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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 3
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Sauerlandt, Max: Gustav E. Pazaurek, "Deutsche Fayence- und Porzellan-Hausmaler"
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0106

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Gustav E. Pazaurek, „Deutsche
Fayence- und Porzellan-Hausmaler“
Mit sechs Abbildungen auf zwei Tafeln Von MAX SAUERLANDT

DIE deutsche Hausmalerei auf Fayencen und Porzellan ist in der Mannig-
faltigkeit ihrer Entwicklung und in der Höhe der künstlerischen Qualität,
die sie in ihren besten Vertretern erreicht hat, ein einzigartiges Phänomen, dem
kein anderes Land Europas etwas Gleichwertiges oder nur Gleichartiges an
die Seite zu stellen hat und dessen allgemeine geistesgeschichtliche Bedeu-
tung über die Bedeutung eines wichtigen Kapitels in der Geschichte der deut-
schen Keramik, der Keramik überhaupt weit hinausreicht.
Es ist der alte deutsche Individualismus, der Drang zu persönlich betonter
Aussprache, der in diesen Malereien eine so schöne und selbständige Form
künstlerischer Äußerung gefunden hat, während in allen andern Ländern
Europas die künstlerische Persönlichkeit fast ohne Ausnahme namenlos hinter
den Konventionen der Manufakturstile verschwindet.
Dieser ganz persönlich gefärbte Stil der deutschen Hausmalereien auf
Fayencen und Porzellan bildet damit zugleich die wesentlichste Ergänzung
der in den Manufakturen ausgebildeten Dekorationsstile. Während in der Früh-
zeit hier bei den Fayencen die Tendenz der durch Delft vermittelten, bei den
Porzellanen die Tendenz der unmittelbaren Japan- und Chinaimitation zwar
nicht ausschließlich herrscht, aber doch bei weitem das Übergewicht hat,
bringen die Hausmalereien die ganze Urwüchsigkeit und Kraft, den Über-
schwang und die Farbenpracht des einheimischen deutschen Barock im
Ornament wie in den figürlichen Darstellungen auch in der Keramik zu üppiger
Entfaltung und damit werden die deutschen „Winkelmaler“, die „Pfuscher“,
auch ihrerseits zu Zeugen der Lebens- und Schöpferkraft dieser im Großen
wie im Kleinen fruchtbaren Epoche deutschen Kunstschaffens.
* *
*
Gerade zu seinem sechzigsten Geburtstage hat Gustav E. Pazaurek uns sein
großangelegtes Werk über die deutschen Fayence- und Porzellan-Hausmaler
beschert, das in wahrhaft monumentaler Gestalt und luxuriöser Ausstattung
mit 14 ausgezeichneten farbigen, 20 schwarzen Lichtdrucken und 404 Text-
abbildungen geschmückt im Verlag von Karl W. Hiersemann in Leipzig er-
schienen ist.,
Dieses Ergebnis eines unermüdlichen, mit zähester Beharrlichkeit durch-
geführten über fünfundzwanzigjährigen Studiums ist ein in mehr als einer Hin-
sicht erstaunliches und bemerkenswertes Werk geworden, das, je nach der
persönlichen Einstellung des Lesers, die verschiedenartigste Beurteilung er-
fahren wird. Umgekehrt wie im Korintherbrief wird es vielleicht den Juden
eine Torheit erscheinen, den Griechen ein Ärgernis sein. Was aber ist es uns,
die wir außer „Juden“ und „Griechen“ auch noch Historiker, Museumsleiter,
Sammler sind ?
Das Denkmal einer ans Fabelhafte grenzenden, so wohl doch nur bei uns
möglichen, keine Mühe des Suchens und Sehens und Notierens, keine Mühe
des Akten-, Kirchenregister-, des Adreßbuch- und Katalogstudiums, keine
Mühe der ausgebreitetsten Korrespondenz scheuenden Arbeitsenergie, der das
Geburtsdatum auch der Kleinsten unter den Kleinen noch bemerkenswert —

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