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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0207

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in diesen plastischen Stil übersetzte Figur von Hein-
rich Hertz, darüber eine kleine rufende Figur, dar-
unter eine kleine hörende. Der Giessche Vorschlag
ist architektonisch freier; er setzt eine von oben
herabfliegende Figur mit einem Strahlenbündel vor
die Ecke.

Wir freuen uns, daß Matare hier eine schöne Auf-
gabe erhält, an deren Ausführung er seine Begabung
zeigen kann. Ein Vergleich der beiden Lösungen,
der keine der beiden in ihrem Wert herabsetzen soll,
ist fruchtbringend für eine Gewinnung einer grund-
sätzlichen Einstellung zur Bauplastik. Die Matare-
sche Lösung lehnt sich stark an alte Vorbilder, an
Totensäulen, an mittelalterliche holzgeschnitzte
Balken an. Diese historische Reminiszenz ergibt
sich aus dem Willen, die Plastik so streng wie mög-
lich in die Architektur einzuordnen. Diese Lösung,
als eine einmalige, kann sehr interessant und leben-
dig sein, sobald sie Schule macht, ist sie gefährlich.
Fast will es scheinen, als ob Matare. wenn er nicht
eine so starke Bindung an die Architektur eingegan-
gen wäre und seine Plastik freier hätte handhaben
können, etwas mehr Eigenes hätte geben können.
Die Art und der Ernst, mit denen Matare sich stets
bei seiner Formung mit dem Material in sauberster
plastischer Durcharbeit auseinandersetzt, lassen er-
warten, daß in der Ausführung stärkere Werte zur
Geltung kommen als sie in dem Entwurf liegen kön-
nen. Eine ganz große Schwierigkeit lag in der Auf-
gabestellung, weil man etwas Symbolhaftes ver-
langte. Die Übersetzung in die fast volkstümlich
einfache Darstellung Matares hat etwas Gewinnen-
des und dennoch etwas Bedenkliches, weil es sich
hier nicht um ein Rundfunkhaus, sondern um ein
wissenschaftliches Institut handelt.

Das Symbolhafte bei Gies ist recht äußerlich.
Es gibt ihm nur Anlaß zu einem interessanten
Formen- und Linienspiel, das in Eisenklinker recht
lebendig vor der Struktur der gemauerten Steinwand
wirken kann. Es ist ein außerordentlich persönlich
gestaltetes Ornament, aber die Art. wie dieses ganz
freie, lebendige Gebilde vor der Ecke sitzt, ganz
unbekümmert um die architektonische Einbeziehung,
mit seiner freien Maßstäblichkeit, das hat etwas
höchst Gesundes. Die Übersetzung physikalisch
erfaßbarer Wellen in die Formvorstellung des Künst-
lers ist ein höchst interessanter Vorgang. Zwei
fremde Welten berühren sich hier, und darin liegt
ein ganz großer Reiz.

Das eine zeigen beide Entwürfe, nämlich, daß in
bestimmten Fällen Plastik am Bau bei sparsamer aber
höchst konzentrierter Anwendung durchaus möglich
ist. Solche Wettbewerbe müßten öfter stattfinden,
weil damit wirklich Beiträge zur Klärung dieser
wichtigen und schwierigen Frage gegeben werden
können.

GESTALTUNG DER PASSAGIERRÄUME
OHNE ARCHITEKTEN

In der „Weser-Zeitung", Bremen, erschien im Ja-
nuar ein Aufsatz „Gedanken über neuzeitliche
Schiffsinnenausstattung" von Paul Biedermann, dem
Leiter der technischen Abteilung des Norddeutschen
Lloyd. Die Abhandlung bezog sich auf die Innen-
ausgestaltung des neuen Lloyd-Dampfers „General

von Steuben". Wir geben einige Gedankengänge
dieses Aufsatzes wieder. Es wird dort gesagt, daß
bei diesem Schiff der Lloyd von seiner bisherigen
Praxis, die Repräsentationsräume durch besonders
dafür beauftragte Architekten ausstatten zu lassen,
abgewichen ist. Als Grund wird angegeben, daß man
bei diesem Schiff nicht luxuriöse Repräsentation er-
zielen, aber entsprechend der Bestimmung dem
„kultivierten, aber weniger auf Luxus als auf neu-
zeitlich-einfachen guten Geschmack gestimmten
Mittelstandspublikum"' Rechnung tragen wollte. Man
wird allerdings später belehrt, daß. wenn man auch
nicht mit Architekten gearbeitet hat. so doch die
Ausgestaltung der Verkleidung und Durchbildung der
Räume in dekorativer Hinsicht zusammen mit den
schon lange mit dem Lloyd zusammenarbeitenden
Ausstattungsfirmen, deren geschmackliche Schulung
damit bewiesen sein soll, vorgenommen wurde. Sehr
zu beachten ist auch das, was der Verfasser grund-
sätzlich über die Aufgaben der Ausstattung der
Passagierräume sagt. Er sieht die Aufgabe der
Architektur beim Schiff als eine Verkleidungskunst
an, die die Aufgabe hat, „die kalten nüchternen und
unruhigen konstruktiven Stahlelemente des Schiffs-
körpers dem Auge des Fahrgastes zu entziehen und
gleichzeitig den Aufenthalt in den Räumen angenehm
zu gestalten".

Da wir der Frage der Ausgestaltung der Passa-
gierräume in unserer Zeitschrift von jeher großes
Interesse zugewendet haben, so waren wir natur-
gemäß sehr neugierig, den Erfolg dieser Zusammen-
arbeit von Lloyd und Ausstattungsfirmen zu sehen.
Wir haben uns die Bilder besorgt und geben hier
einige davon wieder. Angesichts dieser Bilder wird
vieles klar, was sich beim Lesen des erwähnten
Aufsatzes verschieden deuten ließ, denn es muß
offen gesagt werden, daß man in Versuchung kommt,
diesem Aufsatz und den darin niedergelegten Ge-
danken seine Zustimmung zu geben, aber nur theo-
retisch, denn in der Praxis sieht die Sache doch
anders aus. Sehr zu begrüßen ist die gesunde Ein-
stellung des Lloyd zu der Aufgabe. Und man er-

Die Kunst ist auch vertreten ! Holzrelief im Gesellschaftssaal
des Dampfer „General von Steuben". Norddeutscher Lloyd,
Bremen

Relief en bois de la salle de reunions du vapeur „General von Steuben"
Relief carved in wood in the saloon of the S/S „General von Steuben'1

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