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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Erstes Heft (Januar 1907)
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Gronau, Georg: [Rezension von: Pèleo Bacci, Il gruppo pistojese della Visitazione, già attribuito a Luca della Robbia]
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Frey, Karl: [Rezension von: Hermann Egger, Codex Escurialensis, ein Skizzenbuch aus der Werkstatt Domenico Ghirlandajos]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0031

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Januar-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

3

kennen: denn, wenn ein Werk des Luca, könnte
dieses immer nur in seine Spätzeit fallen, während
wir seinen damaligen Stil durch, die „Auferstehung“
des Florentiner Doms als verschieden kennen.
Vom Jahre 1525 finden sich dann mehrere
Beschlüsse in den Akten der Bruderschaft, aus denen
hervorgeht, dass damals erst das Tabernakel für
die Gruppe tatsächlich gefertigt worden ist (dieses
ist Ende des XVIII. Jahrhunderts zu Grunde ge-
gangen).
Folglich, schliesst der Verfasser, ist damals die
alte Gruppe von 1445 durch eine neue ersetzt
worden. Das mag um die Wende des Jahrhunderts
stattgefunden haben. 1512 war Stoff erworben
worden, genau von den Massen, als genügt, um
jene Gruppen zu verhüllen.
Auch ikonographisch kommen wir zu dem
gleichen Resultat: in Santa Maria Novella stellt
Ghirlandaj o die beiden Frauen stehend dar, in dem
Bilde von 1491, jetzt in London, kniet die heilige
Elisabeth zum erstenmal.
Endlich spricht die schlechte Glasur der
Gruppe, gewisse Nachlässigkeiten in der Model-
lierung für eine späte Entstehung der Figuren, in
der Zeit, da die Robbia-Kunst im Verfall be-
griffen war.
Aus diesem Referat über die interessante
Broschüre ersieht man, dass auch in unserem Fall
die Urkunden dem Zweifel breiten Raum lassen.
Die Anhänger der einen, wie der andern Richtung
werden Dokumente zu ihren Gunsten anführen
können. Das letzte Wort bleibt der Stilkritik Vor-
behalten : und diese leitet einmal mehr zu entgegen-
gesetzten, beiderseits für unumstösslich gehaltenen
Resultaten.
Ein Unbefangener mag die Frage aufwerfen, ob
ein solches Motiv, wie es hier behandelt ist, noch
vor der Mitte des Quattrocento denkbar, ob es nicht
durchaus cinquecentistisch sei. Diese Frage aber
leitet zu neuen, auf ganz breiter Basis zu führenden
Untersuchungen, für deren Erörterung hier kaum
die Stelle sein möchte.
Georg Gronau
Hermann Egger. Codex Escurialensis, ein
Skizzenbuch aus der Werkstatt Domenico Ghir.
landajos. Sonderschriften des 0österreichi-
schen Archäologischen Institutes in Wien
Band IV. Unter Mitwirkung von Christian
Hülsen & Adolf Michaelis. 137 Autotypien
in besonderem Bande, 3 Lichtdrucke und
70 Autotypien im Texte. Wien, A. Holder
1906.
Die versunkene Welt des Altertumes wurde
der Renaissance auf zwei Wegen wieder vermittelt:

Einmal und zunächst auf literarischem. Die antiken
Klassiker feierten ihre Auferstehung. Sie wurden
handschriftlich oder durch den Druck veröffent-
licht, übersetzt und erläutert. Eine ungewöhnliche
Bereicherung des Stoffkreises fand dadurch statt,
und unbefangen nahmen Künstler und Schriftsteller
das Plus an Gedanken und Vorstellungen auf, das
hier geboten wurde, um sie, oft in seltsamer Um-
wandlung, doch allemal mit selbstschöpferischer
Kraft zu verarbeiten. Es genügt, auf Albrecht
Dürer und sein naives Verhältnis zur Antike als
ein Beispiel für alle hinzuweisen.
Daneben und in immer steigendem Masse
rückten die antiken Monumente, in erster Linie
die von Rom, wieder in Sehweite. Seit Petrarka
und Cola di Rienzo blühte der Ruinenkultus, der
zwar romantisch - sentimentalem Empfinden ent-
sprang, doch auch reiche praktische Ergebnisse
zeitigte. Die Trümmerwelt des antiken Roms be-
gegnete einem wachsenden Verständnisse und be-
wusstem Studium. Man erkannte sehr bald, welch’
unerschöpflichen Schatz an Formen und Motiven
sie künstlerischer Verwertung bot; man entzückte
sich an ihrer Schönheit und Harmonie; man lernte
eine Kunst kennen, mit der das eigene Schaffen
nicht entfernt zu messen war, und zu der, um zur
Höhe zu gelangen, man wieder zurückstreben müsse.
Das lässt sich an der literarischen wie künst-
lerischen Ueberlieferung verfolgen. Dienten früher
die Guiden und Pilgerberichte vornehmlich prak-
tisch religiösen Zwecken, so trugen sie jetzt mehr
dem ästhetischen Genüsse und der Belehrung
Rechnung (Cyriak von Ancona, Flavio Biondo,
Albertini u. a.) Fanden die Denkmäler Roms sonst
nur sporadische und vor allem höchst mangelhafte
bildliche Darstellung — in einer lehrreichen Studie
hat der verstorbene E. Müntz eine Reihe älterer
Stadtansichten verschiedenster Provenienz zu-
sammengestellt —, so änderte sich dies gründlichst
mit der wachsenden Fähigkeit, zu sehen und das
Geschaute exakt wiederzugeben, mit dem grösseren
Natur- und Formenverständnisse sowie der ge-
steigerten Technik. In Scharen zogen seit dem
Beginne des Quattrocento die Künstler nach der
ewigen Stadt, nicht allein um dort lohnende Be-
schäftigung zu finden — war doch Rom seit dem
avignonesischen Exil so gut wie unproduktiv und
beim Bezüge von Kunstwerken auf die grossen
Meisterateliers Toskanas und Umbriens angewiesen
—, sondern mit der ausgesprochenen Absicht zu
lernen, neue Anregungen und Eindrücke zu
schöpfen. Die Architekten, ein Filippo Brunelleschi
an der Spitze, taten dies zuerst, doch auch die
Maler und Bildhauer blieben nicht zurück. Und
also mass und zeichnete man die Denkmäler. Man
 
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