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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Viertes Heft (April 1907)
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Popp, Hermann: [Rezension von: Ludwig v. Buerkel (Hg.), Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0116

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88

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

April-Heft.

Münchener Neusten Nachrichten über hiesige
Museums-Zustände, wünscht Adolf Hildebrand
(München), dass die Gallerien bestimmte Räume
reservieren, um abwechselnd Bilder zusammenzu-
stellen, die ein gemeinschaftliches Interesse in An-
spruch nehmen und deren Vergleich höchst lehr-
reich und künstlerisch interessant wäre. „Man
hätte dann die Annehmlichkeit, in einem Saale
beisammen eine kleine Galerie zu finden, die in
ihrer Auswahl sowohl künstlerisch als auch kunst-
historisch etwas Besonderes zu sagen hätte und
wo man der Massen Vertilgung ganz enthoben wäre.
Bei dem Wechsel der Gesichtspunkte, die dabei
möglich wären, liessen sich solche Ausstellungen
mit geistigen Exkursionen vergleichen, welche in-
teressante Fragen aller Art beleuchten.“ Im In-
teresse der heutigen Kunst sollen auch moderne
Bilder in diesen Räumen neben alten ausgestellt
werden, um durch Vergleiche die beiderseitige
Stichhaltigkeit zu prüfen und den Horizont des
Publikums und der Kritik zu erweitern. — Ernst
Bassermann-Jordan (München) führt in einer um-
fassenden Abhandlung über den Perseus des Cellini
in Florenz und den hierauf zurückgehenden Perseus-
brunnen im Grottenhof der Münchener Residenz,
den Beweis, dass dieses zu den edelsten Schöpfun-
gen der Münchener Renaissance gehörende Werk,
als dessen Modelleur Georg Mair urkundlich be-
nannt wird, Friedrich Sustris, dem Architekten
der Grottenhofanlagen, als dem geistigen Urheber
znzusprechen sei, trotz des nicht unbedeutenden
Abstandes zu dessen in der K. Graph. Sammlung
befindlichen Entwürfe. — Georg Habich (München)
macht uns in einem sehr feinsinnigen Beitrag mit
einem kleinen marmornen Aphrodite-Torso (aus der
Sammlung des Dr. Bassermann-Jordan) bekannt,
dessen ungemein weiche Formengebung und male-
rische Behandlung auf ägyptisch-hellenistischen
Stil und somit auf Alexandria als Entstehungsort
hinweist. — Der umsichtige Herausgeber des Jahr-
buchs, Ludwig v. Buerkel (Florenz) widmet dem
vielbewunderten Wirken der Münchener Künstler
anlässlich des Schützenfestes 1906 einen Rückblick
und lässt alle die Herrlichkeiten, welche die
Strassen, Plätze und Bauten der Stadt erfüllten
und den farbenfrohen Festzug mit seinen reizvollen
Gruppen nochmals an uns vorüb erziehen. Es ist
eine glückliche und dankenswerte Idee, dass die
Schönheit jener Tage hier festgehalten ist. — In
einer zweiten Arbeit liefert G. Habich einen wich-
tigen und wertvollen Beitrag zur Bayerischen
Kunstgeschichte. Ausgehend von einem, von der
neueren Forschung unbeachteten, monogrammierten
und datierten Sandstein-Epitaph an der Martins-
kirche zu Landshut, dessen ausserdentliche Sicher-

heit in der handwerklichen Behandlung, die na-
mentlich im Dekorativ-Effektvollen Aussergewöhn-
liches leistet, weist Habich auf Grund scharfsich-
tiger Stilkritik dem Hans Leinberger, dessen Mo-
nogramm Sighart und Nagler als Hans Lemberger
lasen, eine Reihe von plastischen Arbeiten zu, die
diesen bisher so gut wie unbekannt gebliebenen
Meister als eine ausgesprochene künstlerische Per-
sönlichkeit erscheinen lassen. Zwei zusammenge-
hörende dekorative Holzreliefs in Berlin und Frei-
sing lassen in diesem Meister unzweifelhaft den
Verfertiger des Hauptwerkes bayerischer Plastik,
des berühmten und imposanten Schnitzaltars im
Moosburger Münster, erkennen. — Auf die in der
Regel kaum beachteten, in einem Saale des Pitti-
Palastes befindlichen allegorischen Fresken des
genialen Toskaners Giovanni di San Giovanni, des
ersten und unerreichten Dekorationsmalers der
Spätrenaissance, macht L. v. Buerkel aufmerksam.
— Ein alter Bleiabguss des bekannten Rückenakt-
reliefs mit dem Monogramm Dürers und der Jahres-
zahl 1509, das Ph. M. Halm (München) im Depot
des bayerischen National-Museums fand, gibt An-
lass zur erneuten Behandlung der alten Streitfrage
über Dürer als KJeinplastiker. Halm schliesst sich
hier an Habichs in früheren Studien niedergelegten
und allseitig gefestigtes Urteil an, nach welchem
der Meister als gelernter Goldschmied durchaus die
technischen Fähigkeiten besass, um die drei be-
kannten Medaillen (Lukrezia?, Bildnis Wohlgemuts
und Dürers Vater) und das genannte Steinrelief
mit dem Rückenakt zu fertigen, für die Montagu
Peartree Hans Daucher in Anspruch nahm. — Den
Hauptstücken der vom bayerischen Verein der
Kunstfreunde in München veranstalteten Ausstel-
lung antiker Kunstwerke aus Münchener Privat-
besitz widmet Joh. Sieveking einen Aufsatz, in
dem der hohe künstlerische Wert der einzelnen
Stücke dargetan wird. — Otto Weigmann (München)
beschliesst die Reihe der Arbeiten mit einem
Ueberblick auf die in der retrospektiven Ausstel-
lung im Glaspalast 1906 vertretenen Maler der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. —
Vielseitig und glanzvoll, wie der Beginn, wird
die Fortsetzung des Jahrbuchs sein, das künftig in
zwei Halbbänden erscheinen wird. Dafür garan-
tieren die Namen des Herausgebers, des Verlags
und der Mitarbeiter.
Hermann Popp
 
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