlich zu machen. Sie ver-
langen, dass der Künstler über seinem Modell stehe,
dass er Schönheit und Anmut, Bewegung und
Lebendigkeit, gefällige Gewandung u. s. w. biete.
Dadurch, dass die Kunstfreunde die Fähigkeit be-
sassen, mehr die Einzelheiten eines Kunstwerkes
zu betrachten, sich an ihnen zu erfreuen, dagegen
die Gesamtwirkung weniger, als das heut geschieht,
in Betracht zu ziehen, gewinnen sie einen ganz
anderen Standpunkt der Beurteilung. Ihnen haben
die Meister von den Carracci bis zu Luca Gior-
dano gefallen, ihren Ansprüchen völlig genügt.
Was uns unerträglich erscheint, die oft unnatür-
lich verdrehten Bewegungen, der gekünstelte Auf-
bau der Gruppen u. s. w., alles das fand bei den
Kunstkritikern des 17. Jahrhunderts uneinge-
schränkte Bewunderung. Dieselben oder ähnliche
Grundzüge der künstlerischen Beurteilung sind
sicher auch auf dem Gebiete der schönen Literatur
jener Zeit nachzuweisen, haben wahrscheinlich
selbst in den Anschauungen der damaligen Gesell-
schaft ihren Ausdruck gefunden. Es würde für
die Zukunft nur erspriesslich sein, wenn man die
kunstgeschichtliche Entwickelung immer im Zu-
sammenhänge mit den Geistesströmungen der Zeit
betrachten wollte.
Die Arbeit zeugt von gründlichen Studien, ist
mit Geschick und Einsicht ausgeführt Gut wäre
es gewesen, wenn der Verfasser zum Schlüsse noch
einmal die Ergebnisse seiner Untersuchung zu-
sammengefasst hätte; es wäre dann manches, das
 
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