April-Heft.
Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.
87
Verschiedenes.
Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst.
Her ausgegeben von Ludwig v. Buerkel.
Bd. I, 1906. Verlag von G eorg D. W. Callwey,
München.
Ein ungemein stattlicher, vornehm ausge-
statteter Band von 166 Grossquartseiten, 5 Gravüren,
2 Vielfarbendrucken, 22 Vollbildern, 77 Text-
illustrationen und nicht weniger als 19 Ab-
handlungen eröffnet dieses von allen kunstliebenden
Kreisen lebhaft begrüsste, gross angelegte Unter-
nehmen, das einen neuen und vollgültigen Beweis
für die künstlerische Regsamkeit in München er-
bringt. Der Titel „Münchner Jahrbuch“ bedeutet
keineswegs eine Einschränkung des Progamms:
„wenngleich — wie es im Vorwort heisst — ein
grundlegender G-edanke der ist, im Jahrbuch
Arbeiten Raum zu schaffen, die durch Werke
bayerischer Sammlungen angeregt wurden, sollen
zugleich Fragen behandelt werden, welche einem
allgemeinen, uneingeschränkten Kulturbedürfnis
entspringen.“ Hierin ist auch schon angedeutet,
dass es sich nicht um ein streng wissenschaftliches
Gelehrten-Organ handelt, sondern um eine Sammel-
stelle fachmännischer Arbeiten, welche sich an den
Kunstfreund, den Sammler, den Forscher und
Künstler in gleicher Weise wenden. Uebersieht
man den reichen Inhalt dieses ersten Bandes, so
zeigt sich die Absicht des Herausgebers schon
glänzend erfüllt.
Adolf Furtwängler (München) eröffnet den
Band mit einer Abhandlung über den im Frühjahr
1904 bei den Ausgrabungen in der Umgebung des
Aphrodite-Tempels der Stadt Aegina gemachten,
künstlerisch und kunstgeschichtlich hoch bedeut-
samen Fund einer Sphinx, die einzig dasteht in
der Reihe der analogen Schöpfungen. Als Ent-
stehungszeit wird die Epoche um 460 v. Chr. nach-
gewiesen, als Meister kommt bei der Aehnlichkeit
des Sphinx-Kopfes mit dem sogen. Omphalos-
Apollon, der Kreis des vielseitigen Kalamis, Myron,
der auch auf Aegina gearbeitet hat, vielleicht aber
auch ein der Weise der Väter entfremdeter Aeginete
in Betracht. Jedenfalls kann nur ein bedeutender
Meister dieses dämonisch schöne Bildwerk ge-
schaffen haben, das allem Anschein nach als
Schmuck einer G-iebelecke des Aphroditetempels
diente. — In einem feinsinnigen Artikel verteidigt
Walther Riezler (München) die Kunst Adolf
Hildebrands gegen den Vorwurf der „Klassizität“.
Ausgehend von einer Mädchenbüste in der Kg.
Glyptothek, zeigt er, dass Hildebrands Gebilde
nicht von einer Kunsttradition abhängen, sondern
im engsten Anschluss an die Natur entstanden
sind. Im gleichen Sinne wie Hans von Marees
sucht auch Hildebrand seine Kunst zur höchst-
möglichen Objektivität, seine Werke zur vollendetsten
Einheit und Harmonie zu erheben. Dadurch
grüssen sie hinüber zur Kunst vergangener Zeiten,
ohne dass diese ihr Vorbild' wird. Treffende Be-
merkungen enthält auch Riezlers Darstellung der
Konkurrenz für einen monumentalen Brunnen-
Abschluss der Maximiliansplatz-Anlage in München,
wobei die eigenartige Formulierung des Preisaus-
schreibens, eine wirkliche Lösung der Aufgabe zur
Unmöglichkeit machte. — Ueber Joh. Georg
Edlinger, den trefflichen Münchener Portätmaler der
Zopfzeit, der trotz seiner umfangreichen Tätigkeit
nur wenig bekannt ist, unterrichtet ein vorzüglicher
Aufsatz August Goldschmidts (München), der in der
Kunst dieses Meisters einen letzten Nachklang des
italienischen fa presto erkennt. — Gegen die An-
nahme, Wiederholungen der Madonnen-Kompo-
sitionen Luca della Robbias, seien lediglich Werk-
stattarbeiten oder Fälschungen, wendet sich
Wilhelm Bode (Berlin), der an vier Repliken
solcher glasierten Reliefs die eigenhändige Aus-
führung Lucas nachweist. — Karl Voll (München)
behandelt das um 85 000 Mark von der Münchener
Pinakothek erworbene, um 1658 gemalte Bildnis
des William Croes von Frans Hals und weist dessen
grosses Familienporträtstück (Kat. No. 359), das
früher als eines der Hauptwerke des Meisters
galt, in neuerer Zeit für Cornelis de Vos und
de Grayer in Anspruch genommen wurde,
einem der nicht gerade seltenen Grenzkünstler zu,
welche holländische und flämische Art vereinten.
Mit einer Bronzestatue polykletischen Stils, die
auch Anklänge an das Körperideal Lysipps verrät,
macht uns Heinr. Bulle (Erlangen) bekannt. Als
Urheber dieser der Privatsammlung des Antiquars
J. Böhler in München angehörenden Statuette
vermutet er einen gallo-römischen Kunstplastiker
des ersten nachchristlichen Jahrhunderts. — Einen
gründlichen und äusserst interessanten Bericht gibt
Adolf Gottschewski (Florenz) über seine hoch-
bedeutsame Wiederauffindung eines Original-Ton-
modells zu einem der vier Flussgötter von Michel
Angelo, die für die Medicigräber geplant waren.
, — Eine im kunstgeschichtlichen Museum der
Universität Würzburg auf bewahrte Oelskizze der
Constantinsschlacht, weist Wilh. Pinder (Würzburg)
unter Hinweis auf zwei französiche Stiche, als
Original arbeit des Rubens nach und hofft damit,
die Anregung zur Zurückgewinnung des bis jetzt
von der Forschung verloren geglaubten Constantins-
Cyklus gegeben zu haben, den Ludwig XIII.
1622 für eine Teppichfolge dem Meister in Auftrag
' gab. — Ausgehend von einer Artikelserie der
Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.
87
Verschiedenes.
Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst.
Her ausgegeben von Ludwig v. Buerkel.
Bd. I, 1906. Verlag von G eorg D. W. Callwey,
München.
Ein ungemein stattlicher, vornehm ausge-
statteter Band von 166 Grossquartseiten, 5 Gravüren,
2 Vielfarbendrucken, 22 Vollbildern, 77 Text-
illustrationen und nicht weniger als 19 Ab-
handlungen eröffnet dieses von allen kunstliebenden
Kreisen lebhaft begrüsste, gross angelegte Unter-
nehmen, das einen neuen und vollgültigen Beweis
für die künstlerische Regsamkeit in München er-
bringt. Der Titel „Münchner Jahrbuch“ bedeutet
keineswegs eine Einschränkung des Progamms:
„wenngleich — wie es im Vorwort heisst — ein
grundlegender G-edanke der ist, im Jahrbuch
Arbeiten Raum zu schaffen, die durch Werke
bayerischer Sammlungen angeregt wurden, sollen
zugleich Fragen behandelt werden, welche einem
allgemeinen, uneingeschränkten Kulturbedürfnis
entspringen.“ Hierin ist auch schon angedeutet,
dass es sich nicht um ein streng wissenschaftliches
Gelehrten-Organ handelt, sondern um eine Sammel-
stelle fachmännischer Arbeiten, welche sich an den
Kunstfreund, den Sammler, den Forscher und
Künstler in gleicher Weise wenden. Uebersieht
man den reichen Inhalt dieses ersten Bandes, so
zeigt sich die Absicht des Herausgebers schon
glänzend erfüllt.
Adolf Furtwängler (München) eröffnet den
Band mit einer Abhandlung über den im Frühjahr
1904 bei den Ausgrabungen in der Umgebung des
Aphrodite-Tempels der Stadt Aegina gemachten,
künstlerisch und kunstgeschichtlich hoch bedeut-
samen Fund einer Sphinx, die einzig dasteht in
der Reihe der analogen Schöpfungen. Als Ent-
stehungszeit wird die Epoche um 460 v. Chr. nach-
gewiesen, als Meister kommt bei der Aehnlichkeit
des Sphinx-Kopfes mit dem sogen. Omphalos-
Apollon, der Kreis des vielseitigen Kalamis, Myron,
der auch auf Aegina gearbeitet hat, vielleicht aber
auch ein der Weise der Väter entfremdeter Aeginete
in Betracht. Jedenfalls kann nur ein bedeutender
Meister dieses dämonisch schöne Bildwerk ge-
schaffen haben, das allem Anschein nach als
Schmuck einer G-iebelecke des Aphroditetempels
diente. — In einem feinsinnigen Artikel verteidigt
Walther Riezler (München) die Kunst Adolf
Hildebrands gegen den Vorwurf der „Klassizität“.
Ausgehend von einer Mädchenbüste in der Kg.
Glyptothek, zeigt er, dass Hildebrands Gebilde
nicht von einer Kunsttradition abhängen, sondern
im engsten Anschluss an die Natur entstanden
sind. Im gleichen Sinne wie Hans von Marees
sucht auch Hildebrand seine Kunst zur höchst-
möglichen Objektivität, seine Werke zur vollendetsten
Einheit und Harmonie zu erheben. Dadurch
grüssen sie hinüber zur Kunst vergangener Zeiten,
ohne dass diese ihr Vorbild' wird. Treffende Be-
merkungen enthält auch Riezlers Darstellung der
Konkurrenz für einen monumentalen Brunnen-
Abschluss der Maximiliansplatz-Anlage in München,
wobei die eigenartige Formulierung des Preisaus-
schreibens, eine wirkliche Lösung der Aufgabe zur
Unmöglichkeit machte. — Ueber Joh. Georg
Edlinger, den trefflichen Münchener Portätmaler der
Zopfzeit, der trotz seiner umfangreichen Tätigkeit
nur wenig bekannt ist, unterrichtet ein vorzüglicher
Aufsatz August Goldschmidts (München), der in der
Kunst dieses Meisters einen letzten Nachklang des
italienischen fa presto erkennt. — Gegen die An-
nahme, Wiederholungen der Madonnen-Kompo-
sitionen Luca della Robbias, seien lediglich Werk-
stattarbeiten oder Fälschungen, wendet sich
Wilhelm Bode (Berlin), der an vier Repliken
solcher glasierten Reliefs die eigenhändige Aus-
führung Lucas nachweist. — Karl Voll (München)
behandelt das um 85 000 Mark von der Münchener
Pinakothek erworbene, um 1658 gemalte Bildnis
des William Croes von Frans Hals und weist dessen
grosses Familienporträtstück (Kat. No. 359), das
früher als eines der Hauptwerke des Meisters
galt, in neuerer Zeit für Cornelis de Vos und
de Grayer in Anspruch genommen wurde,
einem der nicht gerade seltenen Grenzkünstler zu,
welche holländische und flämische Art vereinten.
Mit einer Bronzestatue polykletischen Stils, die
auch Anklänge an das Körperideal Lysipps verrät,
macht uns Heinr. Bulle (Erlangen) bekannt. Als
Urheber dieser der Privatsammlung des Antiquars
J. Böhler in München angehörenden Statuette
vermutet er einen gallo-römischen Kunstplastiker
des ersten nachchristlichen Jahrhunderts. — Einen
gründlichen und äusserst interessanten Bericht gibt
Adolf Gottschewski (Florenz) über seine hoch-
bedeutsame Wiederauffindung eines Original-Ton-
modells zu einem der vier Flussgötter von Michel
Angelo, die für die Medicigräber geplant waren.
, — Eine im kunstgeschichtlichen Museum der
Universität Würzburg auf bewahrte Oelskizze der
Constantinsschlacht, weist Wilh. Pinder (Würzburg)
unter Hinweis auf zwei französiche Stiche, als
Original arbeit des Rubens nach und hofft damit,
die Anregung zur Zurückgewinnung des bis jetzt
von der Forschung verloren geglaubten Constantins-
Cyklus gegeben zu haben, den Ludwig XIII.
1622 für eine Teppichfolge dem Meister in Auftrag
' gab. — Ausgehend von einer Artikelserie der