Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

DOI Artikel:
Ist ein Musterzeichner ein Künstler oder ein Gewerbetreibender?
DOI Artikel:
Das Preisauschreiben der Firma Ernst Kaps / Ein Preisausschreiben / Eröffnete Ausstellungen (Fortsetzung) / Laufende Preisausschreiben / Denkmäler / Staatsankäufe etc. / Personal-Nachrichten / Auszeichnungen und Medaillen / Todesfälle /Stiftunge / Aus Künstler- und Kunst-Vereinen / Auktionen / Verschiedenes / Werbung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0126

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Werkstatt der Kunst.

heft 9.

US

Ist em Musterzeichner em Künstler
oäer em Ge)werbetreibsnäer?
Die Frage, ob jemand ein Kunstgewerbe be-
treibt oder sich lediglich als Künstler betätigt, ist be-
kanntlich von Wichtigkeit, wenn es sich um die Frage
handelt, ob dieser oder jener steuerpflichtige zur
Gewerbesteuer heranzuziehen sei. Denn zur Gewerbe-
steuer soll nur derjenige veranlagt werden, welcher
eine gewerbliche Beschäftigung ausübt, d. h. eine
mit der Absicht auf Gewinnerzielung unternommene
Tätigkeit, die sich als Beteiligung am allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Die Grenze, welche
die gewerbliche Tätigkeit von der Ausübung der
schönen Künste trennt, wird im einzelnen Falle eine
mehr oder weniger flüssige sein. Zu verlangen ist
für die Ausübung der Kunst, daß die betreffende
Tätigkeit sich als eigene Betätigung der Kunst dar-
stelle, während die gewerbsmäßige Verwertung frem-
der künstlerischer Erzeugnisse und L e i st u 1: g e n
die Steuerpflicht begründet.
Zn einem Falle, der vor einiger Zeit das Braun-
schweigische Verwaltungsgericht beschäftigte, handelte
es sich darum, ob ein Musterzeichner gewerbe-
steuerpflichtig sei. Die Steuerbehörde behauptete, er
übe lediglich ein Kunstgewerbe aus, während der
Musterzeichner selbst darlegte, er sei Künstler und
unterliege als solcher nicht der Gewerbesteuerpflicht. —-
Der Verwaltungsgerichtshof schloß sich der Anschau-
ung des von der Behörde zu einem Gewerbetreiben-
den Degradierten an, erklärte ihn für einen Künst-
ler und erachtete daher seine Befreiung von der Ge-
werbesteuer für geboten. Allerdings, so führt das Ur-
teil in seinen Gründen ans, kann man vom hohen
idealen Standpunkte aus zu der Ansicht gelangen,
nur derjenige übe eine Kunst aus, der sie als Selbst-
zweck betreibe, dessen innerer Drang in künstlerischer
Betätigung seine Befriedigung suche und finde; aber
diese Anschauung dürfe doch nicht dahin führen, daß
die durch die Gestaltung der Lebensverhältnisse be-
dingte Verwertung des Kunstprodukts, seine Um-
setzung in Geld, die der Künstler nicht ablehnt und
auf die er rechnen mag, mit den: Begriffe der Aus-
übung der schönen Künste unvereinbar sei. Denn
würde man sich allgemein zu dieser Ansicht bekennen,
so würde man dem auf Erwerb angewiesenen Künst-
ler eine Wohltat des Gesetzes versagen, die dem be-
güterten Künstler leichthin in den Schoß fällt.
prüft man unter diesem Gesichtspunkte die Tä-
tigkeit des im vorliegenden Falle in Betracht kommen-
den Künstlers, so gelangt man zu der Ueberzeugung,
daß es noch keineswegs für das Vorhandensein eines
Gewerbebetriebes spreche, wenn der Künstler sö bis
20 Gehilfen beschäftigt. Vor allem ist in Betracht
zu ziehen, daß der Kläger sich einer reichen künst-
lerischen Begabung erfreue. Davon macht er insofern
Gebrauch, als er eine von ihm gegründete Anstalt
zum Entwerfen von Mustern leitet. Er ersinnt und
skizziert die Muster, deren Ausgestaltung seinen Ge-

hilfen obliegt; er ist der geistige Produzent, der
Schöpfer der Ideen, die er skizziert; die Skizzen bil-
den die Grundlage für die weiter von seinen Mit-
arbeitern auszusührenden Arbeiten, die ihrerseits ent-
weder künstlerisches Können voraussetzen oder in
Verrichtungen technischer oder mechanischer Art be-
stehen. Freilich übt der Kläger seine Tätigkeit nicht
aus, um lediglich einen: ihn beseelenden künstleri-
schen Drange zu genügen; er entwirft die Muster,
um sie an Fabriken zu verkaufen, die sich der Be-
nutzung derselben zu gewerblichen Zwecken bedienen.
Die Verwertung seiner Kunstprodukte zieht aber, wie
oben ausgeführt, den Künstler noch keineswegs in
die Sphäre kunstgewerblicher, geschweige denn Han-
dels- oder fabrikmäßiger Tätigkeit hinab. Wenn der
Kläger auch einer Kunstanstalt vorsteht, so hat das
doch nichts zu besagen; denn seine Anstalt ähnelt
den Ateliers der Bildhauer, die ja auch bei der Her-
stellung ihrer Erzeugnisse die Mitarbeit von Gehilfen
in Anspruch nehmen. Wie die Bildhauerei aber
trotzdem Kunst bleibt, so verliert auch die Muster-
zeichnerei des Klägers trotz der Mitarbeit ihm unter-
stellter Gehilfen nicht das Gepräge der Ausübung
der Kunst.
Das Preisausschreiben cler ^irma
Srnst Kaps
in Dresden betreffend, dessen Bedingungen wir in
unserem pefte 5 einer Kritik unterzogen, sandten uns
die dort genannten Preisrichter, die cherren Pro-
fessoren Wilh. Kreis, Fritz Schuhmacher, William
Lossow und bserr Karl Schmidt, Inhaber der
Dresdener Werkstätten sür Handwerkskunst, eine Er-
klärung, nach welcher wir annehmen müssen, als
ob die genannten bserren der Meinung seien, unsere
Kritik richte sich auch gegen sie. Jedoch wenn wir Kri-
tik übten, so geschah dies nicht gegen die Preisrichter,
sondern gegen die Firma als die Veranlasserin
des Preisausschreibens, was die Preisrichter an-
betrifft, so richteten wir an diese mit Beziehung auf
die Bedingungen des Preisausschreibens lediglich
verschiedene Fragen, nämlich weil wir daran zwei-
felten, ob den perren, als man sie zur Mitwirkung
bei dem Preisausschreiben einlud, seitens der Firma
sämtliche dieser Bedingungen bekannt gegeben wor-
den seien. Allerdings war unsere Kritik in be-
stimmtester Weise ausgesprochen worden. Wie aber,
so fragen wir, sollte es anders sei::, wenn wir
drei der ersten Künstler in Dresden als Preis-
richter eingeladen sehen, deren Urteil hinterher die
Firma, indem sie bestimmt, was ausgeführt
werden soll, zu berücksichtigen nicht ver-
pflichtet ist? Wozu werden denn dann Künstler
von: ersten Rang als Preisrichter überhaupt einge-
laden? O nein, solche Bedingungen wird die „Werk-
statt der Kunst" nie und nimn:ern:ehr unwidersprochen
hingehen lassen, sondern, in Vertretung der Inter-
essen der Künstlerschaft, ihnen durchaus entgegen-
 
Annotationen