Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein
— 22.1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0203
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Heft 6
DOI article:Schäfer, Wilhelm: Bildende Kunst in Lothringen
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I- Engel.
Der Dorfälteste.
Bildende Kunst in Lothringen.
t^^ie politische Annexion ciner Landschaft, auch wenn sie in allen VerwaltungSdingen mit der
größten Exaktheit durchgeführt wurde, ist natürlich noch keinc kulturelle Eroberung; im Gegen«
teil werden sich die verborgenen Wurzeln der Kultur in solchen Fällen um so inniger an daö Stamm-
land klammern, je mehr daö Volkstum in seinem ZugehörigkeitSgefühl umlernen muß. Daß die
Lothringer es in dieser Beziehung schwer hatten, kann nur der übersehen, der die Gültigkeit der
Sprache als Ausdruck der Volksangehörigkeit unterschätzt; und nach ihrer Muttersprachc waren
die meiftcn Eingesessenen in Lothringen französisch. Ob sie eS ohne die mehr als dreihundert-
jährige französische Regierung nicht in diesem Umfang gewesen, weil dann die Deutschen nicht so
gründlich auSgewandert wärcn: das sind historische Erwägungen, dic am tatsächlichen Zustand
nichtS ändern.
Dieser Zustand war für die kulturellen Dinge noch besonderö erschwert dadurch, daß die bis-
herigc politische Hauptstadt Paris zugleich auch das in Geschmacksdingen scit Iahrhunderten herr-
schende Zentrum der europäischen Welt war, für das sich den Lothringern kein gültiger Ersatz bot.
Wenn man bedenkt, wie sehr selbft die Elsässer — die durch die natürliche Grenzscheide der Vogesen
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Der Dorfälteste.
Bildende Kunst in Lothringen.
t^^ie politische Annexion ciner Landschaft, auch wenn sie in allen VerwaltungSdingen mit der
größten Exaktheit durchgeführt wurde, ist natürlich noch keinc kulturelle Eroberung; im Gegen«
teil werden sich die verborgenen Wurzeln der Kultur in solchen Fällen um so inniger an daö Stamm-
land klammern, je mehr daö Volkstum in seinem ZugehörigkeitSgefühl umlernen muß. Daß die
Lothringer es in dieser Beziehung schwer hatten, kann nur der übersehen, der die Gültigkeit der
Sprache als Ausdruck der Volksangehörigkeit unterschätzt; und nach ihrer Muttersprachc waren
die meiftcn Eingesessenen in Lothringen französisch. Ob sie eS ohne die mehr als dreihundert-
jährige französische Regierung nicht in diesem Umfang gewesen, weil dann die Deutschen nicht so
gründlich auSgewandert wärcn: das sind historische Erwägungen, dic am tatsächlichen Zustand
nichtS ändern.
Dieser Zustand war für die kulturellen Dinge noch besonderö erschwert dadurch, daß die bis-
herigc politische Hauptstadt Paris zugleich auch das in Geschmacksdingen scit Iahrhunderten herr-
schende Zentrum der europäischen Welt war, für das sich den Lothringern kein gültiger Ersatz bot.
Wenn man bedenkt, wie sehr selbft die Elsässer — die durch die natürliche Grenzscheide der Vogesen
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