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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Kainzbauer, Ludwig: Zur Verfolgung unsittlicher Bilder
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Anfrage aus dem Leserkreis
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Bräuer, Reinhold: Die Reform des Kunstlebens
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0672

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66H

Die Werkstatt der Kunst.

Heft H8.

Denken wir uns aber den umgekehrten Fall:
In der Stadt weder im Museum, auf den Plätzen,
in den Schaufenstern nicht eine nackte Gestalt, welches
Aufsehen würde ein einziges Bild einer nackten Er-
scheinung machen, wenn es einmal ein Kunsthändler
wagen würde, ein solches auszustellen. Lin Zu-
sammenlauf von jung und alt würde entstehen,
das Kuriosum zu sehen.
Nun zum Schlüsse: Da kein Beweis vorliegt,
daß jemals ein nacktes Kunstwerk oder eine Photo-
graphie entsittlichend gewirkt habe, da es weiters
nicht möglich ist, die Grenze der entsittlichenden
Wirkung beim Bildwerke zu bestimmen und da es
die Erfahrung lehrt, daß die Anhäufung von solchen
Werken eher nützlich als schädlich wirken muß, weil
der Ueberdruß eintritt, und da die künstlerische und
überhaupt jede Freiheit nutzlos vernichtet würde, ist
die einfach lächerliche Verfolgung der nackten Bild-
werke usw. zu verurteilen.
Xain^bauer, Graz, Stiftingthal.
Anfrage aus ciem Leserkreis.
Ich suche für einen meiner Kunden eine Darstellung
aus der Glashütten-Industrie, speziell ein Gemälde,
das das Innere einer Glashütte usw. schildert. Soviel
Darstellungen aus dem Hüttenwesen mir auch bekannt sind,
so kann ich mich doch z. Z. nicht erinnern, ob und welche
Künstler der: Betrieb in einer Glashütte geschildert hätten.
— Leser, die eine solche Darstellung kennen, werden ge-
beten, der Schriftleitung der „Werkstatt der Kunst" Näheres
mitzuteilen.
Oie Reform cLes Runstlebens.
In der vorhergehenden Nummer schneidet Gtto Sebald
in seiner „Reform des Kunstlebens" verschiedene Lebens-
fragen des Künstlers an, und macht Vorschläge, wie das
zu ändern sei.
Ls ist manches Gute darunter, manche schöne An-
regung und viel Wahres, aber der Standpunkt des Ver-
fassers ist zum Teil auch einseitig. Auch in der Kunst
macht sich das Recht des Stärkeren geltend und führt zum
Sieg und nur volle Freiheit des Schaffens kann hier Großes
zeitigen.
Aus diesem Grunde ist ein Zwang auch im guten
Sinne durchaus zu verwerfen und es wäre tief zu bedauern,
wenn der Wunsch des Verfassers, Zensurbehörden aufzu-
stellen, die den Begriff Kunstwerk präzisieren sollen, in Er-
füllung ginge. Au welcher Günstlings- und Schablonen-
wirtschaft würde das führen!
Lin Faktor wird sowohl von dem Verfasser als auch
von der Künstlerwelt meist ganz übersehen: das Publikum,
die Nichtkünstler, zu deren Veredlung die Kunstwerke ja
geschaffen werden. — Haben die denn gar keine Stimme?
Ls scheint nicht.
Leider gibt es noch genug Menschen, denen jegliches
Gefühl für Kunst vollkommen abgeht; im allgemeinen aber
beurteilt der Laie Kunstwerke doch nach dem Empfinden,
das die Werke in ihm auslösen und das ergibt oft nicht
die schlechtester: Urteile.
In dieser Auffassung besteht, wie schon erwähnt, ein
schroffer Gegensatz zwischen dem Künstler und dem Laien
und hier haben wir einen der Hauptgründe, die zu den so
bitter beklagten Zuständen bei der Künstlerschaft geführt
haben.
Suchen denn die Künstler gar keine Schuld an den
heutigen Verhältnissen aus ihrer Seite? Ist es gerade
notwendig, daß man Menschen, die rasche Schwenkungen

in der Kunstrichtung nicht ebenso rasch mitmachen, sich als
urteilslos vorstellt, daß man das Publikum und dessen
Anschauungen vollkommen ignoriert?
Nur das Volk in seiner Gesamtheit verhindert durch
sein Beharrungsvermögen die Ausschweifungen der Kunst,
das sollen die Künstler nicht unterschätzen und sie sollten
auch die Urteilskraft der Allgemeinheit nicht gering an-
schlagen.
Wer hat denn beispielsweise die Kunst, die in der
Jugend und im Simxlizissimus steckt, so gewaltig zum An-
sehen gebracht? Sind es etwa die Künstler gewesen oder
war es das Volk, das das Gesunde in diesen Zeitschriften
gefühlt hat? Hat das Volk hierzu einen Leiter gebraucht?
Viel Schwäche der Kunstwerke wird mit der Urteils-
losigkeit der Masse, viel Unreife durch die großen Namen
der Kunstrichtung entschuldigt.
Ls ist ja wahr, der Künstler hat oft ein hartes Los
und muß sich meist langsam und mit ungeheurem Fleiß
hinaufarbeiten, bis er erkannt wird. Das ist aber doch
nicht zu verwundern, es liegt dies in der Natur der Sache
und viel auch in dem unpraktischen Wesen der Künstler.
Lin bißchen Kaufmann muß jeder Mensch in jedem
Berus heute sein, wenn er in unserem jetzigen Gesellschafts-
leben emporkommen will. Ls ist noch lange kein Grund
vorhanden, ein schlechter Künstler zu werden, wenn man
etwas praktischer erzogen wird, als es bis jetzt als künstle-
risch galt. Dasselbe gilt von den Vorurteilen, die zum
Teil unbedingt abgelegt werden müssen, wenn der Künstler
sein Los verbessern will. Ich nenne hier insbesondere das
Vorurteil, das die Künstler gegen die Kunstvereine hegen,
das in seinen Folgeerscheinungen sehr ernste Gefahren für
die Künstler mit sich gebracht hat. Wie stellen sich denn
die Künstler im allgemeinen jeden Kunstverein vor? Ls
ist manchmal direkt spaßhaft, die Urteile zu hören. Da ist
eine Anzahl von vollkommen unfähigen, urteilslosen Leuten
in der Leitung, die den größten Schund, den es überhaupt
gibt, ankausen, die ein Kunstverständnis nur nach außen
heucheln und leider die Macht haben, die Unkunst zum
Schaden der wahren zu nähren, während wirkliche Kunst-
werke unbeachtet zur Seite gestellt werden.
Darnach handelt der Künstler, er schickt an den Kunst-
verein nur dann Werke, wenn er sie nirgends sonst mehr
unterbringt, denn, „wie er gehört hat", Hilst ja ein Krämer-
Kunstwerke auswählen.
Hier in Speyer im Kun st verein habe ich Ge-
legenheit gehabt, verschiedene charakteristische Erfahrungen
zu sammeln. Der Künstler hat meist gar keine Ahnung,
welche unendliche und unermüdliche Arbeit dazu gehört,
eine solche Mrganisation aufzubauen und auf der Höhe zu
unterhalten, eine Organisation, die lediglich den Interessen
der Künstler dient, und die derselbe dann als etwas Selbst-
verständliches benutzt, er hat keine Ahnung, was vor allem
für eine Liebe zur Kunst dazu gehört, sich an den Undank
der Künstler zu gewöhnen, der in dem gegeißelten Verhalten
derselben liegt. Ich für meinen Teil glaube, daß
man bei der Künstlerschaft lange suchen müßte,
nm einen Gemein sinn zu finden, wie er hier Vor-
aussetzung ist.
Wenn etwas verbessert werden soll, müssen die Künst-
ler mit arbeiten an der Verbesserung, nicht nur schelten,
sie müssen suchen durch die Kunstvereine mit dem Volk
bekannt zu werden, sie müssen den Kunstvereinen die besten
Sachen schicken und nicht die schlechtesten. Dann würde es
bald anders werden.
wenn sich die besseren Künstler fernhalten, dann sind
sie es, die die Unkunst unterstützen und an ihrem eigenen
Ruin mit arbeiten, sie haben sich aber dann das Recht
einer Kritik selbst verscherzt.
Wir haben hier in Speyer voriges Jahr etwa
32 000 Mk. und dieses Jahr für ;;o Kunstwerke
etwa 26 000 Mk. ausgegeben, und auch das bedeutende
Museum der Pfalz, das sich hier befindet, hat dieses Jahr
ein Gemälde für 1800 Mk. aus unserer Ausstellung gekauft,
um es seiner Galerie einzuverleiben. Ls ist wahrscheinlich,
 
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