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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

DOI Heft:
Fünftes/Sechstes Heft (Mai/Juni 1907)
DOI Artikel:
Cohn, William: [Rezension von: F. Baltzer, Das japanische Haus. Eine technische Studie - F. Baltzer, Die Architektur der Kultbauten Japans]
DOI Artikel:
Hahr, August: [Rezension von: Oscar Montelius, Detlatinska korset]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0139

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Mai/Juni-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

in

unterbricht die sonstige ziemlich starke Eintönig-
keit. Das Dach ist es auch, was den verschiedenen
Stilen des Shintotempels ihre Haupteigentümlich-
keit gibt. Viele Baulichkeiten, die bei uns des
Daches entbehren, erhalten es in Japan. So z. B.
Umfriedigungen und Tore. Das Bürgerhaus und
den Shintotempel in seiner einfachen Gestalt
decken Sattel- oder Walmdächer, den buddhisti-
schen Tempel ein komplizierteres Krüppeldach.
Klima und Grundriss verlangen ein weit über-
hängendes Dach, dessen Konstruktion auf dem
Prinzip der Auskragung beruht. Innerhalb der
Auskragung sind die reichsten Variationen mög-
lich; von der grössten Einfachheit beim Bürger-
hause bis zur sechsfachen Wiederholung des Krag-
holzes bei den grossen, zweigeschossigen Tor-
bauten.
Kein japanisches Gebäude hat eine Unterkelle-
rung. Der Fussboden liegt immer zwei oder drei
Fuss über dem Erdboden. Privathaus wie Tempel
haben meist nur1 zwei feste Aussenwände. Alle
übrigen Raumbegrenzungen werden als Schiebe-
wände gegeben, die auch ganz herausgenommen
werden können! So ist es möglich, das Bürger-
haus im Sommer in eine luftige Halle zu ver-
wandeln, und beim Tempel bei Festen das Innere
der ganzen draussen harrenden Menge sichtbar zu
machen. Nur noch auf die Bedeckung der Fuss-
böden mit Matten, die allen japanischen Gebäuden
gemeinsam ist, sei hier hingewiesen. Die Matten
haben in fast ganz Japan die gleiche Grösse, so
dass man nach ihrer Anzahl die Masse der Räume
anzugeben pflegt.
Wie in der ganzen Welt sind auch in Japan
die Kultbauten die ausgewählten Träger der archi-
tektonischen Schönheit und Fantasie. Es handelt
sich insbesondere um die aus verschiedenen Ge-
bäuden bestehenden shintoistischen und buddhisti-
schen Tempelanlagen. Diese stehen sich in ihrer
äusseren Ausstattung etwa gegenüber wie pro-
testantische und katholische Kirchen. Auch die
Kulte selbst rufen rein äusserlich den Vergleich
hervor. Dort Einfachheit und Schlichtheit, wenig
bildnerischer Schmuck; hier Pracht und Pathos,
Bildwerke aller Art. Im Laufe der Jahrhunderte
vermischten sich die beiden Religionen; oft bis zur
Unentwirrbarkeit; ebenso auch die Stile ihrer Kult-
häuser.
So weit unsere flüchtigen Andeutungen, die
nur dazu dienen sollen, den Leser hinzuweisen auf
die grosse Bereicherung, die Baltzers Arbeiten
seiner architektonischen Anschauung bieten können.
Nun gilt es, die grosse Materialsammlung zu
verwerten. Nach vielen Richtungen hin: Erstens
wären die Zusammenhänge mit dem übrigen Asien

i festzustellen. Einige Andeutungen gibt der Ver-
| fasser. Die Pagode leitet er von der indischen
Stupa her; auf den Einfluss der chinesisch-korea-
nischen Architektur des Buddhismus weist er
einige Male hin. Doch wirklich klare Verbindungen
sind noch nicht deutlich zu erkennen. Zweitens
wäre der Versuch zu einer Entwicklungsgeschichte
zu machen. Allerdings ist es fraglich, ob hierbei
viel mehr herauskäme, als die Konstatierung des
grossen Ruckes, den der Buddhismus gab, und der
Schwankungen seines Einflusses. Besonders müsste
nach der primitivsten Bauform geforscht werden.
Alle diese Untersuchungen sind ausserordentlich
schwierig, weil das Holzmaterial selten lange stand-
hält. Zwar werden die meisten japanischen Tempel
in kurzen Zeiträumen immer wieder in ihrer alten
Form aufgebaut, aber ohne Veränderungen geht
es dabei bekanntlich nie ab. Schliesslich sind die
Stilgesetze und Stilgedanken zur Vermehrung
unserer architektonischen Anschauung ästhetisch
zu untersuchen Das ganze Werk aber lässt in
uns den sehnsüchtigen Wunsch entstehen, dass der
Japaner seine eigenen Stile nicht vergässe und
sein Auge und seine Hand von dem im Augen-
blick architektonisch toten Europa liesse. Schreck-
lich ist der Gedanke, auch in Japan so viele
unerlebte Barock- und Renaissancegebäude finden
zu müssen.
William Cohn
o
Ikonographie.
OscarMontelius. Detlatinska korset. Nordisk
Tidskrift. H. 2. Stockholm 1907.
Der berühmte Archäologe Oscar Montelius hat
auch die Untersuchung des Ursprungs dreier
christlicher Symbole, das Rad, das griechische und
das lateinische Kreuz, in sein Forschungsgebiet
hineingezogen, eine Unternehmung, deren Resultate
in Nordisk Tidskrift 1901 u. 1904, in Prome-
theus; Illustrierte Wochenschrift über
Fortschritte in Gewerbe, Industrie und
Wissenschaft, Jahrg. 1904/05, sowie zu aller-
letzt über das lateinische Kreuz in Nordisk
Tidskrift 1907 (H. 2) publiziert sind.
Aus den früheren Aufsätzen geht hervor, dass
das Rad mit vier, sechs oder acht Speichen lange
vor Christi Geburt als Symbol für die Sonne, den
Sonnengott und für das Göttliche im allgemeinen
verwendet wurde, und das sowohl in vorhistorischer
als in historischer Zeit, sowie, dass auch in christ-
licher Zeit dieses Zeichen von Anfang als die Gott-
 
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