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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 171 - Nr. 180 (27. Juli - 6. August)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppinger», Sbervach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberr
Tauberbischofsheim und WerLheim.

S<,uLsprei-: Monatlich einschl. TrSgerlohn Ml. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) SO pfg., Reklame-Anzeigen
(H3 mm breit) 2.20 Ml. Lei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
ÄeKMsstunden: 8 - y,6 ilhr. Sprechstunden der Redaktion: 11 - 22 Uhr.
p«stsch«ckkonto Kartsruhe Nr. 22Z77. Tei.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Dienstag, 27. Juli 1920
Nr. 171 » 2. Jahrgang

Derantwortl.: Aürinnereu. SußerepoMik,Dolk-wIrtschastu. Feuilleton: Dr.
G.Krau«: für Kommunales u. sozial« Rundschau: I.Kahn, fürLokaleSr
> a ^ > für die Anzeigen: H. Hoffm uan, sämtl. in Heidelberg
Druck und Verlag der llaterbadiichen VerlazSanstalt G. m.b.H., Heidelberg
Geschäftsstelle: SchrSderstraße ZS.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 267Z, Redaktion 2S48. ,

Der Krieg im Osten.
Der Treffpunkt der Unterhändler.
Die russische Aufforderung.
Wien, 26. Juli. (Priv.-Tel.) Nach einem Telegramm
aus Moskau hat die russische oberste Heeresleitung in
einem Funkspruch das polnische Oberkommando aufgefordert,
am 30. Juli, abends 8 Uhr auf der Straße Barano-
witschi-Bre ft-Litowsk unter weißer Flagge sei ne
Unterhändler für den Waffenstillstand den Roten
Vorhuten entgegenzusenden.
Das russische Ziel.
Ungestörte Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland.
Danziger Frage.
Wien, 26. Juli. (Priv.-Tel.) Ter neue russische
Bevollmächtigte in Wien, Bronski-Warczawski, hat
dem Pressevertreter gegenüber erklärt: Ich zweifle nicht
daran, daß es zur Aufnahme von Verhandlungen zwischen
Moskau und Warschau kommen wird, denn unser Vor-
marsch gegen Polen ist uns nur durch den polnischen An-
griff aufgezwungen worden und es wäre uns selbst im
höchsten Grade unerwünscht, in Warschau einmarschieren
zu müssen, da wir keineswegs die Absicht haben, als
Eroberer in Polen zu erscheinen. Die Möglichkeit eines
Friedensschlusses zwischen den beiden Völkern ist gewiß
gegeben. Sowjetrußland kann Polen mehr bieten, ms es
von irgendeiner russischen Regierung zu erwarten hätte
oder als ihm die Entente zugestehen will, denn für den
Frieden, den wir mit Polen schließen wollen, werden
ausschließlich die Interessen des polnischen und
des russischen Volkes maßgebend sein. Wir haben
natürlich nicht die Absicht, jenen Tanz aufzuführen, den
man in Brest-Litowsk auf der Leiche Rußlands getanzt
hat und es ist eine lächerliche Verleumdung, wenn
man behauptet, daß wir die gemeinsame Grenze mit
Deutschland fordern. Wohl aber wird eine unserer
ersten Bedingungen die Forderung nach dem völligen und
uneingeschränkten Wirtschaftsverkehr mit dem Westen und
vor allem mit Deutschland bilden. Unter den Planen der
polnischen und französischen Imperialisten, Rußland und
Deutschland auch wirtschaftlich zu trennen, werden wir
gründlich aufräumen müssen, denn der uneingeschränkte
Wirtschaftsverkehr mit Deutschland bildet ein Lebensinteresse
des deutschen und des russischen Volkes, das in vollkommener
Übereinstimmung mit den Interessen des polnischen Volkes
selbst steht. Auch die Frage von Danzig spielt in diesem
Zusammenhang eine große Rolle. Wenn den Verhand-
lungen ausschließlich die Interessen der Beteiligten zugrunde
liegen und alle imperialistischen Tendenzen ausgeschlossen
sind, dann wird es auch zum Frieden zwischen Polen und
Sowjet-Rußland kommen.
Die Sowjet-Antwort an England.
XVK. Paris, 26. Juli. (Drahtmeldung). Nach einer
Daily-Meldung aus London hat die Sowjetregierung der
englischen Regierung die Mitteilung zukommen lassen, daß
sie bereit ist, über den Friedensvertrag mit Polen in London
zu verhandeln. Sie macht aber zur Bedingung, daß sich
General Wrangel vorher der Sowjetregierung ergibt.
Persönliche Sicherheit wird dem General zugestchert. In
der Note wird erklärt, daß die Sowjetregierung erstaunt
sei, daß die englische Regierung die Diskussion über die
Handelsbeziehungen unterbrochen habe.
Die deutsche Neutralität.
Verhinderung eines verdächtigen Transportes.
Marburg, a. Lahn, 26. Juli. Hier traf gestern
nachmittag, wie die „Hessische Lanosszeitung" meldet, von
, Gießen kommend, ein polnischer Transportzug ein. Im
Zuge «befanden sich fremde Offiziere mit Frauen und Kindern,
sowie einige Waggons mit Gewehren und Munition. Schon
m Gießen hatte sich das Bahnpersonal geweigert, den Zug
Weiterzuleiten. Auf dem Marburger Bahnhof fand sich auf
die Kunde von seinem Eintreffen eine große Menschenmenge
ein, die gegen den Weitertransport protestierte. Eine Anzahl
Wagen wurden aufgerissen, die darin befindlichen Gewehre
herausgeholt und zerschlagen. Der Zug verbleibt bis zum
Eintreffen einer Nachricht von der Reichsregierung auf einer
Station in der Nähe Marburgs.

Aus dem Parteileben.
Das 8. Parteiblatt in Baden. Die „Freie Presse" in Pforz-
heim, die seit 1907 als sog. Kopfblatt des Karlsruher „Volksfreund"
erschien, ist am Samstag zum erstenmal in neuem Gewände und
größerem Format in eigener Druckerei erschienen. Als Redakteure
zeichMn für Pvlirik, Volkswirtschaft und Feuilleton Alwin Reuß-
Mann aus Kastel, und für den Pforzheimer Teil Fr. Schübe-
l i n. Wir wünschen unserem neuen Kampfgenossen eine recht gute
Aufwärtsentwicklung.

Spa im Reichstag.
10. Sitzung
Eröffnung 51t Uhr nachmittags.
Präsident Löb« gedenkt des Abstimnrungseraebnistes in Ostpreußen.
Em Stotz und ein Trost für Uns! Wir können jetzt der Abstimmung in
Oberjchtesien in Ruhe entgcgmsehen. Di« Abstimmung «rsültt uns auch
mit der Hoffnung, daß auch die anderen uns aufertegten Latten des Der-
sattle- Friedensvertrags wicder gutgemacht werden. Freilich nicht mit
Gewalt, sondern aus der Macht des Rechts. (Allseitiger Beifall.)
Der erste Punk! dr.- Tagesordnung (West des Präsidcr'en und
Vizepräsidenten) wird - T, den Anträgen Burlage (Ztr.) und Müller«
Franken (Svz.) durch Zuruf erledigt.
Der bisherige Präsident und der Vizepräsident werden wiedergewählt.
Reichskanzler Fehrenbach
erstattet sodann Bericht über Spa und dankt dem Minister des Acußeren
Dr. Simons für die geleistet« Arbeit. Di« Verhandlungen hätten sich
nicht zwischen gleichen Parteien vollzogen, sondern den Charakter eines
u t t i m a l u m a rt i gen Diktats getragen. Zweimal standen wir
vor der Frage des Abbruchs der Verhandlungen. Wir haben uns schließ-
lich gefügt, aber sowohl bei der Entwaffnungsfrage wie bei der Kohlen-
frage unseren Standpunkt gewahrt. Gegen den Einmarsch gibt es nur
«in Mittel: die eingcgangenen Verpflichtungen so sorgfältig wie möglich
zu erfüllen. Auch in der Entwaffnung unseres Volkes müssen wir oen
Wünschen der Entente entsprechen, um das Mißtrauen zu beseitigen.
Fehrcnbach warnt daher vor etwaigen Putschen oder Unruhen, die jetzt
gerade ein Verbrechen an drr Nation sei«n. In den nächsten Tagen
wende eine entsprechende Gesetzesvorlage dem Hause zugehen. Auch in
der Kohlenfrage sind viel« Sachverständige der Ansicht, daß die uns
auferlegten Lasten unmöglich seien. Aber in der Gefahr greife man zu
dem letzten Mittel, um das größte Unglück zu vermeiden. Er gedenkt der
Bergarbeiter für ihr« vaterländische Kundgebung, daß sie dieLast auf
sich nähmen; desgleichen auch den Transportarbeitern, die dem Rcichs-
wirtschüftsrat «ine ähnliche Erklärung der Bereitwilligkeit abgegeben
haben.
Minister des Aeußeren Dr. Simons
verweist zur Unterstützung seiner Ausführungen auf die vom Auswärtigen
Am! herausgegeben« Denkschrift, die namentlich zur Entwaffnungsfrage
und zur KMenfragr genaue Unterlagen gibt und auch die Stellungnahme
dc- Luc'Pr.stündige:, euch all, namentlich die Ausführungen oer Herren
Hue und Stinnes. Er dankt im Namen des Kabinetts allen Sachverstän-
digen für ihre hingebende Tätigkeit. Für die Ergebnisse von Spa aber
tragen die Minister gemeinsam die Verantwortung und harren des Urteils
des Hauses. Daß unsere Gegner den Friedensoertrag von Versailles
außerordentlich ernst nehmen, ist «uns in Spa klar geworden. Da heißt es
nicht immer von einem Schmachfrieden zu reden, sondern die Zähne zu-
sammenbeihen und ihn durchzuführcn versuchen. Der Friede entspricht«
weder dem Waffenstillstand noch dem Völkerrecht. Die Alliierten wür-
den den Einmarsch ins Ruhrgebiet als einen Sprung ins Dunkle nur
ehr ung«rn vorgenommcn haben, aber sie würden es trotzdem getan
sahen, wie mir Graf Sforza selbst sagte. Was dann bei der «in-
etzenden Sabotage geschehen wäre, läßt sich nicht ausdenken. Ich freue
mich, jetzt in dem Botschafter Laurent einen Mann nach Berlin be-
kommen zu haben, der die wirtschaftlichen Beziehungen zu Frankreich
wieder ausbauen will. Redner kommt dann auf die Flaggenangelegen-
heit zu sprechen. Die französisch« Botschaft habe das Auswärtige Amt
von der bevorstehend«« Feier verständigt Wir waren im Unrecht und
mußten für den Streich eines Toren Genugtuung geben, genau so, wie
wir in vielen Fällen es für uns v«rlcmgt haben. Gegen die französische
Gesandtschaft in München habe er bereits protestiert, aber Herr Darb
habe den bayerischen Ministerpräsidenten wie Ziethen aus dem Busch
überrumpelt. Bayern werde natürlich leinen Glaubten nach Paris ent«
senden. Was die
Verhaftung Dr. Dortens
anlangt, so habe er kein Verständnis für derartige eigenmächtige Hand-
lungen einzelner Reichsstellen. Es liege im übrigen hier ein Verstoß
gegen das Völkerrecht vor. Dr. Dorten sei bereits wieder auf dem
Wege nach Wiesbaden. In der Kohlrnfrage habe Lloyd George
zu unseren Gunsten eingegriffen, Er habe dabei aber sicher nicht an
unseren Vorteil gedacht, aber er habe einen offenen Mick und er
wolle ihm wünschen, da er jetzt erkrankt sein soll, daß er bald wiederher-
gestellt sein möge. Mit Italien weiden sich unsere Beziehungen bald
wieder einrenken, da wir viele gemeinsame Interessen haben. Mit Ame-
rika befinden wir uns immer noch im Kriegszustand. Ein Ende sei
vor März nächsten Jahres nicht abzusehen. Dafür aber hätten drüben
humanitäre Bestrebungen eingesetzt, für die wir herzlichst danken. Er
geht sodann zu einer Schilderung des Verlaufs der Konferenz über und
legt dar, wie allmählich an Stelle des bloßen Diktates sich die Möglich-
keit von Verhandlungen ergeben hatten, was namentiich bei der Abände-
rung der Sicherheitspolizei zutage getreten fei. Bei der Entwaffnungs-
frage sei die Entente unbeugsam geblieben, trotz drohenden Verwicklungen
im Osten. Mr wollen im russisch-polnischen Krieg neutral bleiben, trotz-
dem uns der Vertrag von Versailles dies sehr erschwert. Man macht es
uns zum Vorwurf, daß wir die Lowjetregierung anerkennen würden.
Mi haben dies aber schon beim Frirbensschiuß von Brest-Litowsk getan.
Er sehe aber auch nichts Schlimmes in der Sowjetregierung. Es werde
dort eine rege Ausbautätigkeit getrieben, di« uns vielfach als Muster
dienen könne. (Beifall. Zuruf: Gelt, das habt ihr nicht erwartet?) Nun
sagt man uns nach, daß wir uns Rußland ganz in die Arme werfen soll-
ten, um den Versailler Verpflichtungen zu entgehen. Dies liegt uns
gänzlich fern. Wenn Polen ein Scheidestein zwischen Deutschland und
Rußland bilden tvvlle, so hab« es eine dunkle Zukunft, wolle es aber eine
Brücke bilden, so lei dies sehr zu begrüßen. Deutschland habe nichts
gegen Polen. Er kommt sodann aus
Bela Khun
zu sprechen. Nachdem das Auswärtige Amt Kenntnis von der Anwesen-
heit Bela Khuns erhalten hatte, mußie es, ebenso liberal wie die Entente
gegenüber Ungarn, eingreifen und ihn und seine Kollegen festnehmen.
Solange sich die Festgenommenen bei uns befinden, wird ihnen nichts
geschehen. Stellt es sich heraus, daß Bela Khun nur «in politischer Ver-
brecher ist, wird er dorthin gebracht werben, wohin er zu gehen wünscht.
Im anderen Falle werden wir ihn ausliefern müssen. Der Minister be-
spricht dann die Verhandlungen im Reichswirtschaftsrat. Er verliest die
dort eingebrachte Resolution und appelliert an bas Haus, die Forderun-
gen zu unterstützen. Redner schließt mit einem Ausblick auf die Konferenz
in Genf, wo zwischen unserer Leistungsfähigkeit und den Besorgnissen
Frankreichs di« Milte gezogen werden müsse. Er appelliert an das Haus,
der Regierung das gleiche Vertrauen zu schenken, wie auf der Konferenz
in Spa.
Die Konferenz wird auf morgen vertagt
Nächste Sitzung morgen mittag 2 Uhr.

Ausbau der Demokratie.
Landtagswahl und Volksabstimmung.
Die deutsch« Demokratie ist aus dem Marsche. So schwer ihr
auch der Weg gemacht wird und so sehr st» von Gefahren von alle»
Seiten umstellt ist, geht sie, wenn auch langsam und oftmals mit
Wunden bedeckt, ihren Weg. Stetig fügt sich ein Stein zum andern,
um die Demokratie im Volksbewußtsein zu verankern und sie all«
mählich in dir Poren der GHetzesmaschinerie htneindringen zu las-
sm. So hat jetzt der Badische Landtag, der als erstes deut-
sches Land seinem Lande eine neue Verfassung gab, wieder einen
Schritt gemacht, der di« Grundlinien der Verfassung der Verwirk-
lichung entgegenöringt. In Verbindung mit der Einteilung de»
Landlagswahlkreise hat der Unterausschuß des Verfassungsausschuf-
ses des Badischen Landtages nunmehr den Gesetzentwurf
ausgearbeitet, der die in der Verfassung festgelegte VolksIni -
tiative und das Volksreferendum der praktischen Ber»
wirüichung entgegenführt. Der VerfasiungsauHchuß hat dem Ent-
wurf einstimmig seine Zustimmung gegeben, — der Gesetzentwurf —
der teilweise allerdings nur ein provisorischer ist, da noch mancher-
lei Bestimmungen der Reichsgesehgrbung erst in die badische Ber-
safsung hinemgearbeitet werden müssen — ist am 22. ds Mts. vom
Landtag einstimmig angenommen worden, —womit bas Volk ein«
der höchsten demokratischen Errungenschaften griffbereit in die Hand
bekommt, von der allzeit durchwM, es mit dem hohe« Verant-
wortungsgefühl Gebrauch machen möge, das die Bedeutung
von Volksvorschlagsrecht und Volksabstimmung seinen Trägern
auferlegt.
Der vom Berichterstatter des Verfassungsausschusfee Äbg.
Wi 11 emann mit einer eingehenden Begründung versehene Ge-
setzentwurs zerfällt in 4 Teile.
Der erste Teil befaßt si chin der Hauptsache mit dem Land-
tagswahlgesetz. Mir die Landtagswahl wir- das Land in
sieben Wahlkreise eingeteilt. Es umfaßt der Wahlkreis 1
die Kreise Konstanz und Villingen, Der Wahlkreis H die Kreis«
Walbshnt und Lörrach, der Wahlkreis III den Kreis Freiburg, der
Wahlkreis lV di« Kreise Offenburg und Baden, der Wahlkreis V
den Kreis Karlsruhe, der Wahlkreis Vl den Kreis Mannheim, der
Wahlkreis VIl die Kreise Heidelberg, und Mosbach.
Wahlkreisverbände werden nicht gebildet. Die In den sieben Wahl-
kreisen unberückfichtigt gebliebenen Stimmen sind den Landeswahl-
vorschläzen zuzurechnen. Stimmberechtigt bei den Wahlen
zum Landtag , beim Volksvorfchlaegrecht und bei der Volksabstim-
mung sind alle zur Reichstagvwahl berechtigten Reichsdeutschen
ohne Unterschied des Geschlechts, die im Lande ihren Wohnort ha-
ben, einschließlich die Soldaten. Beamte und Arbeiter außerhalb
Badens sowie die Angehörigen ihres Hausstandes sin-
stimmberechtigt, wenn sie die badische Staatsangehörigkeit besitze»
und im übrigen die Voraussetzungen des Gesetzes bei ihnen Verlie-
sen.
Der zweite Teil regelt das Volksvorschlagsrschr
Auf dem Wegs des Volksvorschlagsrechts kann jederzeit von 8V 000
Stimmberechtigten die Erlassung, Abänderung oder Auf-
hebung eines Gesetzes einschließlich der Verfassungsgesetze begehrt
werden. Das Verlangen kann nur gestellt werden in Form eines
ausgearbeiteten Gesetzentwurfes, der zu begründen ist.
Der Entwurf mit Begründung muß in jedem Landtagswahlkreis in
einem der daselbst erscheinenden Tagesblätter von den Antragstel-
lern bekanntgegeben werden. Die Gemeinden sind verpflichtet, di«
vorschriftsmäßigen Unterzeichnungslisten, die ihnen die Beteiligten
übergeben, während der üblichen Amtsstunden zum eigenhändigen
schriftlichen Eintrag der Unterstühungserklärung durch die Stimm-
berechtigten bereitzuhalten. Vor jeder Unterschrift ist zu prüfen, ob
ber Unterzeichnende in der Gemeinde stimmberechtigt ist. Für das
Stimmrecht sind die Einträge in der zuletzt benützten Wählerliste
oder Wahlpartei maßgebend. Wer darin nicht eingetragen ist, hat
jein Stimmrecht vor der Unterzeichnung der Liste nachzuweisen.
Die ersten zehn Unterzeichner auf der als solche zu bezeichnenden
Urschrift des Volksbegehrens gelten als die Beauftragten aller üb-
rigen Mitunterzeichner und haben alle mit dem Volksbegehren zu-
sammenhängenden Geschäfte sowie die Vertretung gegenüber den
Behörden zu besorgen. Jeder Unterschristsbogen muß -en Amts-
bezirk urch die Gemeinde nennen, aus welcher die Unterschriften
stammen und am Schlüsse die Beurkundung der Gemeindebehörde
euch alten, daß die Unterzeichner in -er Gemeinde stimmberechtigt
sind. Wenn verlangt wird, daß der Landtag einberusen oder auf-
gelöst wird, mutz dies auf der Urschrift und den Abdrucken des Be-
gehrens angeoeben tverden. Dieses Verlangen ist unbeachtlich,
wenn die Landtagsperiode vor Maus der für die Einberufung des
Landtages oder die Vornahme der Volksabstimmung über die Auf-
lösung vorgeschriebenen Frist von einem Monat ihr Ende erreicht
oder die Einberufung durch das Staatsministerium infolge des Zu-
sammentritts Kes Landtags kraft eigenen Beschlüsse oder die Einbe-
rufung durch den Präsidenten entbehrlich wird. Aus Einkunft des
Gesetzesvorjchlags oder des Begehrens der Volksabstimmung über
ein vom Landtag angenommenes Gesetz oder des Verlangens nach
Einberufung oder Auflösung des Landtags mit den vorgeschriebenen
Belegen hat der Landtag oder das Staatsministerium alsbald zu
prüfen, ob die in der Verfassung und in diesem Gesetz vorgesehenen
Vorschriften beachtet sind, und festzustellen, wie viel gül-
tige und wie viel ungültige Unterschriften beigebracht wurden. Liegt
hiernach ein gesetzmäßiges Volksbegehren vor, so ist dies in öf-
fentlicher Sitzung des Landtages oder vom Staat s-
ministerium in der „Karlsruher Zeitung" unter Beifügung
der hierauf getroffenen Entschließung bekannt zu geben. Ein
Begehren, bei dem die verfassungsmäßigen Voraus-
setzungen fehlen, ist abzulehnen. Die Ablehnung ist
den Beauftragten und, wenn sie durch das Staatsministerium er-
folgt, auch dem Landtag bekannt zu geben. Lehnt der Landtag einen
mittels des Volksvvrschlagsrechts begehrten Gesetzentwurf ab, so yt
 
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