Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein
— 22.1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0406
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Heft 11
DOI article:Edelmaier, L.: Frankenthaler Porzellan
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Abb. 2. Bettler mit Bettelsack.
Hannongs, Lück, Lanz, Link, Verschaffelt,
Melchior, Clair, Riedel und Magnus und die
der Jnspektoren Bergdoll und Feylner.
Unter den Kostüm- und Genrefiguren zeigt die
außcrordentlich gut zusannnengestellte Sammlung Strauß
eine reiche Auslese des Schönsten, was die Ausstellung
an Leihgaben hat, und wohl überhaupt des Schönsten,
was an figürlichen Frankenthaler Darstellungen noch un-
bekannt geblieben ist. Lange kann man sich an dem feinen
Linienspiel, an dem hauchfeinen Duft der zartgetönten
Farben ergötzen, bis allmahlich das Auge, geschärft
durch den Vergleich, herausfindet, daß auch zwischen
diesen auserlesenen Kostbarkeiten noch Glanzpunkte
hervorleuchten. Diese zierlichen Figürchen, in denen die
zartesten Farben mit den zärtlichst kosenden Linien
wetteifern, das schmeichelnde Lied des Rokoko zu singen,
bannen jedes Motiv in den Kreis ihrer Schönheit und
geben auch dem banalsten Stoff allen Liebreiz ihrer
wiegenden Träume. Die Porzellankunst des Rokoko
hält sich durchaus nicht an die Wiedergabe ästhetischer
Momente — allerdings immer im liebenswürdig schmei-
chelnden Rahmen höfischer Galanterie —, leiht sie ihr
Talent ebenso willig den Erscheinungen des alltaglichen
bürgerlichen und bäuerlichen Lebens. Jst doch die Dar-
stellung einer Kinderstubenverrichtung, einer elterlichen
Aüchtigung durchaus nichts Seltenes; findet man doch den
Abb. 3. Die keifende Bäckersfrau.
„bestraften Wau-Wau", den „Schafscherer", die „un-
saubere Wurstmacherin", den „unsauberen Koch" ebenso,
sicher als die Gestalten der Mythologie und der Allegorie
als die der geschmückten Damen, der galanten Kavaliere.
Au den Glanzstücken der Ausstellung zählt das neu-
entdeckte Modell des (Abb. 2) Bettlers mit Bettel-
sack. Das Modell ist eine Arbeit aus der Aeit des älteren
(Peter) Hannong, es zeigt die Marke: Löwe in Blau
und ist von I. W. Lanz entworfen. Die Farben — das
Entzücken des Kenners — spielen in blassem, matteni
Grau, Lila und Orange. Die Gestalt ist geschickt model-
liert, hat die stattliche Höhe von 20 Aentimeter. Jhr
ebenbürtig ist eine zweite Neuentdeckung (Abb. 3), die
keifende Bäckersfrau. Jhre Vorzüge liegen auf
anderem Gebiet. Statt der Perlmutterfarben des Bett-
lers leuchtet bei ihrer Gewandung der warme Schmelz
der Masse, der weiche Grundton der Frankenthaler
Porzellane, beinahe unverhüllt durch die nur sparsani
angebrachte, teilweise nur schwach angedeutete Be-
malung. Das kleine Leibchen hat tiefrotes Muster, der
Brotlaib unter dem Arm glänzt braun, das Schultertuch
ist aber kaum getönt, und Rock und Kopftuch schimmern
in reinem, wcichem Weiß. Aber nicht nur die Schönheit
des Materiales, auch die meisterlich durchgeführte Hal-
tung der etwas vorgebeugten Gestalt, der lebensvolle,
persönliche Ausdruck des Gesichtes, lafsen die Figur —
Z74
Hannongs, Lück, Lanz, Link, Verschaffelt,
Melchior, Clair, Riedel und Magnus und die
der Jnspektoren Bergdoll und Feylner.
Unter den Kostüm- und Genrefiguren zeigt die
außcrordentlich gut zusannnengestellte Sammlung Strauß
eine reiche Auslese des Schönsten, was die Ausstellung
an Leihgaben hat, und wohl überhaupt des Schönsten,
was an figürlichen Frankenthaler Darstellungen noch un-
bekannt geblieben ist. Lange kann man sich an dem feinen
Linienspiel, an dem hauchfeinen Duft der zartgetönten
Farben ergötzen, bis allmahlich das Auge, geschärft
durch den Vergleich, herausfindet, daß auch zwischen
diesen auserlesenen Kostbarkeiten noch Glanzpunkte
hervorleuchten. Diese zierlichen Figürchen, in denen die
zartesten Farben mit den zärtlichst kosenden Linien
wetteifern, das schmeichelnde Lied des Rokoko zu singen,
bannen jedes Motiv in den Kreis ihrer Schönheit und
geben auch dem banalsten Stoff allen Liebreiz ihrer
wiegenden Träume. Die Porzellankunst des Rokoko
hält sich durchaus nicht an die Wiedergabe ästhetischer
Momente — allerdings immer im liebenswürdig schmei-
chelnden Rahmen höfischer Galanterie —, leiht sie ihr
Talent ebenso willig den Erscheinungen des alltaglichen
bürgerlichen und bäuerlichen Lebens. Jst doch die Dar-
stellung einer Kinderstubenverrichtung, einer elterlichen
Aüchtigung durchaus nichts Seltenes; findet man doch den
Abb. 3. Die keifende Bäckersfrau.
„bestraften Wau-Wau", den „Schafscherer", die „un-
saubere Wurstmacherin", den „unsauberen Koch" ebenso,
sicher als die Gestalten der Mythologie und der Allegorie
als die der geschmückten Damen, der galanten Kavaliere.
Au den Glanzstücken der Ausstellung zählt das neu-
entdeckte Modell des (Abb. 2) Bettlers mit Bettel-
sack. Das Modell ist eine Arbeit aus der Aeit des älteren
(Peter) Hannong, es zeigt die Marke: Löwe in Blau
und ist von I. W. Lanz entworfen. Die Farben — das
Entzücken des Kenners — spielen in blassem, matteni
Grau, Lila und Orange. Die Gestalt ist geschickt model-
liert, hat die stattliche Höhe von 20 Aentimeter. Jhr
ebenbürtig ist eine zweite Neuentdeckung (Abb. 3), die
keifende Bäckersfrau. Jhre Vorzüge liegen auf
anderem Gebiet. Statt der Perlmutterfarben des Bett-
lers leuchtet bei ihrer Gewandung der warme Schmelz
der Masse, der weiche Grundton der Frankenthaler
Porzellane, beinahe unverhüllt durch die nur sparsani
angebrachte, teilweise nur schwach angedeutete Be-
malung. Das kleine Leibchen hat tiefrotes Muster, der
Brotlaib unter dem Arm glänzt braun, das Schultertuch
ist aber kaum getönt, und Rock und Kopftuch schimmern
in reinem, wcichem Weiß. Aber nicht nur die Schönheit
des Materiales, auch die meisterlich durchgeführte Hal-
tung der etwas vorgebeugten Gestalt, der lebensvolle,
persönliche Ausdruck des Gesichtes, lafsen die Figur —
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