Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein
— 22.1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0052
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Heft 2
DOI Artikel:Schäfer, Wilhelm: Peter Halm
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Peter Halm. Dorfstraße bei Mainz fvernis mou).
Radicr- und Stecherkünste in Deutschland geblieben ift. WaS ihn als Menschen für Stauffer so
wertvoll und für viele künftlerische Nöte unentbehrlich machte, seine sachliche Ruhe und Gründlichkeit,
sowie die Zuverlässigkeit seineö ganzen Wesens, das ift auch der Grundzug seiner Kunft. So sehr,
daß seine Blätter in einem Zeitalter, wo der blendende Witz und der genialische Vortrag, die
poetische Erfindung und die moderne Stimmung vielsach Kriterien der bildenden Kunft geworden
sind, ganz auf das Urtcil und die Bcachtung der Kenner angewiesen bleiben.
Es ist bekannt, daß die Radierungen Leibls, die z. B. Stauffer in helle Begeisterung brachten,
von seinen Zeitgenoffen so sehr verkannt wurden, daß sie, daS Stück zu drei Mark, vergeblich auf dcn
Markt kamen. Als wir anfingen in Deutschland, unö wieder sür die graphischen Künste zu inter-
essieren, war Klinger der HeroS der Radierung, und was nicht nur daö breitere Publikum, sondern auch
eincn entzückten KreiS der Kenner für ihn begeisterte, war die offenbarte Weltanschauung, die geistige
Bedeutung sriner Blätter, gegen die alleö, waS Leibl radierte (wie auch seine Malerei für den damaligen
Malgott Lcnbach), „ZuchthauSarbeit" war. Die ehrliche Ausübung einer Kunst alö Handwerk,
wie sie Leibl tricb, und wie sie auch der Sinn von Peter Halms Arbeiten war, schien den Be-
wunderern jener Kunst als subalterneö Kleben an der Technik. Und auch Stauffer, dessen Blätter
heute mit Gold tausendfach aufgewogen werden, galt damals als unpoetisch und er vermochtc nicht,
mit seiner Dürerschen Ehrlichkeit und Treue durchzudringen.
Eigcntlich haben wir hierin immer noch nicht auSgelernt, unserc Augen sind für die technische
Solidität, die durchauö etwaS anderes ift, als ein akademischeö Schema, nicht eingeftellt; wir leben —
und zwar tun wir das in allen Künsten — noch vielfach in einer unsoliden Vermengung der hand-
werklichen Mittel und Grenzen, unsere Dramen beftehen aus lprischen Ergüssen, unsere Romane
auö Dialogen und Stimmungsschilderungen und in der Musik steht das Programm, die eingebildetc
zs
Radicr- und Stecherkünste in Deutschland geblieben ift. WaS ihn als Menschen für Stauffer so
wertvoll und für viele künftlerische Nöte unentbehrlich machte, seine sachliche Ruhe und Gründlichkeit,
sowie die Zuverlässigkeit seineö ganzen Wesens, das ift auch der Grundzug seiner Kunft. So sehr,
daß seine Blätter in einem Zeitalter, wo der blendende Witz und der genialische Vortrag, die
poetische Erfindung und die moderne Stimmung vielsach Kriterien der bildenden Kunft geworden
sind, ganz auf das Urtcil und die Bcachtung der Kenner angewiesen bleiben.
Es ist bekannt, daß die Radierungen Leibls, die z. B. Stauffer in helle Begeisterung brachten,
von seinen Zeitgenoffen so sehr verkannt wurden, daß sie, daS Stück zu drei Mark, vergeblich auf dcn
Markt kamen. Als wir anfingen in Deutschland, unö wieder sür die graphischen Künste zu inter-
essieren, war Klinger der HeroS der Radierung, und was nicht nur daö breitere Publikum, sondern auch
eincn entzückten KreiS der Kenner für ihn begeisterte, war die offenbarte Weltanschauung, die geistige
Bedeutung sriner Blätter, gegen die alleö, waS Leibl radierte (wie auch seine Malerei für den damaligen
Malgott Lcnbach), „ZuchthauSarbeit" war. Die ehrliche Ausübung einer Kunst alö Handwerk,
wie sie Leibl tricb, und wie sie auch der Sinn von Peter Halms Arbeiten war, schien den Be-
wunderern jener Kunst als subalterneö Kleben an der Technik. Und auch Stauffer, dessen Blätter
heute mit Gold tausendfach aufgewogen werden, galt damals als unpoetisch und er vermochtc nicht,
mit seiner Dürerschen Ehrlichkeit und Treue durchzudringen.
Eigcntlich haben wir hierin immer noch nicht auSgelernt, unserc Augen sind für die technische
Solidität, die durchauö etwaS anderes ift, als ein akademischeö Schema, nicht eingeftellt; wir leben —
und zwar tun wir das in allen Künsten — noch vielfach in einer unsoliden Vermengung der hand-
werklichen Mittel und Grenzen, unsere Dramen beftehen aus lprischen Ergüssen, unsere Romane
auö Dialogen und Stimmungsschilderungen und in der Musik steht das Programm, die eingebildetc
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