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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 11
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Brinckmann, Albert E.: Groß-Düsseldorf: eine Besprechung des ersten preisgekrönten Entwurfs
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0411

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ist dabei die Berechnung, für welche Bevölkernngsklassen,
fnr welche Aahlen Gelande bereit zu stellen ist.

Oberster Grundsatz der städtischen Gelandeausteilung
ist Trennung von Wohnquartieren und Jndu-
striegebieten. Die Verteilung der Jndustrie ist in
Groß-Düsseldorf besonders wichtig und schwierig, weil
einerseits die Jndustrie die Stadtentnücklung stelleniveise
stark geschadigt hat, anderseits aber die Jndustrie alS
förderndes Element weitgehende Rücksicht verlangen
kann. Hierbei muß Bedacbt genommen werden auf die
Verschiedenheit der Jnduftrie, alle die Unterschiede, die
zwüschen die Pole Kleingewerbe und Schwerindcistrie sich
gruppieren. Der Hauptgesichtspunkt ihrer Gruppierung
hcißt Konzentration, demzufolge Herauslösung aus
stadtbaulich ungeeigneten Stellen. Eine solche Ver-
legung ist nicht möglich, wenn die Stadt günstiges Ge-
lände preiswert anzubieten vermag. Denn einmal wird
ein von der Stadt nicht begünstigtes Gelände kcine Aus-
dehnungsmöglichkeit für zunehmende Betriebe bieten,
dann wird das als Wohngelände begehrte Terrain wert-
voller sein als das von der Fabrik ursprünglich er-
worbene Brachland. Damit macht sich eine Verlegcing
bezahlt, zumal öftcre Erneuerung der technischen Ein-
richtungen notwendig ist. Es läßt sich sehr viel erreichen,
wenn Stadt, Eisenbahn und Gewerbe einmütig zu-
sanmien arbeiten immer in dem Gedanken, daß es das
Wohl der ganzen Stadt gilt, und daß niemand ge-
schädigt werden soll.

Eine Trennung zwischcn Jndustrie- und Wohn-
gebiet verlangt nicht allein eine reinliche Sondcrung,
sondern einen Abschluß gegen einander. Wohn-
viertel sollen nicht belästigt werden. Der Vorschlag des
Entwurfs ist, in ausgedehntem Maße Grünbänder für die
Einfassung des Jndustriegeländes zu verwenden. Die
Wohngebiete sondern sich in weit und eng, hoch und
flach bebaute Kleinwohnungsgebiete und bessere Wohn-
gebiete c>nd schließlich Gebiete für reiche Besiedelung.
Die Frage: offenc oder geschlossene Bauweise, ist zu-
gunsten der letzteren entschieden, namentlich soll an den
Hauptverkchrsstraßen überall geschlossen gebaut werden
und zwar, um hohe Ränder für die Wohngebiete zu ge-
winnen, höhergeschossig, wie es die für die betreffenden
Gebiete geltende Bauklasse vorschreibt. Für die Ruhe der
Wohngebiete liegt darin ein großer Vorteil. Die eigent-
lichen Wohnstraßen, die das von den Verkehrsstraßen
umzogene Gelände aufschließen, zeigen geringere Breiten
und einfachere Ausführung, cinc an Straßenland und

Straßenbaukosten zu sparen. Beides wieder wirkt
auf die Bodenpreise ein, das heißt auf billiges odcr teueres
Wohnen. Villenbebauung ist in Aussicht genommen
für landschaftlich hervorragende Gebiete. Für die weniger
zahlkräftige Bevölkerung ist mit dem Ein- bis Vier-
familienhaus als Reihenhaus oder Gruppenbau in
großem Umfang gerechnet, möglichst mit Gärten, stets
ohne Hinterhäuser und mit der Möglichkeit guter Durch-
lüftung des einzelnen Hauses cind Baublocks.

Arch die Ausbildung dieser Blocks ist das Haupt-
augennrerk des modernen Stadtbaus gcrichtet. Man
wünscht ihn schmal, um Hinterhäuser zu vermeiden,
lang gestreckt, um nicht durch Ouerstraßen Land zu ver-
geuden. Sie schließen Jnnenparks für die Bewohner
des Blocks und Kleinkinderspielplätze ein. Der südliche
Teil dieses Planes gibt eine Fülle von guten Anord-
nungen. Vom Standpunkt des Baukünstlers interessiert
weiter ihre architektonische Durchbildung, ihre Ausammen-
ziehung durch Simse und einheitliche Dächer, der Rhyth-
mus ihrer Wandungen, deren raumbildende Kraft für
Straßen und Plätze. Wie Hervorragendes in dieser
Hinsicht der alte Stadtbau geleistet hat, dafür sind
eine Anzahl Beispiele in dem Buch des Verfassers
„Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit" ab-
gebildet. Der moderne Architekt kann hieran über
Wirkungsmöglichkeiten viel lernen.

Die gesunde Unterbringung der Bevölkerung ver-
langt nicht nur gesunde Wohnungen, sondern auch
die Möglichkeit, neben tüchtiger Arbeit sich
vernunftsgemäß erholen zu können. Sicher kann
die Robustheit der nordamerikanischen Nation bei allen
Aufreibungen ihres Berufslebens zum größten Teil
auf die Möglichkeit gesunder Leibesübungen zurück-
geführt werden. Aufgabe der Plangestaltung ist, die
Naturschönheiten der Umgebung, hier den Rhein und
den östlich gelegenen Aaper Wald, in die Stadt hinein-
zuholen. Große Freiflächen für Spiel und Sport
sind dabei über das Stadtgebiet hin zu erhalten oder zu
schaffen, und dieses alles ist durch Grünstreifen unter-
einander zu verbinden. Denn erst diese ermöglichen
langere Spaziergänge vollkonunen im Grünen, und der
Stadtbewohner ist nicht gezwungen, erst die Straßenbahn
in Anspruch zu nehmen, um die Außenwälder zu er-
reichen. Die Wälder streckcn gleichsam ihre Fühlhörner
in das Stadtinnere. Man erhält damit von selbst eine
Keilgestalt, die die Natur in die Stadt hineintreibt und
die in dünnen Rissen die ganze Jnnenstadt durchsprengt.
 
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