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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur. Aug./Sept.-Heft.
leidet daher vor allem der kritische Teil des
Buches. Die sehr problematische Frage der
malerischen Tätigkeit Wolf Hubers scheint nicht
überzeugend gelöst. (Bei der Schwierigkeit der
Materie dürften die zwei bezeichneten Porträts in
der National Galery of Ireland gewiss nicht in
einer Anmerkung abgetan werden.) Zuweisungen
wie die der Budapester Heimsuchung an den M. Z.
sind mit Vorsicht aufzunehmen, und im besonderen
muss ich in einer mich persönlich interessierenden
Frage aufs Entschiedenste gegen den Verfasser
Stellung nehmen, wenn er nämlich in der Kunst
des Mächselkirebners „die wahre Vorstufe und den
Ausgangspunkt für den Augsburger Holbein“ er-
blicken will. Dass Aehnlichkeiten der malerischen
Behandlung vorliegen, wird niemand leugnen
wollen, aber es lassen sich mit dem gleichen
Rechte manche anderen Parallelen beibringen.
Man sollte sich doch vor einer zu engherzigen Be-
handlung der kunsthistorischen Probleme wohl
hüten, nicht jede Uebereinstimmung oder Aehn-
lichkeit als Abhängigkeit oder Beeinflussung
deuten. Man kann es häufig genug beobachten,
wie die gleichen Probleme zur gleichen Stunde an
verschiedenen Orten auf spriessen, man wird
andererseits die Einflusssphäre einer überragenden,
schöpferischen Persönlichkeit nicht weit genug
denken können, ohne doch in jedem einzelnen
Falle die Grade der Abhängigkeit auf weisen zu
wollen. — Gerade an dieser Neigung, allzu rasch
bindende Schlüsse zu ziehen, leidet das vorliegende
Buch. So wird man oftmals die guten und inter-
essanten Beobachtungen des Verfassers anerkennen,
ohne darum doch immer auch seinen Folgerungen
beipflichten zu können. Curt Glaser
Hans Semper: Die Altartafel der Krönung
Marias im Kloster Stams in Tirol und deren
kunstgeschichtliche Stellung. Separatabdruck
aus der Ferdinandeums - Zeitschrift III.
Folge. 50. Heft. Innsbruck 1906.
Die Altartafel, welche aller Wahrscheinlichkeit
nach die gleiche ist, von welcher der Klosterchronist
P. Wolfgang Lebesorg von Stams (j- 1647) berichtet,
dass sie Heinrich Grussit von Ueberlingen, welcher
von 1369—1387 Abt des Klosters war und 1389
starb, selbst gemalt hat, wird von Hans Semper
einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Als
wichtigstes Moment für die kunstgeschichtliche
Stellung der Tafel erscheint die kaum angreifbare
Tatsache, dass für dieselbe ein Flügelaltar des
Giusto de Menabuoi, genannt di Padova, vom
Jahre 1367 in der Nationalgalerie zu London als
unmittelbares Vorbild gedient hat, dass nichts-
destoweniger aber deutsches Wesen den Cha-
rakter des Bildes bedingt. Die Absicht des Ver-
fassers, die von Probst (die Schule von Salem; in
den Schriften des Ver. f. Gesch. d. Bodensees 1901
S. 226) aufgestellte Behauptung, dass kompositio-
nelle und stilistische Beziehungen zwischen der
Stamser Altartafel und dem Throne Salomonis in
Bebenhausen beständen, zu widerlegen, veranlasst
ihn zunächst zu einer eingehenden ikonographischen
Betrachtung beider Gemälde, als deren Resultat sich
einwandsfrei ergibt, dass dieselben zwei durchaus
von einander unabhängigen Entwicklungsreihen
angehören. Wir möchten hier nicht verfehlen da-
rauf hinzuweisen, dass, entgegen der Ansicht des
Verfassers, Darstellungen der Krönung Marias durch
Christus schon vor dem 13. Jahrhundert begegnen.
F. X. Kraus erwähnt sogar eine Darstellung der-
selben vom 11.—12. Jahrhundert auf einem Bronze-
gefäss im Provinzialmuseum in Hannover.
Die Stamser Tafel bietet einen vorzüglichen
Beleg für die Einwirkung italienischer Einflüsse
in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts auf
die Kunst Nordtirols; gerade deshalb aber wäre
es von grossem Interesse gewesen, auch südti-
rolische Darstellungen desselben Stoffes mit deut-
schem Gepräge ohne italienische Anleihen z. B.
die ungefähr gleichzeitige Krönung Marias im
Chor von Terlan zum Vergleich heranzuziehen.
(S. Heinz Braune, die kirchliche Wandmalerei
Bozens um 1400. S. 71). Dem Verfasser war es
jedoch mehr darum zu tun, nach stilverwandten
Werken ähnlichen Mischstils von deutschen und
italienischen Elementen Umschau zu halten und
die Herkunft Heinrich Grussits aus dem ober-
rheinischen Kunstkreis nachzuweisen bezw. stilistisch
zu belegen. Für die Wechselwirkungen nordischer
und südlicher Kunst im 14. und 15 Jahrhundert
bietet Sempers gründliche Untersuchung über das
Stamser Altarbild manche neue Gesichtspunkte,
die die weitverzweigten Fäden gegenseitiger Ent-
wickelung zwar noch nicht zu entwirren und in
allen Teilen klai’ darzulegen vermögen — wer ver-
möchte das zurzeit ? ! — aber doch schon als An-
regungen wertvoll und ausserordentlich dankens-
wert sind. Philipp Maria Halm
Konstanzer Häuserbuch, herausgegeben
von der Stadtgemeinde. Heidelberg, Karl
Winter 1906. 4°. Band 1. 284 S., Textbilder
und 1 Tafel. 4°.
Ein Jubiläums werk seltener Art widmete die
Stadt Konstanz dem Grossherzog von Baden zu
seinem 80. Geburtstag: Das Konstanzer Häuser-
buch, ein Denkmal seines reichen Schatzes von
vornehmen Repräsentanten bürgerlicher Baukunst
Der erste Band dieses Werkes, der Ende des
Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur. Aug./Sept.-Heft.
leidet daher vor allem der kritische Teil des
Buches. Die sehr problematische Frage der
malerischen Tätigkeit Wolf Hubers scheint nicht
überzeugend gelöst. (Bei der Schwierigkeit der
Materie dürften die zwei bezeichneten Porträts in
der National Galery of Ireland gewiss nicht in
einer Anmerkung abgetan werden.) Zuweisungen
wie die der Budapester Heimsuchung an den M. Z.
sind mit Vorsicht aufzunehmen, und im besonderen
muss ich in einer mich persönlich interessierenden
Frage aufs Entschiedenste gegen den Verfasser
Stellung nehmen, wenn er nämlich in der Kunst
des Mächselkirebners „die wahre Vorstufe und den
Ausgangspunkt für den Augsburger Holbein“ er-
blicken will. Dass Aehnlichkeiten der malerischen
Behandlung vorliegen, wird niemand leugnen
wollen, aber es lassen sich mit dem gleichen
Rechte manche anderen Parallelen beibringen.
Man sollte sich doch vor einer zu engherzigen Be-
handlung der kunsthistorischen Probleme wohl
hüten, nicht jede Uebereinstimmung oder Aehn-
lichkeit als Abhängigkeit oder Beeinflussung
deuten. Man kann es häufig genug beobachten,
wie die gleichen Probleme zur gleichen Stunde an
verschiedenen Orten auf spriessen, man wird
andererseits die Einflusssphäre einer überragenden,
schöpferischen Persönlichkeit nicht weit genug
denken können, ohne doch in jedem einzelnen
Falle die Grade der Abhängigkeit auf weisen zu
wollen. — Gerade an dieser Neigung, allzu rasch
bindende Schlüsse zu ziehen, leidet das vorliegende
Buch. So wird man oftmals die guten und inter-
essanten Beobachtungen des Verfassers anerkennen,
ohne darum doch immer auch seinen Folgerungen
beipflichten zu können. Curt Glaser
Hans Semper: Die Altartafel der Krönung
Marias im Kloster Stams in Tirol und deren
kunstgeschichtliche Stellung. Separatabdruck
aus der Ferdinandeums - Zeitschrift III.
Folge. 50. Heft. Innsbruck 1906.
Die Altartafel, welche aller Wahrscheinlichkeit
nach die gleiche ist, von welcher der Klosterchronist
P. Wolfgang Lebesorg von Stams (j- 1647) berichtet,
dass sie Heinrich Grussit von Ueberlingen, welcher
von 1369—1387 Abt des Klosters war und 1389
starb, selbst gemalt hat, wird von Hans Semper
einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Als
wichtigstes Moment für die kunstgeschichtliche
Stellung der Tafel erscheint die kaum angreifbare
Tatsache, dass für dieselbe ein Flügelaltar des
Giusto de Menabuoi, genannt di Padova, vom
Jahre 1367 in der Nationalgalerie zu London als
unmittelbares Vorbild gedient hat, dass nichts-
destoweniger aber deutsches Wesen den Cha-
rakter des Bildes bedingt. Die Absicht des Ver-
fassers, die von Probst (die Schule von Salem; in
den Schriften des Ver. f. Gesch. d. Bodensees 1901
S. 226) aufgestellte Behauptung, dass kompositio-
nelle und stilistische Beziehungen zwischen der
Stamser Altartafel und dem Throne Salomonis in
Bebenhausen beständen, zu widerlegen, veranlasst
ihn zunächst zu einer eingehenden ikonographischen
Betrachtung beider Gemälde, als deren Resultat sich
einwandsfrei ergibt, dass dieselben zwei durchaus
von einander unabhängigen Entwicklungsreihen
angehören. Wir möchten hier nicht verfehlen da-
rauf hinzuweisen, dass, entgegen der Ansicht des
Verfassers, Darstellungen der Krönung Marias durch
Christus schon vor dem 13. Jahrhundert begegnen.
F. X. Kraus erwähnt sogar eine Darstellung der-
selben vom 11.—12. Jahrhundert auf einem Bronze-
gefäss im Provinzialmuseum in Hannover.
Die Stamser Tafel bietet einen vorzüglichen
Beleg für die Einwirkung italienischer Einflüsse
in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts auf
die Kunst Nordtirols; gerade deshalb aber wäre
es von grossem Interesse gewesen, auch südti-
rolische Darstellungen desselben Stoffes mit deut-
schem Gepräge ohne italienische Anleihen z. B.
die ungefähr gleichzeitige Krönung Marias im
Chor von Terlan zum Vergleich heranzuziehen.
(S. Heinz Braune, die kirchliche Wandmalerei
Bozens um 1400. S. 71). Dem Verfasser war es
jedoch mehr darum zu tun, nach stilverwandten
Werken ähnlichen Mischstils von deutschen und
italienischen Elementen Umschau zu halten und
die Herkunft Heinrich Grussits aus dem ober-
rheinischen Kunstkreis nachzuweisen bezw. stilistisch
zu belegen. Für die Wechselwirkungen nordischer
und südlicher Kunst im 14. und 15 Jahrhundert
bietet Sempers gründliche Untersuchung über das
Stamser Altarbild manche neue Gesichtspunkte,
die die weitverzweigten Fäden gegenseitiger Ent-
wickelung zwar noch nicht zu entwirren und in
allen Teilen klai’ darzulegen vermögen — wer ver-
möchte das zurzeit ? ! — aber doch schon als An-
regungen wertvoll und ausserordentlich dankens-
wert sind. Philipp Maria Halm
Konstanzer Häuserbuch, herausgegeben
von der Stadtgemeinde. Heidelberg, Karl
Winter 1906. 4°. Band 1. 284 S., Textbilder
und 1 Tafel. 4°.
Ein Jubiläums werk seltener Art widmete die
Stadt Konstanz dem Grossherzog von Baden zu
seinem 80. Geburtstag: Das Konstanzer Häuser-
buch, ein Denkmal seines reichen Schatzes von
vornehmen Repräsentanten bürgerlicher Baukunst
Der erste Band dieses Werkes, der Ende des