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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0390

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DENKMALPFLEGE

gezeichneten Eigenschaften wiederholt in diplo-
matischer Sendung an auswärtige Fürstenhöfe
verwendet worden. Er ist am i2. Juli 1651 in
München gestorben und wurde in der dortigen
Augustinerkirche unter dem großen Kruzifix be-
graben. Das Holzepitaph stammt aus der 2. Hälfte
des 17. Jahrhunderts und zeigt in der dekorativen
Umrahmung die Formen der Spätrenaissance.
Die in Öl gemalten Bilder zeigen im oberen Teile
den Abschied Christi von seiner Mutter, im un-
teren Teile den verstorbenen Schloßherrn von
Falkenstein mit seiner Familie.
An der Südwand sehen wir vor einem mit
Passionsblumen bemalten Wandteppich die mäch-
tige Kreuzig u ngs gruppe, eine wirkungsvolle
Spätbarockarbeit. ZierlicheSchnitzereienim dunkel-
braunen Holzton zeigen Chor- und Beichtstühle
und die Kirchenbänke. Sehr interessant und be-
achtenswert ist der selten schöne Originalkreuz-
weg in klassizistischen Goldrahmen, signiert Se-
bastian Rech en au er 1795.
Im Langhaus schmückt das mittlere Joch der
Nordwand ein kulturgeschichtlich hochinteressan-
tes Votivbild, bezugnehmend auf die glück-
liche Errettung der Pfarrgemeinde aus Kriegs-
und Feuersgefahr in den Dezembertagen 1800, als
die französische Armee bei Redenfelden über den
Inn setzte und die französischen Soldaten nach
Süden ausschwärmten und Fluren und Wohn-
stätten von Flintsbach bedrohten. Gegenüber be-
findet sich das neue K r i e ge r e p i t a p h , eine
schöne Arbeit der Gegenwartskunst, die sich dem
reich stukkierten Innenraum und den prächtigen
Rokokozieraten an den Seitenaltären würdig an-
paßt. Das schöne Ehrenmal für die 94 Gefallenen
der Pfarrei stammt in Entwurf und Ausführung
von Malermeister und Kirchenmaler Max Zierer
in Rosenheim. Der reich geschnitzte Goldrahmen
ist eine gute Arbeit von Bildhauer Gebert in
Hofleiten bei Rosenheim. Das Mittelbild des ster-
benden Kriegers hat Kunstmaler Anton N i e der-
ni a y e r - Hohenbrunn gemalt.
Von den Altarblättern ist nur mehr jenes des
rechten Seitenaltares (Steinigung des hl. Stephanus)
aus der Entstehungszeit der Altäre (18. Jahrhundert)
erhalten, die anderen Altarblätter sind Arbeiten der
Romantik (Nazarener), die sich aber gut in den be-
wegten Architekturrahmen der Altäre einfügen.
Einen die künstlerische Belebung der Wände
bestimmenden Schmuck bewundern wir in den
gemalten B ü s t e n b i 1 d e r n der Apostel, die
eine frühere falsch durchgeführte Renovierung
mit Ölfarbe überschmiert hatte, und die nun dank
der 1923 durchgeführten Renovierung in ihrer ur-
sprünglichen Schönheit vom Ende des 18. Jahr-
hunderts wieder zutage traten. Die Emporbrüstung
zeigt neun Szenen aus der Leidensgeschichte des
Herrn. Sic stammen zwar aus früherer Zeit als
die übrigen Gemälde in der Kirche, bringen aber
durch ihr herbes und kräftiges Kolorit einen eige-
nen Reiz in die blütenweiße Umgebung. Die
Brüstung der Orgelempore hat wieder Kunstmaler
Zierer mit zierlichen Rokokomotiven geschmückt.
Im letzten Joch unter der Westempore hängt
das in Öl auf Leinwand gemalte Bild des Schächers
Dismas, eine ikonographisch seltene Darstellung
in Rokokorahmen (18. Jahrhundert).
Wir richten einen Abschiedsblick empor zum
Triumphbogen der Kirche, wo in flotter von Engeln
getragener Kartusche der Name des Pfarrpatrons
mit der Jahreszahl 1735 prangt, ein Dokument der
Zeit, welche all diese Farben- und Formenpracht

hervorgebracht hat. Bescheiden steht darunter der
Vermerk: »Renov. A. D. 1923.« Es ehrt die Pfarr-
gemeinde hoch, daß dank ihrer Opferwilligkeit in
ungünstiger Zeitlage diese selten schmucke Kirche
des Inntales eine so trefflich gelungene Innenrestau-
ration erfahren hat.
Von eigenartigem Reize ist das westliche Vor-
haus mit drei Zugängen. Hier sehen wir über dem
Hauptportal zur Kirche eine perspektivisch gut
gelöste Freskenmalerei: Austreibung der Ver-
käufer aus dem Tempel, wirkungsvolle Arbeit des
späten 18. Jahrhunderts.
Wir treten heraus aus der Kirche und die
ganze Pracht des gesegneten Inntals umgibt uns.
Und jetzt nach unmittelbarer Betrachtung all der
freudigen und lebensprudelnden in Licht und
Farbe getauchten Kunst im Kircheninnern wird
uns mit einem Male klar, daß gerade die Groß-
artigkeit der Natur dieses ganz eminente Schön-
heitsgefühl der Bevölkerung des altbayerischen
Alpenlandes in die Wiege gelegt hat.
Die Pfarrkirche .in Übersee ist als Neubau
ein Werk des Architekten Josef Elsner sen.
in München. In der strengen und ziemlich unper-
sönlichen Behandlung der Außenarchitektur klingt
die Art der Romantik nach. Die akademische
Korrektheit bringt eine gewisse Härte in die
Linienführung. Zudem steht die Kirche als un-
verputzter Backsteinbau ziemlich unvermittelt in
der Landschaft. Ohne Frage würde die gegen-
wärtige Zeit mehr Konzessionen an die Umgebung-
machen, vor allem in der Art und Weise der ma-
lerischen Durchbildung des Baues und seiner An-
gleichung an die ländliche Nachbarschaft. Der
Bau könnte geradesogut im Vororte einer größe-
ren Stadt sich erheben. Inmitten des saftigen
Wiesengrüns umgeben von den ansehnlichen Ge-
höften und Anwesen eines alten Vorlanddorfes
und umrahmtvon lieblicher Gebirgsszencrie würden
wir einen dem ländlichen Charakter der dortigen
Gegend und ihren Baugewohnheiten mehr ange-
paßten Kirchenbau vorziehen. Wenn nun auch der
neugotische Bau unter all den Kirchen der Dörfer,
die in weitem Bogen um den südlichen Teil des
Chiemsees liegen, etwas fremdartig auffällt, so
können wir beim Eintritt in das Innere sicherlich
eine anerkennenswerte Leistung kirchlicher Gegen-
wartskunst in Gestaltung des Raumbildes fest-
stellen. Presbyterium und Langhaus sind von
schönen Verhältnissen. Die respektable Spannung
der Gewölbe steht in wohltuendem Maßstab zur
Höhe. Die architektonische Schönheit im allge-
meinen wie die wirksame Bereicherung in den bau-
lichen Details kamen jedoch erst jetzt durch die
durchgeführte künstlerische Ausmalung des ge-
samten Kircheninnern zur Geltung. Sie geschah
unter der künstlerischen Leitung von Prof. Joseph
Schmuderer. Auf ihn geht vor allem die Wahl
der fein zueinander gestimmten Tönungen zurück,
deren farbige Kraft die künstlerische Bedeutung
der Gesamtschöpfung und ihren harmonischen Zu-
sammenklang bedingt. Die Ausmalung selbst war
auf zwei Kräfte verteilt: Kunstmaler W a 1 d e m a r
Ko 1msperger besorgte das Figürliche, während
die bekannte Münchener Firma Schellinger &
Schmer die ornamental-dekorative Seite über-
nahm. Interessant ist die Technik. Tn ihr be-
ruht die wahre und lebensprühende Stimmung
der Farbgebung. Je nach der Beleuchtung des
Kircheninnern zu verschiedenen Tagzeiten wech-
selt auch das färbige Bild. Diese Mannigfaltigkeit
 
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