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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

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Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0049

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Hkidellicrger Tagblatt.

M 13.

N»?Dr«!S mit U«icrh°lt,nlg»blatt vttrlk!.
iährlich 36 lr.

Soimtag, 1S. Januar

Aikilr °d«r bmn Raim, werden m^t?kr. 1860.

Ileber die Zustände in Ungarn.

Jn eincm Bericht dcr „D. Sl. Ztg."
worin dcssen Berfancr die Grnnde aus-
einandergcsctzt, waruin die von der öftcr-
rcichischen Negierimg nach Besiegung des
nngarischen Aiifftandes ziir Beschwichtigiing
dcs Landcs, ergrissciien Maßregeln ihrcn
Zwcck verfchlt'habcn, heißt cs weitcr:
„Was wollen also die Ungarn, und wo-
dnrch gcbcn sie ihre Wnnschc knnd ? Man
hält hier die Ansicht fest, daß dic Regie-
rnng den Ungarn, die sich bei feder Ge-
legcnhcit anf den historischen Standpunkt
stützcn, ihre nakionale Sclbstständigkcit,
ihrc Verfassnng wiedergcben mnssc, wcnn
dcr-Druch nicht iiach wcitere Tinicnsioncn
annehnien soNe. Das Protestantcnpatcnt,
vor /ünf Jahren viellcicht niit lautem
Jnbcl begrnßt, stößt jetzt anf zienilich all-
gemeincn Widerstand, und blos deßwegen,
weil man i'n ihm das historische Prinzip
der Sclbstgesetzgcbung der Prolestantcn in
kirchlichen Dingen verletzt sieht. Die Be-
'rheilignng bei den Berathnngen des nenen
Gcmeindegesetzes stößt anf Widerstand,
weil derglcichcn Dcrathungen vor den
Reichstag gehören. Man sieht cin, daß
die Grnndung freier- autonomer Gemein-
den cine wescntliche Reforin ist, und doch
weist man die Dcrathung dicses Gegen-
standcs zurück, weil man sich anf dcn hi-
storischen Standpnnkt stellt und cs vcr-
gißt, daß die niigarische Nevolution. nnd
dic lctztcu zehn Jahre auch Gcschichce sind.
Auch i'n Ungarn will man ein starkes
Ocsterreich, anch h'ier einen Cinheitsstaat,
abcr mit Gleichberechtignng aller Nationen.
Die Ungarn sagen: Wir sind halb Ocsier-
reich; was fnr nns paßt,'paßt anch für
dcn nbrigen Thcil der Monarchie. Dicses
physischc Ucbergcwicht macht sie stolz,
nnd sie glanbcn sich berechtigt, ihre För-
derungcn schärfcr formuliren zn'dürfcn,
als die andcrn Nationcn. An cine Treii-
nmig von Oesterrci'ch denkcn nnr über-
spannte Köpfc, deiin jeder Vernünftige
sagt sich, daß Ungarn eben so wcnig ohne
Oesterreich, als Oesterreich ohne Üngarn
bestehen könne; allein -man wünscht ein
freies Ungarn, daß sich entwickcln, das
die reichen Schätze scines Dodens znr
Gcltnng bringen kann, das uu't und nebcn
Oesterreich erstarkt, das cinc Slimme hae
im allgcmeiiien Hanshalte; man will mii
Einem Worte glcichwie die übrigen Pro-

vinzen einc Vcrfaffnng, welche die freie
Cntwicklung der Nation bcgüiistigt. Eine
gewaltsamc Anstehnnng dcr Ungarn gcgen
die Negiernng ist henke wenigcr dcnn jc
zu fürchten. Abgrsrhcn davon, daß die Ne-
gi'erung stark gcnng scin dürftc, rinc solchc
zu unterdrückcn, bcsitzen dic Ungarn Mä-
ßignng gcnug, nm zu begreifcn, daß die
Ncvoliiti'on nicht dcr richtige Weg ist, nm
das gewnnschte Ziel zn erreichcn; dcr
passive Widerstand dagegen dürfte noch
nichr so schncll gebrochcn wcrdcn. Die
i'Nncre Kraft -dcr deutschcn Kultur wird
hier mehr wirkcn, als die äußerliche selbst
strengcr Rcgierungsmaßregrln. Einc Aus-
gleichung der verschitdcncn Zntcrcssc» ist
möglich, nnd cs wird die Anfgabe sein,
diese Ausglcichung, dicsc Versöhnnng her«
beizufl'ihrcn. Noch hcute dürfte der Kai-
ser von Oesterreich keine trenere nnd opfer-
willl'gere Nation haben, als die Ungarn.
Die Zcit nnd die Verhältnissc, sowic.ge-
sunde Neformen im Staatswescn, werdrn
die jetzt obwaltend'en Mißvcrhältnissc ans-
gleichcn. Die nns jüngst zngekommene
Gewerbefreiheit, die freie, autönome Ge-
nieinde: das sind Neformen, die in das
Lebcn des Volkes eingv.eifcn, und dic wir
als Vorläufer einer wahrhaft libxralcn
Regierungspolitik mit Freudcn begrüßcn.
Cine Negi'erung, die sich auf ihre Vvlker
stützt, wird cine starke Negieruiig scin;
ein frcics Oesterrcich wird anch ein starkes
Ocsterreich sein undmoralischc Erobcrnngen
machen, die vollauf den Vcrlust anfwicgen,
den wir dnrch den lctztcn Krieg erlittcn.
Dies die Ansicht derer, die auch in Ungarn
als'die Vertrcter der öffentlichcn Meinnng
anznsehen sind. Was man von außer-
ordcntlichen Maßregcln der Negierniig in
I Ungarn, von hicr vorkomincnden Demon-
!stratio»cn, von Dentschenhaß rc. fabelt,
j ist, wcnn iii'cht crlogen, doch anf die ent-
stellendste Wcisc übertrieben."

D e u t s ch l a n d.

Heidelberg. (Forts. der 'Pctition.)
Je mehr wir bci solchem.Vertrauen alle
die nnleugbarcn Gcfahren in Erwägung
zichen, welche, znmal bei nachtheiligcm
Wcchsel der Personen und.der Zei'ten, das
Konkordat für alle diejenigcii Gntcr bc-
gründct, woranf bishcr das Glnck und
der patriotischc Stolz der Badencr beruht,
nm so zuversichtiicher ergcht än die Kam-
uier unsere ehrerbietigc Bilte:

Diesclbe wolle mit allcn verfassungs-
mäßl'gen Mitteln dcn Vollzug dcs Kon-
kordats, i'nsofcrn Bestinimilngcn dcsselbcn
anch nur mittelbar im Widerspruch mit
nnscrcr Vcrfassnng nnd den bisherigcn
gcsctzlichen Vorschriften stchcn, abwenden,
dazu die Vorlagc dcr ganzen Vcreinbarüng
znr. Znstimmuiig bei der Regierung bc-
antragen, nnd die Gcfahren beseitigen,
welche dem staatlichen Gemeinde- und Fa-
milicnlebcn drohcn.

Znr rechtlichcn Bcgründnng dicser un-
serer Bitte crlauben wir uns dcm obcn
Ausgcführteii noch Folgciides beizufügcn.

Die Negl'eruiigsverknndung, zwar nicht
des Konkordatcs sclbst, sondern der päpst-
Ii'chen Bulle nbrr dasselbe vom 5. Dezcm-
bcr 1859) bedingt die landesherrliche
Sankti'on dnrch die Voraussctzlliigen: zn-
e rst, daß das Kvnkordat nnr die eigenen
Angelegenhciten dcr Katholikeii nnd einc
gröficre Selbstständigkeit in diesen betreffe;
sodann, daß nirgeiidwo in demselben vie
n n veräußerl i ch e n Hohcits- und Auf-
sichtsrcchte dcs Großherzogs beschränkt
wnrden; daß aber dritten 6 für etivaige
Veränderungcii landesgesetzlicher Verhält-
nisse die ständische Zustimmniig vorbehal-
ten sci.

Dankbax nchmen wir die beiden letz-
teren Zligeständnisse der Üiiveränßerlich-
kcit der Hoheitsrechtc und der nothwen-
di'gen ständischcn Zustimuiniig zn jcdcr
Vcränderung gcsetzlicher Verhältnisse an.

Dagcgen vermögcii wir lcider nicht dic
Ansicht 'zu theilen, das Koiikorkat betreffe
nur die Angtlegeiihcitcii dcr katholischen
Kirchc.

Schon das Obige ergibt'viclmthr, daß
das Konkordat fast i'n alle'n seinen Be-
sti'mmniigeii wichtigc landcsgesetzliche
nnd -vcrfassnii g s m ä ß i g verbürgte
Verhältnisse vcründert nnd Staatshoheits-
rcchte beschränkt und veräußcrt.

E6 ergibt dieses auch jede weilere Prü-
fniig dcr vor und nach der Verfassnng
crlassciicii Landcsgesetze iiber kirchlichc und
Schiilverhältniffe, »amcntlich auch der hoch-
wichtigen Organisalionscdikte, nnd insbe-
sondcre tes Gr nndgesetz es von Karl
Fricdrich über dic ki r chli ch cStaatö-
v erfassn ng vom 14. Mai 1807, dicses
Gcsctzeö, welches dicser nnsterbliche neue
Begrüiider dcs badischcn Skaatcs, dieser
große Staatsmanii l»ei seiner Ucberzeugung
von der nnermeßlichen Wichtigkeit dieser
 
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