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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Siebentes Heft (Juli 1907)
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Jaffé, Ernst: [Rezension von: Ausstellung deutscher Kunst aus der Zeit von 1775-1875 in der Königlichen Nationalgalerie Berlin 1906]
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Haenel, Erich: [Rezension von: Das Bürgerhaus in der Schweiz. Ein Aufruf]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0171

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Juli-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

143

betrifft aber verhältnismässig einen so kleine Teil
der ausgestellten Arbeiten, dass man diesen Katalog
als ein erschöpfendes Dokument ansprechen kann.
Während der erste Band mit seiner einleitenden
Uebersicht und der Auswahl der schönsten Bilder
sich an ein grösseres kunstliebendes Publikum
wandte, will dieser illustrierte Katalog wissenschaft-
lichen Zwecken dienen und bietet daher neben den
verhältnismässig guten Reproduktionen nur den
Text des Kataloges vermehrt durch die von J. Meier-
Graefe verfassten knappenParbenanalysen. Ganz ab-
gesehen von der bewunderungswürdigen Arbeits-
leistung, die in diesen Analysen steckt, muss man
sie prinzipiell als eine wertvolle Neuerung freudig
begrüssen. Werden sie doch in vielen Fällen dem
Forscher wertvollere Dienste leisten, als irreführende
farbige Reproduktionen schlechter Qualität. Nach
meinen Stichproben sind die Analysen Meier-Graefes,
der ja ein ausserordentlich feines und geschultes
Farbenempfinden und reiche Kenntnisse der Mal-
technik hat, so gut wie sie nur sein können so lange
man mit Worten auskommen muss und nicht eine
andere Bezeichnungsart allgemein durchgeführt hat.
Ja, Meier-Graefe sieht so scharf und verfügt über
einen so reichen Schatz von Farbwörtern, dass nicht
wenige von den Benutzern des Kataloges in Zu-
kunft mit seinem Kalbe pflügen werden •— hoffent-
lich nicht, ohne den vielgeschmähten und doch so
verdienstlichen, kenntnisreichen und fleissigen Mann
zu nennen.
Die Anordnung des Textes und der Abbildungen
zu einander ist sehr geschickt und übersichtlich,
so dass der Katalog seinen Zweck als Nachschlage-
werk zu dienen durchaus erfüllen wird. Für das
Fehlen der Literaturangabe wird man die Ent-
schuldigung der Herausgeber, dass es dafür an der
nötigen Zeit gefehlt habe, hinnehmen müssen,
während die historische und kritische Würdigung
wohl nur von Sammlern vermisst werden wird.
Vielleicht hätte die Ausstellungsleitung diese Ent-
schuldigung nicht vorzubringen brauchen, wenn
sie rechtzeitig genug Hilfskräfte für das grosse
Werk mobil gemacht hätte, aber auch so wie es
ist wird man die Leistung seiner Herausgeber
wie der Verlagsbuchhandlung immer anerkenen
müssen. Denn je weiter die Jahrhundertausstellung
zurück liegen wird, um so mehr wird man erkennen,
wie sehr sie unsere Kenntnisse über die neuere
deutsche Kunst gefördert hat. Dieser Erkenntnis
gegenüber kommen die kleinlichen Nörgeleien
hyperkritischer Beurteiler längst nicht mehr
in Frage. Ganz besonderen Dank aber verdient
die Ausstellungsleitung dafür, dass sie das reiche
Material der Ausstellung in dem vorliegende grossen
Katalogwerk fixiert hat. Erst durch dieses Werk

wird es möglich sein, die reichen Früchte der Aus-
stellung in die Scheuern einzubringen. In dieser
Beziehung wird es auch für ähnliche Ausstellungen
vorbildlich wirken und das wird nicht das geringste
Verdienst der Kunsthistoriker sein, die die Ja.hr-
hundertausstellung zustande gebracht und geleitet
haben. Ernst Jaffe
o
Schweizerische Kunst.
Das Bürgerhaus in der Schweiz. Ein
Aufruf, herausgegeben im Auftrag des
Schweizer Ingenieur- und Architekten-
vereins. 1907. Schulthess & Co., Zürich.
Dem Vorbilde andrer Länder und einem leb-
haften eignen Drange nach besserer Kenntnis und
Nutzbarmachung der aus der Vergangenheit über-
kommenen heimischen Kunstleistungen folgend,
hat die führende Vereinigung der Schweizer Bau-
künstler und Techniker beschlossen, die Bearbeitung
der Geschichte und Entwicklung des schweizerischen
Bürgerhauses vom Mittelalter bis zum Jahre 1850
in die Hand zu nehmen und die Ergebnisse in
Wort und Bild zu veröffentlichen. Die vorliegende
Propagandaschrift dieses zeitgemässen Unter-
nehmens bringt zuerst eine warm und klar ge-
schriebene Begründung, eine Charakteristik des
echt bürgerlichen Elementes in der alten schweize-
rischen Baukunst, dann die Vorgeschichte und den
sehr verständig entworfenen Arbeitsplan des
umfangreichen Werkes. Eine Anzahl Abbildungen
älterer Baudenkmäler aber sprechen deutlicher, als
es Worte vermögen, dafür, welch unendlicher
Schatz an edelsten ästhetischen Werten, an kräftiger
Schönheit und lebensvoller Anmut hier gehoben
werden kann. Die Nutzanwendung für das bauliche
Schaffen der Gegenwart ergiebt sich von selbst.
„Erst wenn die Durchschnittsleistungen im Haus-
bau dartun, dass die künstlerischen Kräfte der
Baumeister den vorhandenen Mitteln entsprechen,
werden wir jene Kultur im Hausbau und häuslichen
Leben wieder besitzen, die Grundbedingung jeder
künstlerischen Kultur ist, einst unser war, aber
verloren ging und nur mit Hilfe der Werke unsrer
Vorfahren wieder gewonnen werden kann.“ So
kann man dem gross angelegten Unternehmen ein
gutes Gelingen nicht nur wünschen, sondern, soweit
die jetzt vorhandenen Grundlagen reden, mit gutem
Gewissen auch wirklich in Aussicht stellen.
Erich Haenel
 
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