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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Achtes/Neuntes Heft (August/September 1907)
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Burger, Fritz: [Rezension von: Alfred Gotthold Meyer, Wilhelm von Tettau, Eisenbauten. Ihre Geschichte und Aesthetik]
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Ewald, Wilhelm: [Rezension von: Josef Braun S. J., Die liturgische Gewandung im Occident und Orient nach Ursprung und Entwicklung, Verwendung und Symbolik]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0200

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172

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur. Aug./Sept.-Heft.

etwas essentielles, ist nur mehr bedingt durch den
konstruktiven Organismus.
Die Verbindung des Eisens mit anderen Bau-
stoffen wird in dem zweiten Abschnitt des dritten
Buches behandelt, freilich sehr kursorisch und
ohne genügende Verwertung entsprechender kon-
kreter Beispiele. Dieser Abschnitt scheint mir
am wenigsten geglückt, er hat etwas unfertiges
an sich. Damit schliesst diese letzte Arbeit des
der Wissenschaft leider zu früh entrissenen, so ver-
dienstvollen Kunsthistorikers.
Man kann nicht sagen, dass das vierte Buch
von Freiherrn von Tettau den erwünschten
Schlussstein für die gesamte Arbeit bietet. Das
Buch gibt vor, von Kunstformen, der Aestetik des
Gusseisens und Walzeisens zu handeln, aber ich
kann nicht finden, dass es dem verdienstvollen
Herausgeber gelungen ist, sich sehr wesentlich
über die technischen Probleme hinaus zu einer
freien verallgemeinernden ästhetischen Betrachtung
aufzuschwingen, zum mindesten fällt dieser Teil
des Buches gegenüber der poetischen und künstle-
rischen Gestaltung des Stoffes durch A. G. Meyer
merklich ab.
In dem „Rostschutz als stilistisches Moment“
überschriebenen letzten Abschnitt wird uns auf
einer halben Seite gesagt, dass man die Niete vom
Grunde durch die Farbe differenzieren könne, ein
wie mir scheinen will nicht sehr glücklicher Ab-
schluss eines von so hohem künstlerischen Geiste
getragenen Buches. Ebenso finde ich, die auf der
letzten Seite versuchte Zusammenfassung des Ge-
samtergebnisses des Buches wenig geschmackvoll.
Viel wichtiger wäre es gewesen, nun auf die
Analogieen der in dem Buch fixierten, modernen
künstlerischen Werte in den anderen Gebieten der
Kunst hinzuweisen, im besonderen aber auch den
Einfluss der Eisenbaukunst auf die Steinbaukunst
etwas eingehender zu untersuchen und diesen
möglichst in geschichtliche Entwicklung darzu-
stellen. Die Londoner Geschäftshäuser zeigen in
den 70er Jahren bereits die Einwirkung der Eisen-
baukunst im Steinbau und die neuen Münchner
Steinbrücken sind ein sprechender Beweis, wie
ganz allgemein neue äste tische Werte unter der
Aegide des Eisens auch unsere Stein architekturen
auf allen Gebieten nachhaltig zu beeinflussen be-
ginnen. Freilich kann sich der Herausgeber damit
trösten, dass diese Probleme auch sonst in
unserer Kunst und Baugeschichte fast völlig über-
gangen werden.
Vielleicht wird der eine oder andere Leser
auch da und dort einen Hinweis auf die analogen
geistigen Erscheinungen unserer Zeit, besonders
auf den Darwinismus vermissen. Aber im Ganzen

ist das Meyer’sche, aus seinem Nachlass heraus-
gegebene Buch, wohl die bedeutsamste Publi-
kation über moderne Architektur, insofern es den
wichtigsten baukünstlerischsten Problemen der
neueren Zeit ans Herz greift und dadurch auch
für weitere Kreise das Dunkel, das über diesem
Gebiete noch lagert, etwas lichtet. Hoffentlich
dient es recht vielen dazu, gewisse tendenziöse
Anschauungen einmal vom Grund auf zu revi-
dieren, damit endlich einmal mit der geradezu
beschämenden Unkenntnis auf dem Gebiete mo-
derner Architektur p r o b 1 e m e, die auch unsere
Kunstgeschichte neuesten Datums erkennen lässt,
im Interesse der Allgemeinheit aufgeräumt wird.
Wann wird man sich endlich bewusst werden,
dass das Wesen der modernen Zeit längst in der
Eisenbaukunst zu finden ist und vielleicht um-
fassender jedenfalls aber energischer ausgedrückt,
als in der Malerei, und gegen den Vorwurf einer
Gedanken- oder Modekunst wird auf diesen Ge-
bieten gerade der geschichtliche Verlauf der moder-
nen Baukunst, soweit wir ihn heute überblicken
können, sprechen. — Die Geschichte legt uns
als eine ihrer schönsten Früchte doch eine
Art prophetischer Gabe in den Schoss, die
auf dem Vergleich von Gegenwart und Ver-
gangenheit beruht, und wenn wir den Eisenstil mit
dem Gotischen vergleichen, so ergibt sich zwischen
beiden eine merkwürdige Verwandtschaft. Hier
wie dort ist der konstruktive Realismus, die nüch-
terne Logik zu einer Romantik der Konstruktion
geworden und hier wie dort scheint die innere
Triebfeder die geistige Organisation der Materie
zu sein. Henry van der Veldes Worte sind
deshalb im Hinblick auf die Gotik auch historisch
zu begründen: „Die Seele, von dem was Menschen
schaffen, ist die Vernunft, ihre Mittel die Berech-
nung, und die Folgen der Anwendung von Ver-
nunft und Berechnung kann die sicherste und
reinste Schönheit sein.“ Der Eisenstil gehört nicht
mehr der Zukunft sondern der Gegenwart an.
Fritz Burger
o
Verschiedenes.
Josef Braun S. J.: Die liturgische ,Gewan-
dung im Occident und Orient nach Ursprung
und Entwicklung, Verwendung und Symbolik.
XXIV, 797 S. 316 Abb. Lex. 8°. Freiburg
i. B. 1907, Herder. M. 30,— .
Der Verfasser beschäftigt sich hauptsächlich
mit den liturgischen Gewändern des Abendlandes.
Daneben werden in kurzer, dem ungenügenden
 
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