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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 21.1924/​1925

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Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.53139#0391

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DENKMALPFLEGE

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in der Stimmung wird durch die Technik in Kalk-
kaseinlasur hervorgerufen. Die Kirche ist grun-
diert mit Holz gebranntem und nicht Steinkohlen
gebranntem Kalk aus der Überseer-Gegend selbst.
Dieser Kalk besitzt die Eigenschaft, daß er große
Leuchtkraft in den darauf gesetzten Farben ent-
faltet und die Farben nicht vergilben läßt. Auf
dem mit Kaseinfixativ angefeuchteten Grund sind
dann die Farben lasurartig aufgetragen. Somit
sind sie keine Deckfarben, vielmehr leuchtet der
Kalkgrund überall durch. Was nun die farbige
Behandlung des Innern betrifft, so ist auf die drei
großen Hauptteile Rücksicht genommen: Altar-
raum, Presbyterium und Schiff. Jede dieser
Raumpartien ist für sich in Farbe und Zeichnung
besonders geschmückt, ohne dabei den Rhythmen-
fluß der Farbenharmonie des gesamten Raumes
irgendwie aufzuhalten oder zu unterbrechen. Der
höchste Reichtum an Farbe ist im Chorhaupt
über dem Hochaltar ausgeschüttet; zurückhaltender
aber immer noch reich bedacht ist das Gewölbe
des Presbyteriums, während das Kirchenschiff
einfacher gehalten ist. Hier kommt es darauf an,
dem hohen weitgesprengten Raum in dem langen
Zuge seiner Rippengewölbe den Eindruck lichter
Freiheit und zugleich festlicher Würde zu geben.
Aus dem hellen Licht des Schiffes löst sich das
Presbyterium gleich der Schale einer farbenpräch-
tigen Muschel, den edlen Kern in sich bergend.
Im Chorhaupt, wo der Hochaltar steht, tragen
zierliche Dienste das Rippengewölbe. Der archi-
tektonische Gedanke eines Baldachins über dem
Sakramentsaltar wird durch die feierliche Bema-
lung noch gehoben. Die in lustigen Farbtönen ge-
haltenen Dienste durchschneiden den um den
hohen Sockel sich legenden gemalten Teppich-
behang mit grüner Flächenbehandlung und großen
schwarzen Mustern. Darüber wölbt sich der tief-
blaue Grund der Rippenfelder. In ihnen schweben
am Gewölbescheitel die Symbole des Tierkreises,
in den Fensterzwickeln Engelsfiguren. Die Rippen
sind ultramaringelb gehalten, die Engel schwefel-
gelb — eine äußerst aparte Farbstimmung im
Gegensatz zum satten Blau des Grundes. Ein
ornamentierter Bogen trennt den Altarraum vom
Presbyterium, das von einem einzigen Rippen-
kreuz überwölbt ist. Die Zugehörigkeit zum Hoch-
altarraum dokumentiert die schon erwähnte um
den Sockel sich ziehende teppichartige Musterung.
Am Gewölbe offenbart sich die malerische Zier
in umgekehrter Farbgebung wie im Chorhaupt.
Jetzt sind die Rippen blau, die Felder von leb-
haftem Gelb. Auch die Ranken und Füllrosetten
sind in gelbem Ton gehalten. Diese Farbstimmung
Gelb auf Gelb löst sich absichtlich nicht in zer-
streuende Buntheit auf, vielmehr sucht sie in einer
in der Einheit der Farbe beherrschten Tönung zu
wirken. Das glänzende Gelb erhält tiefes Leben
durch die blauen Schattierungen der kühn ge-
schwungenen Ranken und Blattmotive. Die Seiten-
wände des Presbyteriums entfalten reichen figür-
lichen Schmuck: auf der Epistelseite sehen
wir die Darstellung von Christus und den Fischen,
dann die liebliche Figur der allerseligsten Jung-
frau als stella maris, Stern des Meeres. Auf der
Evangelienseite gewahren wir die große Dar-
stellung des hl. Christophorus mit dem Jesus-
kindlein auf den Schultern, dann die damit zu-
sammenhängende Legende des Einsiedlers am
Ufer mit dem Kirchlein. Die hohe liturgische Be-
deutung des Chores wird außerdem vermittelt in
der reichen figürlichen Bemalung der Flächen des

Chorbogens. Hier schwebt in der Mitte das Sym-
bol des Geistes Gottes, des Heiligen Geistes, der
die Kirche regiert in Gestalt der Taube über den
Gewässern. Es ist der nämliche Geist, der im
Alten Bunde Schutz und Schirm den Gerechten
war, die aus der allgemeinen Sintflut in der Arche
Noä geborgen worden waren. Als der gleiche er-
habene Geist des Trostes und der Stärke schwebt er
segnend, schützend und leitend überder Arche des
Neuen Bundes, der heiligen katholischen Kirche,
deren Schifflein St. Petrus und seine Nachfolger an
Christi Statt lenken. Darauf deuten symbolisch die
beiden Darstellungen rechts und links am Triumph-
bogen hin; nämlich die auf den Wassern friedlich
schwimmende Arche Noäs und das auf einer Seeinsel
ragende Kirchlein, das ehemalige Überseer Gottes-
haus, das früher im Chiemsee auf einer Insel gestan-
den sein soll. Im Hintergründe die Gebirgslandschaft
des Chiemsees und darüber das Zeichen der Schlüs-
selgewalt der Kirche. Wie im Presbyterium, so er-
klären auch hier geschmackvoll angeordnete In-
schriften die einzelnen Szenen und Darstellungen.
Das Kirchenschiff läßt die reichen und kräf-
tig profilierten Rippendarstellungen grau mit
schwarzen Kugelstrichen; die Stiefeln an den
Rippenkreuzungen sowie die Dienste sind stilisiert
marmoriert in Chromoxydgrün mit schwarzer
Äderung. Die Rippenfelder sind gelb gefärbt und
zwar in einem leuchtenden Ton, der bei heller
Belichtung und ganz besonders im Sonnenschein
einen goldenen Schimmer annimmt. Das Spiel
der Farben ist hier durch eine eimosaikartige Be-
handlung erreicht, indem jeder Pinselstrich ein-
zeln auf den Grund gelegt ist. In den Fenster-
zwickeln gewahren wir weiße Rosetten in schwar-
zen Konturen auf gelben Grund gezeichnet.
Altäre, Kanzel und O r ge 1 ge h ä u s e sind in
ihrem architektonischen Gefüge Arbeiten aus der
Kunstwerkstätte Joseph Elsner in München.
Den figürlichen Schmuck schufen die Münchener
Bildhauer Auer und Huber. Es galt nun auch
diese Inneneinrichtung zum Ganzen zu stimmen, da-
mit sie sich im neuausgemalten Raum künstlerisch
behaupten würde. Die Architektur der Altäre ist
auf rotem Grund dunkel getönt, damit sich vom
architektonischen Gerüste die feinen Schnitz-
ornamente und Sprengungen in ihrer glänzenden
Vergoldung wirkungsvoll abheben. Dazu bringt
die dunkel gebeizte Holzbrüstung der Orgel-
empore malerischen Akzent in die Westpartie
des Kirchenschiffes. In gleicher Weise sind Beicht-
stühle und Komm u n i o n b ank behandelt. Auch
das Chorgestühl und der Kreuzweg sind dazu ge-
stimmt worden. Außerdem erfährt das Kirchen-
schiff eine schöne und sinnreiche Bereicherung
durch das Kriegerdenkmal, das als Mittelpunkt
zwischen den Tafeln mit den Namen der Gefalle-
nen das schöne Kruzifix mit Mater dolorosa, ge-
fertigt von Bildhauer Auer, hat. Der wirksam
gemalte Hintergrund fügt sich gut in den Geist
der neuen Ausmalung ein. Die Mauerflächen über
den Zugängen zum Langhause sind durch zwei
auf Holz gemalte Tafeln belebt. Das eine Bild
führt den hl. Leonhard als Patron des Viehes
vor, in Anlehnung an die alte gotische Maltech-
nik in Tempera und Kasein auf Kreidegrund aus-
geführt. Das Gegenstück hierzu stellt die Selige
des Chiemsees, Irmingard, dar. Beide Bilder sind
Schöpfungen des Überseer Kunstmalers Max
Steinleitner. Die Glasgemälde in den Fenstern
sind beachtenswerte Arbeiten aus der rühmlich
bekannten Kunstfirma Zettl er in München.
 
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