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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Deiters, Heinrich: Zum 50jährigen Jubiläum der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft
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Die Werkstatt der Kunst

sseäakteur: Hemrick Stemback.

VI. Jakrg. Hekt 2. 8. Okt. 1906.

In diesem ^eUe unserer Leitscki-Ut erteilen wir jedem Rü nstler dLS freie Mort. Mir sorgen dssür, das tuniickst keinerlei
Angriff« auf Personen ocler Senossenscksften sbgedruckl werden, okne dass vorder der Angegriffene die MSglickkeit gekabl
Kälte, in clernselben IZeste zu erwidern. Oie Redaktion kält sied vollständig unparteiisdr und gibt durck den Albdruck keineswegs
- - eine Nebereinstinirnung niit den auf diese Meis« vorgetrsgenen Meinungen zu erkennen. - .—

Tum Zojäkrigen Jubiläum
äer Allgemeinen Deutschen Runstgenossensckast?)
voll Heinrich Deiters, Maler in Düsseldorf.

Zn diesem Zahre vollendet sich ein halbes Jahr-
hundert, seitdem die Allgemeine Deutsche Kunstge-
nossenschaft ins Leben trat. Düsseldorf fällt das
Verdienst zu, die Anregung gegeben zu haben, das-
jenige auf idealem Gebiete zu versuchen, was auf
dein politischen lisch versagt blieb: die Einigung der
Deutschen. Daß es ihnen gelang, beruhte einesteils
auf dem idealen Zuge der Zeit, dem Drange der
Nation, andererseits aber auf den praktischen Ge-
sichtspunkten, welche sich den deutschen Künstlern er-
öffneten, wenn sie in geschlossener Masse im Lande
auftreten konnten.
Der 28., 29. und 30. September des Jahres
s856 waren die Tage, an welchen die von der
Düsseldorfer Künstlerschaft zusammenberufene, allge-
meine deutsche Künstlerversammlung zu Bingen
tagte und wo man sich bewußt wurde, was die
Einheit Deutschlands für die Kunst bedeute, und
andererseits, was die Einigung aller deutschen Künst-
ler für die Einheit des deutschen Vaterlandes be-
deuten könne. Diese Annäherung der deutschen Künst-
ler aus Gst und West und Süd und Nord hat in
den nachfolgenden Zähren die deutsche Kunst und
mit ihr die deutsche Sache im Zn- und Auslande
zu Ehren gebracht. Unter dem Drucke, welcher die
Einheits- und Freiheitsideen des Zahres f8H8 zeit-
weise niedergeworfen hatte, lag die Nation in tiefstem
Schweigeil, und es gehörte ein gewisser Mut dazu,
in einer Versammlung öffentlich zu proklamieren:
„was uns die politischen Verhältnisse nicht zu bieten
vermögen, das wollen wir auf idealem Gebiete zu
erringen suchen." was daraus werden würde, konnte
unter den Verhältnissen des Zahres s836 niemand
voraussehen. Es lag eine Aehnlichkeit der Verhält-
nisse vor, unter denen Lorenz Oken im Zahre s822
die Versammlungen der Naturforscher und Aerzte
ins Leben gerufen hatte, um in gemeinsamem Wirken
die Befreiung der Wissenschaft von dem Drucke der
Zeitverhältnisse herbeizuführen. Die in Bingen ver-
sammelten Künstler dachten wohl nicht mehr an die
Unbilden, welchen der politisch so gemäßigte Gken
durch sein offenes Auftreten ausgesetzt war. Trotz-
ki Die „Kölnische Zeitung" erwarb sich das Ver-
dienst, mit diesem Aufsatz auch das große Publikum bekannt
zu machen. Die Schriftleitung.

dem ging durch den Beginn der Versammlung ein
Gefühl der Aengstlichkeit, politisch zu erscheinen
und aufzufallen. Nur der begeisterten Zurede der
Düsseldorfer gelang es, alle Bedenken zu zerstreuen,
als sie mit sehr ernst gemeinten Vorschlägen her-
vortraten. Der wichtigste unter diesen war das
Projekt einer national-deutschen Kunstausstel-
lung, welche ein Bild von der gesamten deutschen
Kunst geben und deren Stand ehrlich dokumentieren
sollte. Dann der Schrei nach vollem Schutze der
Urheberrechte auf das geistige Eigentum. Das waren
praktische Gesichtspunkte, welche auch unter den deut-
schen Schriftstellern die lebhafteste Zustimmung und
auch Anklang bei denen fanden, welche im Genüsse
von Aemtern sich zuerst ängstlich von einer Kund-
gebung fernhielten. Zn der Tat war eine gewisse
Besorgnis begründet, aber es stellte sich bald her-
aus, daß die politischen Verhältnisse in einem Um-
schwünge begriffen waren, um eine solche Prokla-
mierung des deutschen Linheitsgedankeus willkommen
zu heißen. Der heiße Wunsch war ja allgemein
und lebte wie der Funke unter der Asche, bis ein
frischer Wind, der durch das Land blies, ihn zur
Flamme entfachte. Der große Kanzler, Fürst Bis-
marck, hat es rückhaltlos ausgesprochen, daß die
Düsseldorfer Künstler als praktische Wecker und För-
derer des Einheitsgedankens erfolgreich auf die
Stimmung der Nation eingewirkt hätten.
Welchen Eindruck die nationale Erhebung der
Künstler machte, beweist die ehrenvolle Aufnahme,
welche bereits im Zahre s857 die zweite deutsche
Künstlerversammlung in Stuttgart beim König
von Württemberg fand. Aber ein völliger Um-
schlag trat ein, als Kaiser Wilhelm I. als Prinz-
regent die Zügel der preußischen Negierung in die
bsand nahm. Das Gelingen der ersten national-
deutschen Ausstellung zu München im Zahre s858
brachte dazu einen so großen künstlerischen Erfolg
im Zn- und Auslande, daß man zum ersten Male
wieder von der „deutschen Kunst" sprach. Bisher
kannte man nur eine Berliner, Münchener, Düssel-
dorfer oder Dresdener Kunst. Zn München war
der Beweis erbracht, daß es eine deutsche Kunst
gab, die einen ausgesprochen nationalen Tharakter
hatte. Der zweiten allgemeinen deutschen Kunstaus-
 
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