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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 11
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Brinckmann, Albert E.: Groß-Düsseldorf: eine Besprechung des ersten preisgekrönten Entwurfs
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0410

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bezichung des Alten anzubringen, neue Möglichkeiten
der Entwicklung zu schaffen.

Die Großstadt Düsseldorst die sich selbst gern den
Ehrentitel der rheinischen Gartenstadt gibt, charakteri-
siert sich durch ihre Jndustrie und als Knotenpunkt des
rheinisch-westfalischen Jndustrieverkehrs wie des trans-
kontinentalen Verkehrs. So wird mehr wie in einer
anderen Stadt ausschlaggebend, was ich das eiserne
Gerüst des Stadtkörpers nennen möchte, nämlich
das System der Bahnen, von der Straßenbahn an bis
zu den großen Fernverbindungen.

Liegen einmal die Bahntrassen, so sind dieselben nur
mit großen Kosten verrückbar. Dabei hängt alles von
ihnen ab: der Personenverkehr, damit die Erschließung
von Gelande und die Bodenpreisbildung. Weiter die
Güterbeförderung, deren hoher Wert namentlich für
die Versorgung der Stadt oft unterschätzt wird. Von der
Bahnverbindung hängt der Ladeverkehr der Jndustrie
ab und damit, ob diese billig oder nur teuer liefern kann.
Eine schlechte Anlage hat unabsehbare Folgen für die
Aukunft, und gerade Düsseldorf leidet darunter, da die
Jndustrieanschlüsse zum Teil wahllos ins Gelände gelegt
sind und so an vielen Stellen unhaltbare Austände ge-
schaffen haben. Nicht durch Schuld der Eisenbahn, der
Jndustriellcn, sondern einfach, weil es an einem be-
sonnenen Stadterweiterungsplan fehlte. Für die Stadt
selbst bedeutet die Bahn in ihrer heutigen Form geradezu
einen Schmachtgurt, da sie mit ihren undurchdringlichen
Dämmen die leichte Ausdehnung nach Süden und Osten
verhindert. Denn nachdem die Bahn den Rhein über-
schritten hat, umfängt sie südlich eng die Altstadt und ver-
läuft dann, den Hauptbahnhof passierend, eng an sie
gedrängt, in gerader Richtung über den Derendorfer
Güterbahnhof nach Norden. Um Straßenkreuzungen,
namentlich beim Hauptbahnhof, zu ermöglichen, muß
diese Hauptstrecke höher oder durchweg tief gelegt
werden. Der Entwurf arbeitet eine Hebung um 67 om
unter Beseitigung der Bahnsteigmittelgebäude ein-
gehend durch. Der schöne Vorschlag einer Tieflegung
des ganzen Bahnhofs wird nicht durchführbar sein, ist
aber wertvoll als Anregung für andere Verhältnisse.
Der Derendorfer Bahnhof ist versenkt und Straßen-
brücken werden über ihn hinweg geführt. Mit seiner
Umgestaltung wird eine weitere Entlastung des inneren
Stadtkörpers erreicht. Denn alle bahntechnische Grob-
arbeit wie Iugverschieben, Rangieren, die Lokomotiv-
schuppen und Werkstatten sollen weiter draußen angelegte

Bahnhöfe übernehmen. Der Derendorfer bleibt nur
noch städtischer Güterbahnhof. Aur Erleichterung des
Durchgangsgüterverkehrs werden südliche und nördliche
Umgehungsbahnen angenomnien.

Au dem eiserncn Gerüst der Stadt gehören weiter die
Trassen des schnellfahrenden Straßenverkehrs, der elek-
trischen Nah- und Fernbahnen (auch Stadtebahnen ge-
nannt, da sie die einzelnen Städte miteinander direkt
verbinden), und der Autos. Es sind dies die in letzter
Aeit viel genannten Radial-, Fern- oder Ausfallstraßen,
die den ini Jndustriegebiet überaus wichtigen Tages-
verkehr mit der Nachbarschaft aufzunehmen haben.
Notwendig ist möglichst gerade Führung, der oft die alten
Chausseen nicht entsprechen. So wird es in vielen Fällen
richtig sein, die Chaussee für den großen Verkehr durch
eine ihr ungefähr parallel laufende neue Verkehrsstraße
zu ersetzen. Diese kann auf jungfraulichem Boden in
der erforderlichen Breite meist billig ohne viele O.uer-
straßcn in sehr gestreckter Linienführung geschaffen werden.
Die alte Chaussee fängt dann die Querwege ab und gibt
nur in größeren Awischenräumen eine Querverbindung
zur Fernstraße. Esist das hoheVerdienstdieses
preisgekrönten Entwurfs, den Charakter solcher
Fernstraßen eingehend bestimmt und nachdrücklich darauf
hingewiesen zu haben, daß sich Eisenbahnen, Schnell-
bahnen und Autostraßen der hohen Geschwindigkeit ihres
Verkehrs wegen untereinander nahe stehen, während sie
der viel geringeren Geschwindigkeit des Straßenverkehrs
gegenüber ein fremdes Element darstellen. Darum sind
allenthalben diese drei Schnellverkehrsmittel unmittelbar
nebeneinander geführt, die Straßen dagegen an ihren
notwendigen Kreuzungen über sie hinweg oder unten-
durch geleitet. Der Entwurf zeigt, wie man Schnell-
bahnen und Autostraßen bei planmäßigem Zusammen-
arbeiten mit der Umgestaltung von Eisenbahnanlagen
ohne Anwendung von teuren Hoch- oder Tiefbahn-
strecken sehr tief in das Jnnere der Großstadt führen
kann. Dies ist namentlich nördlich des Derendorfer
Bahnhofs eingehend durchgearbeitet.

Verkehrsniöglichkeiten sind mit den Siedelungs-
iiiöglichkeiten untrennbar vereint. Schienen früher
die Verkehrsanlagen zunachst als ihre Folgen, so sind
sie heut geradezu Anreger geworden. Es pragt sich dies
deutlich auf dem Stadtgrundriß aus, der den Straßen-
und Bahnstrecken folgend sich strahlig entwickelt. So
ist, was hier nacheinander behandelt wird, ein fort-
währendes Kombinieren miteinander. Uberaus wichtig

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