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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 121 - Nr. 130 (28. Mai - 9. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44127#0139
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Politische Uebersicht
Die Gefahr Anlitaristifchen Reaktion.
Gegen die Umstürzler von. rechts.
Berlin, 3k. Ma-. (W.B.) In letzter Zeit haben sich Bestre-
bungen bemerkbar gemacht, die entlassenen oder zur Entlassung
bestimmten Angehörigen der Freikorps oder ähnlicher Forma-
tionen zusammensch liest en, um der Auflösung Wider-
stand zu leisten ober aufgelöste Verbände wieder zu vereinigen.
Um diesen Vorgängen, welche nicht nur die Ausführung der von
Deutschland im Friedensvertrag übernommenen Verpslich
tungen gefährden, sondern auch zur Beunruhigung der Bevölkerung
führen, tatkräftig begegnen zu können, hat der Reichspräsi-
dent auf Grund des Artikels 48 Absatz 2 der Neichsverfassung in
einer Verordnung vom 3V. Mai besondere Maßnahmen ange-
ordnet.
Durch diese Verordnung wird die Aufforderung an früher oder
derzeitige Angehörige des Freikorps zu vereintem Ungehorsam
oder gewaltsamem Wider st and gegen Anordnungen über Auf-
lösung, Verstellen, insbesondere gegen Anordnungen über Auflösung,
Verringerung und Umgliederung der bestehenden Verbände, oder der
Widerstand gegen solche Anordnungen mit Z u ch t h a u s bis zu fünf
Jahren, bei Vorliegen mildernder Umstände mit Gefängnis be-
straft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, der es unternimmt, ohne
Genehmigung der zuständigen Stelle Personen zu Verbänden mili-
tärischer oder polizeilicher Art zusammenzufchlief-en, oder wer an
solchen Verbänden teilnimmt. Der Reichswehr Minister ist
ermächtigt, zur Aburteilung solcher Straftaten nach Bedarf außer-
ordentliche Gerichte einzusetzen.
Die Heuchelei der Unabhängigen!
In einem Artikel „Das ist nicht der Weg" wendet sich
dis „Freiste! t" (!) gegen den vorstehenden Erlaß des Reichsprä-
sidenten, weil er ein Ausnahmgesetz gegen einen bestimmten Kreis
von Staatsbürgern bedeutet Man höre und staune: Dieselbe Par-
tei, deren Agitatoren tagtäglich im Lande herumziehen und die
Dikta turdesProletariats fordern, welche die Verfassung
von Weimar bekämpfen, weil sie uns eine f orm a l e D e m o k ra-
t i e aufgerichtet habe, dieselbe Partei fällt jetzt der Reichsregierung
in den Rücken, weil sie Ernst macht mit der Front gegen
rechts. Hätte die Regierung nichts getan, dann hätte man in
der „Freiheit" lesen können: „Wo bleibt die Regierung?" Kann
cs noch eine gemeinere Heuchelei geben? Und eine
solche Partei will eine sozialistische Arbeiterpartei sein? Pfui
Teufel!
Neue Tagung des Frontbundes!
Der „Vvrwärt s" schreibt: Ein uns vorliegendes Flugblatt
des Frontbundes, datiert vom 27. Mai 1920, lädt zu einer drit-
ten Tagung des Frontbundes am Mittwoch, den 2. Juni, «in.
Sie findet bezeichnenderweise inPotsdam statt, wo die Herren
dank dem „Geist von Potsdam" wohl ganz unter sich zu sein glau-
ben. Das Lokal wird nicht angegeben, es heißt in dem Flugblatt
„Auskunft am Bahnhof". Auf der Tagesordnung steht außer Be-
richt, Aussprache, Neuwahl des Zentralvorstandes, Herausgabe
einer eigenen Zeitschrift, dringende Anfragen und Anträge auch ein
Punkt 4, der lautet: „Sollen noch heute Forderungen vvrgelegt
werben? Welche? D i e M i t t e l, s ie d u r ch z u s etz e
Im Gegensatz zu den offiziösen Verlautbarungen über die
Nichtbeteiligung der Reichswehr an den Bestrebungen des
Frontbundes stehen folgende Absätze des Flugblattes:
Die Gedanken des Frontbundes haben überall in der Reichs-
wehr derartig lebhaften Widerhall gesunden, daß wegen der
überaus zahlreichen Fonnationen, die neu hinzugetreten sind bzw.
ihren Beitritt für diese Tage angekündigt haben, eine aber-
malige Aussprache anberaumt ist. Die Dorstandswahl
soll den Neuen Gelegenheit geben, ihre eigenen Vertreter in die
Leitung des Frontbundes zu bringen.
Vorstand, sowie alle Truppenvertretungen sollen in
dem Verhältnis: 1 Offizier, 1 Unteroffizier, 2 Mann zusammen-
gesetzt sein bzw. 2 Offiziere, 2 Unteroffiziere, 4 Mann usw. Für
grundlegende Beschlüsse und Entscheidungen ist nur die Vollver-
sammlung — wie diese 3. Tagung — zuständig. Sie besteht bisher
aus den gewählten Berufsvertretungen der beigctretsnen Bataillone
(oder entsprechender Formationen). Kopfzahl bleibt frcigestellt.
Stimmen werben pro Kompagnie 1 berechnet. Die erscheinenden
Vertreter muffen daher genau unterrichtet sein, welche Kompagnien
usw. sie mitvertreten dürfen. Bei vielen Behörden, so jii? den
Lanzen Bereich der 7. R.-W.-Brigade, konnte durchgesetzt werden,
baß Reifen zu Frontbundtagungen als Dienstreisen verrechnet
werden.
Wir stellen nochmals ausdrücklich fest, daß durch besonderen
Erlaß des Reichswehrministers die Verwendung, von
dienstlichem Material, Truppengeldern üsw. zur Unterstützung pri-
vater Organisationen ausdrücklichverboten ist. Wir fragen
den Reichswehrminister, was er dagegen zu tum gedenkt, daß dieses
Verbot von der 7. Reichswehrbrigade ganz ungescheutüber-
treten wird. Wenn die Reisen für den FronSbund als Dienst-
reisen verrechnet werden, so heißt das, daß die Organisationskosten
des Frontbundes aus den Geldern der Steuerzahler

Der Schandfleck.
Eine Dorfgeschichte von Ludwig Anzengruber.
(55. Fortsetzung.)
„Na wart nur, schlechtes Menscherl, diesmal war's g'wiß
gelacht."
Worüber sie wohl lachen mag?
16.
„Da sieht man wieder, der alte Reindorfer ist halt gescheit,"
sagten die Leute zu Langendorf, „der hat den Müller jun gen früher
ausgefunden wie keiner, darum hat er ihm sein Mädel nicht gegeben.
Man braucht auch nur zu bedenken, wie dem sein Vater war. Wahr
bleibt doch: Art läßt nicht von Art, und der Apfel fällt nicht weit
vom Stamm."
Dagegen dachte sich der also belobte Reindorfer im stillen seinen
Teil. „Sie bedenkens nicht," meinte er, „baß Art nicht von Art
zu kaffen braucht und doch anders sein kann, pfropf ich einen Wild-
ling, so bleibt er der nämliche und trägt doch bessere Frucht, und,
steht der Baum aus einem Hügel, so kann der Apfel gar weit vom
Stamm rollen. Sprichwörter gelten auch nur von gleichem auf
gleichen Fall und treffen nicht für allemal. Hätten auch hier nicht
«inzutreffen.gebraucht. Schad ists, recht schad!"
Der Florian war aber ein wüster Bursche geworden. Man
hütete Weiber und Mädchen vor ihm, man warnte die Söhne vor
seiner Händelsucht und Rauflust, er war in der ganzen Gegend ge-
fürchtet, und er war stolz darauf.
Einige Liederliche aus dem Orte und der Nachbarschaft, welche
Gefallen an seinem Treiben fanden, gesellten sich ihm zu, und da
er immer auch ihr Aergstes noch zu überbieten wußte, so ordneten
sie sich ihm unbedingt unter.
Wo die Straße in entgegengesetzter Richtung von der Kreis-
stadt das Dorf verließ, stieg sie ziemlich steil die Hügel hinan, und
gerade auf der Höhe, von wo sie wieder talabwärts führt«, stund
»in kleines Wirtshaus, dort versammelte Florian seine Getreuen.
Der Wald rückte knapp bis an die Straße vor, man saß unter
den prächtigen Tannen und hatte einen weiten Ausblick in das
Land. Heute lag die Gegend rings in mildem, heiterem Sonnen-
lichte und zu der heiligen Stille über allem bildet« di« lärmende

gedeckt werden. Das fehlte noch gerade! Wir verlangen, daß gegen
alle Stellen, die-sich einer derartigen Veruntreuung öffent-
licher Gelder schuldig machen, disziplinarisch und straf-
rechtlich eingeschritten wird.


Wollt ihr
einen neuen Krieg,
neue Tote,
neue Krüppel,
neues Elend,
ss Ml dik MM Ilkl MMtzn:
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Ausland.


Das Programm der polnischen Sozialdemokratie.
Warschau, 26. Mai. Hier ist der 17. Kongreß d«r polni-
schen sozialistischen Partei eröffnet worden. Der Eröffnungssitzung
wohnten Vertreter der ukrainischen Sozialisten, der russischen linken
Sozialrevolutionäre und der weiß-ruthenifchen Sozialisten bei. Der
Vertreter der ukrainischen Sozialisten, Nikolai Hankiewicz,
erklärte, daß das Bündnis zwischen Polen und der Ukraine den
ersten Schritt auf dem Wege zum Frieden in Ost-
europa darstell«, dem sich die beiden Länder mit dem Bewußtsein
nähern, daß der gegenwärtige Krieg in der Ukraine nicht ein an-
nerionistisches oder imperialistisches Unternehmen sei, sondern ein
Befreiungskrieg für den Frieden der Völker. 6m Namen
der linken russischen Sozialrevolutionäre begrüßte
deren bekannter Führer Schröder den Kongreß, indem er sich grund-
sätzlich für das Rätesystem, jedoch gegen das von der Bolschewiki
eingeführte terroristische Willkürregime aussprach. „Man kann den
Sozialismus nicht mit Bajonetten pflanzen" — so lauteten seine
Worte.
Der Entwurf d«s neuen Parteiprogramms und die
Frage des Friedens mit Sowj«trußland stehen im
Mittelpunkt der Debatte des Kongreffes, der, obwohl er in manchen
sozialen und wictschaftiichen Fragen eine Radikalisierung des bis-
herigen Parteiprogramms bedeutet, gleichzeitig den Beweis erbringt,
daß die polnische sozialistische Partei ihrem nationalen und pa-
triotischen Standpunkt treu bleibt. „Indem st« auf dem Stand-
punkt der polnischen Unabhängigkeit steht, für die sie während vieler
Jahre gekämpft hat, kämpft die polnische sozialistische Partei
heute für die Vereinigung der polnischen Gebiete
und unterstützt die Unabhängigkeit der von dem Joch des russischen
Imperalismus befreiten Völker" — so beginnt der internationale
Fragen behandelnde Teil des neuen Parteiprogramms, der sich fer-
ner für den Völkerbund unter Beseitigung der Hegemonie der Groß-
mächte, gegen jegliche Eeheimverträge und für das Selbstbestim-
mungsrecht der Völker ausfpricht. In der innern Politik fordert
das Programm das Einkammersystem, di« unmittel-
bare Volkslegislativ« in Form der Initiative und
des Referendums, Autonomie für kompakte Gebiete bewoh-
nende nationale Minderheiten, Ersetzung der Arme« durch eine
Volksmiliz und allgemeine Bewaffnung der Bürger, Gleichberech-
tigung aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechtes, der
Konfession und der Nationalität.

Zcchgenvssenschast unter den Bäumen, die leise ihre Wipfel schüttel-
ttn, einen argen Gegensatz.
„Ihr seid nur liederlich," schrie Florian, „weil ihr gesund und
dabei faul seid und nicht wißt, was ihr anfangen sollt, damit euch
die Zeit auch ohne Arbeit vergeht. Sieben Dirnen zu gleicher Zeil
"--.Zeigen, euch vom Bauer ausjagen lassen, wo gar keine Bäuerin
->,u euch denkt, das haltet ihr schon für einen Kapitalspaßi mich freuts
nur, wo eine Teufelei dabei ist. Einem Bauer -eigen, daß er auf
seiner goldigen Nuß, die er jahrelang bis auf den Kern zu kennen
meint, nur Flimmer klebt und daß sie taub ist, — früher als der
rechte Bub bei einer Dirn einsteigen und ihm Tag darauf, wenn
er muckt, noch obendrein die Knochen -erschlagen, das ist so meine
UrsterhaMchkeit!"
Bon den sechs Burschen, die mit Florian um den Tisch saßen,
waren fünf fast noch jünger wie er; man sah ihnen an, daß sie nur
mit dem Gefürchteten umgingen, weil sie glaubten, durch di« Schrek-
ken, die ihn umgaben, auch für ihre Person gefeit -u sein, und ge-
wiß waren, einiges Aufsehen zu erregen, wenn man sie immer, aus
tausend und keinem Anlaß, an feiner Seite sah. Diese schwiegen
stille und begnügten sich, ihm beifällig -uzunicken, nur einer wagte
jein Weinkrüglein unternehmend anzufassen und damit an das seines
Vorbildes anzustvßen.
Der sechste war ein älterer, riesenhaft gebauter Mensch, seines
Zeichens ein Kohlenbrenner, er war offenbar dem von der Mühle
im Wasser-Graben herstammenden jungen Apostel der Liederlichleit
nicht vom brennenden Kohlenmeiler weg gefolgt, für ihn hatte dessen
Botschaft wohl lange vorher schon bestanden und er hiest sich nur
zu ihm als zu einem Gleichgesinnten, diese Stellung und seine Jahre
erlaubten ihm schon, sich etwas „hcrauszunehmen". Er tat einen
langen Trunk und sagte:
„So hat ein jeder sein eigenes gemütliches Wesen an sich. Aber
eins hab ich dir schon lange sagen wollen, schau, Flori, ich mein« es
dir gut, ich weiß doch gewiß auch, was einer mitmachen kann, aber
das soll ein jeder dabei recht bedenken, wie weit er ausreichk. Du
bist ein Teufelskerl, da ist nichts zu reden, schon gar nichts; im
Ringen hast du deinen Vorteil, du hast mich untergekriegt, das will
was heißen! Wenn es dir ansteht, so säufst du di« Mannleut' un-
tern Tisch uyd schwätzest die Weibsbilder um ihr Nein bissel Ber-

Der weiße Terror in Ungarn.
Eine Erklärung «nglischer Arbeitervertreter.
Wien, 30. Mai. Ein Regierungsblatt meldet, daß britische
Arbeitervertreter erklärt haben, in Ungarn gäbe es keinen weißen
Terror. Die Delegierten Harris, Iowett, Wegwood, Williams,
Stuart und Bunnung geben folgende Erklärung ab: Die Presse-
meldung, daß die britischen Delegierten ihre Arbeiten abgeschlossen
und erklärt h-abeis, es gebe keinen weißen Terror in
Ungarn, ist erlogen. Im Hinblick auf das erlangte Matenas
wäre es der Delegation unmöglich, die ihr zugeschricbene Meinung
auszusprechen. Die Solidarität der britischen und ungarischen Ar-
beiterklasse ist durch die Neiseerfahrungen erstarkt. Die Delegation
wünscht vor ihrer Abreise, den leidenden ungarischen Arbeitern die
Sympathien der britischen Arbeiterschaft auszusprechen. Ein aus-
führlicher Bericht wird erst in London gegeben werden. Die Dele-
gation fordert telegraphisch die Intervention der Labour
Party, weil all« die, die der britischen Delegation Material ge-
liefert, sich beklagt oder erwartet haben, von den Offizierterroristcn
eingesperrt zu werden. Es find bisher m e h r als 80 Perso-
nen eingesperrt worden. Harris erklärte, es müsse sofort
zur Bekämpfung der Entmutiauns durch diese neuen Verfolgungen
geschritten werden. Ferner erklärte er, er studierte den ryten Terror
in Rußland und findet den weißen Terror Ungarns
viel schlimmer. Nach persönlichen Erfahrungen meinte Weg-
wood auf die Frage eines Korrespondenten, ob die Beziehung des
englischen Weißbuches über den Terror richtig sei, er möchte nicht
Jude, Bauer oder Arbeiter in Ungarn sein, es gebe hier einen
blindwütigen weißen Terror. Der Korrespondent
meinte, Wegwood hätte als Jude ober als Arbeiter verkleidet in ein
öffentliches Lokal, wo Offiziere verkehren, gehen sollen, dann könnte
er vielleicht mehr vom Terror erzählen. Wegwood meinte darauf,
daß er dann überhaupt keine Gelegenheit mehr hätte, je im Leben
mit jemanden zu sprechen. Die Delegation trifft Dienstag abend
in London ein. Sie schlägt vor, das Exekutivkomitee der Labour
Party in der ungarischen Angelegenheit einzuberufen.

Soziale Rundschau.
Erne Ausschußsitzung der Allgemeinen Ortskrankenkasse für den
Amtsbezirk Heidelberg. Am letzten Maisonntag hielt die Kasse im
Gartensaale der „Harmonie" eine A u s s ch u ß s i tz u n g ab. Auf
der Tagesordnung befanden sich drei Gegenstände. Seit der letzten
Sitzung sind «ine Anzahl Verordnungen und Gesetze erlassen worden,
die einen wesentlichen Nachtrag zur Kassensahung erforderlich mach-
ten. Vor allem war dies durch die Verordnung vom 30. 4. lf. I.
geboten, durch welche der Grundlohn von 10 auf 30 Mk. erhöht
und die Vevsicherungspflicht für Kaufleute, Werkmeister, Techniker
üsw. bis zu einem Jahreseinkommen bis zu 15 OVO Mk., seither 5000
Mk., ausgesprochen worden ist. Die Verordnung setzt die Kasse
nunmehr in die Lage, den Versicherten per.Tag 15 Mk. Kranken-
geld als Pflichtleistung -u gewähren und trägt einem Begehren
Rechnung, das schon öfters der Rcichsregierung gegenüber aus-
gesprochen worden ist. Auch die neuen Bestimmungen über Wochen-
hilfe muffen in der Kaffensahung zur Darstellung gelangen. Seit
1. Oktober 1919 haben nämlich auch die Ehefrauen sowie solche
Töchter, Stieß und Pflegetöchter der Mitglieder, welche mit diesen
in häuslicher Gemeinschaft leben, Anspruch auf ein« wesentliche
Wochensürsorge. Am dies« Leistungen durchführen zu können, sind
die Kaffen nun auch zu einem Beittagseinzug ms zu 10 Prozent be-
rechtigt. Die Vorlage des Vorstandes sieht einen solchen von 7 Proz.
vom Grundlohn vor und glaubt mit demselben durchkommen zu
können. An Hand der gesetzlichen Vorschriften wurde die Vorlage
von dem Geschäftsführer der Kasse noch weiter erläutert und schließ-
lich von den Arbeitnehmern und Arbeitgebervertretern einmütig
angenommen (siehe heutige Bekanntmachung des Kassenvorstandes).
Die neuen Bestimmungen setzten die Kass« nunmehr auch in die
Lage, bei Heilmitteln, wie Bandagen, Binden, P!attfuß«in!agen,
Zahnersatz usw. einen Zuschuß bis zu 50 Mk., seither 20 Mk. ge-
währen zu kön nen.
Der zweite Punkt der Beratung, bezog sich auf di« Aerzte-
frage. Soweit sie noch nicht in d«r Tagespreise erörtert worden
ist, gab der Kassenvorsitzende, Herr Karl Schneider, die nötigen
Aufklärungen. Nach 8 370 der R.V.O. kann die Kaffe an Stelle
der Krankenpflege (Arzt und Arzneien) den Kassenangehörigen eine
Barleistung gewähren und sie hat die Ermächtigung hierzu bereits
von dem Obervcrsicherungsamte erhalten. Wie Herr Schneider
betonte, soll diese Barabfmdung vorerst nicht in Vollzug gesetzt wer-
edn, da zu erwarten ist, daß die zurzeit in Berlin stattfmd«nden
EinigungsvevHandlungen wohl ein befriedigendes Resultat zeitigen
werden.
Bei Punkt 3 erstattete Herr Christian Heckmann namens
des Rechnungsprüfungsausschusses Bericht Mer die Prüfung zweier
. Iahresrechnungen. Die Revision wurde von einem Obcrrevisor der
Aussichtsbehörde vorgenommen und gab zu Ausstellungen oder. An-
ordnungen keinen Anlaß, weshalb dem Vorftad wie der Verwaltung
einmütig Entlastung erteilt werden konnte. Hierauf schloß her Aus-
schuß-Vorsitzende, Herr Schuhmachermeistcr Friedrich Helffrich, die
Sitzung, die nach zweistündiger Beratung unter Donnern und Blitzen
einen sachlichen Verlauf nahm.

stand, alles recht, aber wenn man's nur auch treibt wie «in ordent-
licher Mensch, aber du Lust hei allem nicht anders wie ein wildes
Vieh. Schau nur, zum Beispiel beim Raufen, wie tust du da?
Unsereines erhitzt sich dabei nicht mehr als notwendig ist und wartet
auf seinen Vorteil, gewinnt man den und drückt seinen Widerpart
so sauber nach einer Seite, wo er nimm«r schaden kann, dann lacht
«inem ja erst das Herz im Leibe, wenn man ihn so hat und hält und
haut, solang es angeht, in aller Gemütlichkeit; aber du tust ja gleich
vom Anfang, als würd'st es versäumen, du paßt nichts ab, du schaust
gleich aus, als möchten dir die Stirnabern springen, und wenn du
endlich obenauf bist, kannst du dem andern gar nichts mehr antun,
mußt selbst gleich ablassen und verdirbst dir ganze Freud'. So ist's
auch beim Trinken, du hälft keine Zeit ein von Trunk zu Trunk, b«:
dir muß's wie auf der Extrapost gehen, und hast du dir eine Lieb-
schaft in den Kops gesetzt, da weißt du gar nicht mehr aus vor Lei-
denschaftlichkeit und Üebereile. Ich sag' dir, das tauge eben alle-
nichts, du schaust auch gar nicht gesund dabei aus, mir geschäh
leid um dich, aber glaub mir, wenn du es so forttreibst, so machst
du es nimmer lang mit!" ,
(Fortsetzung folgt.)

Theater, Kunst und Wissenschaft,
Das dritte Konzert des Rose-Quartetts.
Zum ersten Male setzte man dem breiten Heidelberger Publikum
Schönberg-Musik vor: das (bereits besprochene) O-mvll-Quartett. Und
siehe da, es löste Begeisterung aus. Mancher klagte am folgenden Tag
über Kopfschmerzen: eine Folge ungewohnter seelischer Anstrengung. Aber
— und das ist die Hauptsache — man scheute die Anstrengung nicht. Man
überwand, was sich dem verbildeten Menschen unserer Zeit entgegenstellte:
die neue Form und — vielleicht — di« ungewohnte Länge, verursacht
durch die Zusammenschmelzung der traditionellen Ouartettsätze zu einein
einzigen Satz. Dadurch hatte man das Gefühl innerer Atembeklemmung,
die dann am größten ist, wenn die Seelenspannung sich ins Unermeßliche
steigert und steigert — bis zu den verschiedenen Höhepunkten: den be-
freienden Katastrophen. Aber was man da erleben durfte, das war Un-
aussprechliches, stark konzentriert. Sv vielsagend, daß dieses Werk selbst
der durstigsten Seele genügend Speise geboten hätte. Das Mozart Cs-
bur und das Beethoven-Quartett konnte man nicht anders hinnehmen als
Rahmen, der jene gewaltige Expression zusammenhalten sollte, der üd«r°
 
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