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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Zweites Heft (Februar 1907)
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Schnorr von Carolsfeld, Ludwig: [Rezension von: Edmund Hildebrandt, Friedrich Tieck. Ein Beitrag zur deutschen Kunstgeschichte im Zeitalter Goethes und der Romantik]
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Singer, Hans Wolfgang: [Rezension von: Karl Scheffler, Max Liebermann]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0058

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30

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Eebruar-Heft.

werke und Abgüsse, einen Brief Sophie Tiecks an
ihren Bruder Ludwig aus dem Jahre 1804, einen
Brief Friedrich Tiecks an Caroline v. Humboldt
aus dem Jahre 1815, einen Brief Friedrich Tiecks
an Varnhagen v. Ense von 1834, zuletzt zwei Briefe
Friedrich Tiecks an seinen Bruder Ludwig von
1834 und 1846. Ein sorgfältiges Register, das auch
ein vollständiges Verzeichnis der Werke Tiecks
bringt, erleichtert die Benutzung des Buches.
Der Verfasser hat sich durch jahrelange Arbeit
und unermüdliches Sammeln aller noch vorhandenen,
auf Tieck bezüglichen Dokumente immer tiefer in
den Stoff hineingearbeitet. Seine vor acht Jahren
erschienene Berliner Dissertation brachte bereits
eine Zusammenstellung der wichtigsten Urkunden
über die Tiecksche Jugendgeschichte Den Kunst-
historikern, Literatur- und Kulturhistorikern wird
das Buch gleich wertvoll sein.
Die Ausstattung ist vorzüglich, wie man das
bei dem Verlag von Hiersemann nicht anders ge-
wohnt ist. Vor allem verdient hervorgehoben zu
werden, dass die Abbildungen in Autotypie auf
besonderen Tafeln dem Text eingefügt sind, so
dass der Text auf ein weiches, büttenartiges Papier
gedruckt werden konnte.
Ludwig Schnorr v. Carolsfels.
Karl Scheffler, Max Liebermann. Mit einem
photographischen Bildnis und 40 Tafeln
nach Werken. München: Piper & Co. gr. 8°.
(10 Mark.)
Die mit viel Hingebung geschriebene Biographie
steckt in einem überaus glänzenden Rahmen, der
weitaus das Wichtigste an dem ganzen Werk ist.
Das Buch ist nichts weniger als eine ungemein
sympathisch entwickelte Psychologie der modernen
Kunst überhaupt. Mit meines Erachtens selten
klarer Erkenntnis und in prächtig epigrammati-
scher Fassung, der das bezeichnende Wort für
jeden Fall zu Gebote steht, wird die geistige An-
regung und die seelische Färbung aller jener
Kunstbewegungen gekennzeichnet, die Europa im
Lauf des verflossenen Jahrhunderts gezeitigt hat.
Es gereicht einem zur hohen Freude, einmal ein
Buch der modernen Art des Kunstschreibens lesen
zu können, der Art also, die die äusseren Tat-
sachen als bekannt voraussetzt und nur die
inneren Vorgänge in der Entwicklung auf decken
will, ohne auf Phrasen, schwülstigen Wortschwall,
eigensinnige Verdrehungen und geistreich sein
wollende Paradoxen angewiesen zu sein. Man
fühlt gleichsam heraus, dass jeder Satz lang über-
legt, gefeilt worden ist, bis er zu den treffenden
endgiltigen Worten zusammenschwand, die den Ge-
danken dann aber auch in unüberbietbarer Schärfe

fassen. Ueberaus selten findet man etwas Störendes,
z. B. auf Seite 18 Zeile 8 von unten eine Ge-
schmacklosigkeit (wie es mir erscheint) und hie
und da ein kleiner Wider Spruch.
Eigentümlich ist nun die Rolle, die Lieber-
mann selbst in dem Buche spielt. Er dürfte
eigentlich nicht auf dem Titel stehen, denn er ist
keineswegs der Haupt- geschweige denn der ein-
zige Inhalt des Buches. Wenn der Verfasser
irgend einen Gedanken, den die Kunst verfolgt
hat, ana ysiert und uns bedeutet hat, nach welchem
hohen Ziel er eigentlich hinaus will, da setzt er
einfach mit dem Namen Liebermann ein, ohne uns
aber unwiderleglich zu beweisen, dass Lieber-
manns Kunst wirklich den Höhepunkt dieses Ge-
dankens verkörpert. Er ist keineswegs befangen
in dem Masse, dass er alle Tugenden ohne weiteres
für Liebermann in Anspruch nähme und spricht
oft genug von Beschränkungen des Liebermann-
schen Talentes. Man liest aber klar genug zwi-
schen den Zeilen, dass die Tugenden, die er in
Liebermanns Kunst findet, ihm doch für unsere
Zeit wenigstens als die allerhöchsten künstleri-
schen Tugenden gelten. Diese Auffassung aber
stellt er, für mein Empfinden, doch nicht auf einen
allgemein gültigen Boden.
In dem Kapitel Technik erläutert er in geist-
voller Weise, wessen Geistes Kinder sich hilflos
gegenüber der Schwarz-Weisskunst sehen und
welche es dazu förmlich treibt, vermöge ihrer
intellektuellen abstrahierenden Richtung, sich zur
Konvention der farblosen Kunst zu wenden.
Liebermann radierte, und so müssen diese Arbeiten
von dem eben gewonnenen Gesichtspunkt aus be-
trachtet werden. Dabei aber werden sie völlig
falsch eingeschätzt, ebenso wie diejenigen Kritiker,
die ihn in der graphischen Technik nur bedingt
gelten lassen wollen, missverstanden werden.
Liebermanns schwacher Punkt in der Radierung
ist, dass er hierin Romantiker ist. Er geht nicht
von seinem Mittel aus, sondern von einen vorge-
fassten Ideal, von einem Bild, wie die Radierung
aussehen soll, dass er konzipiert hat, ehe er noch
die Nadel je in die Hand genommen. Folglich
sucht er etwas zu erreichen, ohne sich damit ab-
zumühen, ob es auch erreichbar sei. Das Bild, das
er sich vorher machte, verdankt seine Entstehung
der in der Oelmalerei gemachten Erfahrung. Da-
her haben die graphischen Arbeiten Liebeimanns
im letzten Grunde genommen die gleichen Unzu-
länglichkeiten, oder sagen wir besser ebensoviele,
wie die Arbeiten eines Reproduzenten. Das „wirre
Gekritzel“ bei ihm ist nicht die grössere Freiheit
gegenüber dem „sauberen Kupferstichstrichstecher“,
sondern die grössere Befangenheit des Nichtfach-
 
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