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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Zehntes/Elftes Heft (Oktober/November 1907)
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Schapire, Rosa: [Rezension von: Carel van Mander, Das Leben der niederländischen und deutschen Maler]
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Hahr, August: [Rezension von: J. Sievers, Aertsen. Ein Beitrag zur Geschichte der niederländischen Kunst im XVI. Jahrhundert]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0233

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Okt./Nov.-Heft. Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

203

Niederländische Kunst.
Carei van Mander: Das Leben der nieder-
ländischen und deutschen Maler. Textabdruck
nach, der Ausgabe von 1617. Uebersetzung
und Anmerkungen von Hanns Floerke.
Bd. II mit mit 20 Bildertafeln. München
bei Georg Müller 1906 Brosch. M. 15.—.
Der zweite Band von van Manders Malerhuch
(vergl. Monatshefte 11/2) beginnt mit Anthonis
von Montforts Biographie und geht bis zu van
Manders Zeitgenossen. Als letzter ist Pieter
Diericksz Cluyt aus Delft genannt.
Der Ausgabe von 1617 war die anonym er-
schiene Lebensbeschreibung van Manders — man
vermutet jetzt, dass Bredero der Verfasser ist —
beigefügt; sie fehlt auch als Anhang am Schluss
des zweiten Bandes der vorliegenden deutschen
Ausgabe nicht.
Van Mander vergleicht Florenz zwar mit der
„listigen Kirke“, die die Künstler festhält, aber
er, der selbst längere Zeit in Italien gewesen ist
und nicht gern eigne Wege geht, — „wenngleich
ich meinem Kunstverständnis etwas vertrauen zu
dürfen glaube, folge ich doch auch gerne dem all-
gemeinen Urteil der Kunstverständigen“ (S. 369;
— ist gleich seinen Zeitgenossen von der Superi-
orität italienischer Kunst überzeugt. Er glaubt
besonders in „der ungewöhnlichen, durchgeistigten
Schönheit“ (S. 36i), die die niederländischen
Maler aus Italien mitbringen, diesen heilsamen
Einfluss zu erkennen und bringt den eingetretenen
Umschwung, „dass die Malerei in letzter Zeit ein
veräi dertes und besseres Aus>ehen gewonnen hat,
namentlich in puncto Kolorismus, Karnation und
Schattenpartien, die mehr und mehr in Gegensatz
getreten sind zu der steinartigen Grauheit oder
bleichen, fischartigen, kalten Farbe, indem die
leuchtende Färbung des Fleisches und die warmen
Schatten nunmehr fast durchweg in Aufnahme
gekommen sind“ (S. 365), mit Anpassung an
italienische Kunstart in Zusammenhang. Der
eklektische Akademiker verrät sich namentlich
auch in seiner geringschätzigen Bemerkung über
„das Porträtieren nach der Natur“, das für ihn
nicht mehr als „ein Seitenweg der Kunst“ (S. 219)
ist, und wenn er auch die Wirkung dieser Worte
im folgenden Satze abzuschwächen sucht, so er-
scheinen ihm doch Historien- und Figurenmalerei
als höchster Gipfel bildender Kunst. Dass sein
Schüler Frans Hals, dessen Namen er nicht für
der Aufzeichnung wert hält, Bildniskunst zu un-
geahnter Höhe führen, und eine Epoche der
„Heimatkunst“ mit bewusster Abkehr vom Frem-
den anbrechen sollte, konnte er nicht ahnen.
Rosa Schapire

J. Sievers, Pieter Aertsen. Ein Beitrag
zur Geschichte der niederländischen Kunst
im XVI. Jahrhundert. Diss., Halle 1906.
Diese neue Abhandlung auf dem Gebiete der
Niederländischen Kunstgeschichte bietet eine ge-
schickte chronologische Zusammenstellung und die
stilistische Analyse einer Anzahl von Pieter
Aertsens Werken, durch die der Verfasser zu be-
stimmten Kennzeichen für die unserem Empfinden
nach etwas prosaische Kunst des alten Pieter ge-
langt. Besonders zweierlei finde ich in Dr.
Sievers Darstellung verdienstvoll: 1. die Unter-
suchung, inwieweit Aert>en unter dem Einflüsse
der Italiener '.besonders Raffaels, Michelangelos und
der Venezianer) gestanden hat, welche Unter-
suchung darin resultiert, dass Aertsen entweder
direkt oder durch Stiche ihre Werke studiert und
Stellungs- und Bewegungsmotive, bisweilen Kom-
positionsmotive in weiterem Sinne daraus über-
nommen, sowie dass im ganzen die Menschen-
darstellung der Renaissance einen befruchtenden
Einfluss auf seine Weise künstlerisch zu sehen und
zeichnen gehabt hat; 2. die Zusammenstellung der
wenigen erhaltenen religiösen Werke des Malers
(die meisten sind während des Tieibens der
Bilderstürmer 1566 verloren gegangen), in welchen
Werken italienische „Nachklänge“ erklärlicher-
weise in höherem Grade sich offenbaren. Dieses
Kapitel trägt unbestreitbar dazu bei, unsere
Kenntnis bezüglich der Werke und der Künstler-
schaft des Malers zu erweitern.
Bei seiner Bestimmung der in verschiedenen
Ländern vorhandenen Bilder des Meisters hat sich
der Verfasser jedoch, was die in Schweden er-
haltenen betrifft, ein wohl übertriebenes Verdienst
beigemessen. Er vernachlässigt nämlich konse-
quent, was vorhandene Kataloge und Beschreibungen
von ihnen zu sagen haben, äusser in einem
einzigen Fall, wo er sich gegen eine ältere Be-
stimmung wendet, die jedoch in einem späteren
Katalog (von 1902) berichtigt worden ist. Zur
Entschuldigung des Verfassers liesse sich vie'leicht
einwenden, dass er nicht Schwedisch versteht, es
gehören aber wohl nicht besondere sprachliche
Kenntnisse dazu, um einen summarischen Katalog
mit Nummern, Namen- und Jahreszahlen zu
verstehen.
Dr. Sievers hat drei Gemälde von Pieter
Aertsen in Schweden gefunden.
Das ältere von diesen befindet sich in der Ge-
mäldesammlung der Universität Uppsala und
stellt einen Fleischerladen mit allerhand Es-
waren dar, daruntei’ vor allem einen grossen ab-
gezogenen Ochsenkopf. Es ist ein grosses auf
Holz gemaltes Bild, mit unbestreitbarem Geschick
 
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