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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

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März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0301

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lich. -Joci« miiUnicibaliungSblan vicricl.

iäbilich 36 !>-

Donnerstag^ 2S. März


c^chnci. ^ »

D e u r s ch l a u d.

Kirrlörllhc, 27. Mär;. DaS hcutc crschiciicnc
RcglcnmMatt Nr. 12 cnthält:

I. Gcsch,, daS Bndgct - bcr Badaiistaltcn fnr dtc
Zabrc 1S60 und 1861 bctrcsscnd.

II. Iluinittclbarc allcrhkchstc Entschlicßnngcn Sr.
Königl. Hohcit dcs GroßhcrzogS. 1) Erlanbiiiß
ii,r Annahinc und zmn Tragcn frcindcr Ordcn. (Schon

. mitgcthcilt.) 2) Dicnstnachrichtcn. Sliißcr dcn schon
mitgcthciltcn noch folgcndc: Sc. Konigl. -yohcit dcr
Großhcrzog habcn Sich gnädigst bcwogcn gclnn-
dcn: imtcr dcm 8. d. M. dcn Lchramtö.-Praklilantcn
Karl Scidcnadcl znin Lchrcr aui Gymnastiiiii zuBrnch-
scl mit dcm Dätiim vom 15. Dcz. 1859 und mit
StaälSdiciicr-Eigcnschafl zn crncniieii; dic erlcdigte
cvangclischc Pfarrci WicSlcth, DckanatS Schvpfhciiii,
dem Pfarrvcrivcscr Gcorg Jakob Gilg in Börstcttcn
zu übcrtragcn. (Schliis; f.)

Mannhcim, 24. Mnrz. Gcstkiii
Abend 5 Uhr wurde uach in qcheiiiier
Sihiing gcpflogener Verhandlniig Karl
Vogel von Brctten, ei'n 21jähri'ger zu
Schivchi'ngcn wohnhaftcr Tagtöhner wegen
ci'nes Vcrbrechens geacn die Sitllichkcit
zu eiiicr geschärftcn Znchthaiisstrafe vvn
2'4 Iahrcn (l^, Iähr in Einzclhaft) ver-
urtheilt. Die hcntigc Sihuiig des Schwur-
gcrichks, welche niit ei'ner Unterbrechuiig
von 2 Stuiiden, von 8'/, bis Abends 9 Uhr
dauvtc, bcschäftigte sich mit der Anklage
gegcn Iohann Avaiu Benchert von Waflä
dürn wegen Todtschlags. Dcn Vyrsitz
fnhrte großh. Hofgcrichtsrath Nuth, die
Staatsbehörde war durch dcn gr. Staats^
anwält v. Frepdorf, dic Vertheidiguiig
dnrch Hrn. Obergerichtsadvokat. Bertheau
vertreten. Der Aiigeklagte ist dcr Sohn
des WaldhütcrS - F. M. Be u che r t zn
Walidürn, lcdig, gnt bcleuiiinndct, Sol-
dat im 3.- Infanteric-Ncgimeiit., Marka
Kalhgrina 'Mairon von Walldürn, eine
ubel bcruchtigte Dirne, kain, auf Anord-
nnng dcs großh. Stadtamts Mannheiin
ans dcin Schub „i ihren Heimathsort zn-
luckverbracht, ani'Nachun'ttag dcs ll. Ok-
tober v. I., cincin Markttage, zu Wall-
dnrn an. Von dcin dortigcn gr Bcrii ks-

Dlchelgeicllcn Joh. Muller von Pissinaen
(Kvn.greich Baperu) u.nher, dcin si ' vo "
gab, in.t eine», beiderseitkgen Vckauuten
angekominen zu sein uud diesen anfsuch
zu wotlen. B-eide treniiten sich dann n
der Verabredung, sich später iin Wirtbs'
hause zuin grünen Vauin wieder trcssen
z.uwol,x„ ^o, wie auch in andercnWirths'
hauscrn, Tanzniusik abgchalten wurde. Als
-Jöhann Müller Abcnds 7 Uhr sich l„'e,-
emfand, hatte die Mäiron nn't dein Sol-

datcn I. A. Deuchert gctanzt und saß niit
dicsein, dcr den Tag über schon iu ver-
schiedcnen Wirlhshäusern getrunken hatte
und voni Wcine erhitzt war, iu eincni
Nebenzinimcr des Tanzsaals. Als A. Mül-
ler, dcr seinen Freund vcrgeblich'gesucht,
ihr hicr Vorwürfc darüber niachtc, daß
sic ihn niiwahr berichtet, mischte sich Bcu-
chert iu das Gespräch; cinigc Schimpf-
rcden, die dcrselbc gebrauchte, führten zu
Thätlichkeiten, in deren Verlauf Mi'iklcr
dcn Bcuchert bei der Brnst faßte, anf die
Bank iind dann an die Wand drückte,
Beuchert dagegcn dem Müllcr erst eine
Flasche auf dcn Kopf schlug, dann einen
Messcrstich in den Unterleib versetzte.
Mnller drang, als er bemerkte, daß er
gestochen sci, wiedcrholt auf Benchert ein',
bis Bcide durch die Dazwifchenkunft des
Wirths getrennt wurden. Müller, dcr
sogleich erklärtc: „ich bin gestochen, ich
lebe keine drei Tagc mehr!" wurde zu
dcm Gerichts-Arzte geführt, nach Hanse
verbracht und starb nach schweren Lcidcn
uiid unter heftigen Schmerzen am Mörgen
des 22. Oktobcr v. I. Die Stichwunde
hatte die Bauchdecke durchdrungen, den
Lüiindarin iu seinem nntern Drittheile
dnrchbohrt, einen Vorfall von Darm-
schlingen, und mittelbar einc Darm-Ent-
zündnng vcrursacht, welche einen Darm-
Brand und folgewcisc den Tod hcrbei-
führte. Die Gerichts-Aerztc, gr. Amts-
Arzt Bordolo von Walldürn und großh.
Medi'zinalrath Benzinger dahier, erklärten
eine von dem Schlagc mit der Flasche
berrührende 1" 3'" lange, 3'" tiefe Kopst
wunde für iinbedeutend, dagegen die durch-
driiigende Bauchwunde für die einzige Ur
sachc des Todes des'Vcrletzten, dieseu Tod
für deren unabwendbare, nothwendige
Folge. Sie sprachen ferncr'ans, daß diese
Folgr als sehr wahrscheinlich habe vor-
hcrgesehen werden können. Dcr Angc-
klagte gab in den beutigen Verhandlnngcn
zu, dem Mnller dcn tödtlichen Stt'ch ver-
setzt zu haben; er wollte sich dazu einer
Messerklingc bcdieiit häben, die cr zur
Rciiiiguiig drr Schuhe benützt, damals zn-
fällig bei sich getragen habc. Er bchaup-
tctc, den Stich in keiner andern Absicht
^'gefügt zu haben, äls um sich des Müller,
^r ihn zu erwürgen gedroht, zu erwchren.
Währeud Beuchcrt bchauptete, Müllcr habe
die erstcn Cchimpsredcn aiisgestoßen und
die Dhätlichkci'tcn begonncn, sagtcn die

meisten Zcugen das, Gegentheil aus, und
auch Joh. Müller hattc in seincn vor
seiueni Tode abgegebcncn eidlichen Aus-
sagen dcn Druchert cüs dcn Urheber des
Streits und dcr Thätlichkeiten bezeichner.
Maria Kath. Mairon, ivelche, abwcichend
von ihrcn Angaben iu der Voruntcrsnchung,
behauptcte, der Strcit habe damit begon-
ncn, daß Müller cincn Dritten aufgefor-
dert, das Fenstcr zu össnen, damit er deir
Beuchert hinauswcrfcn könne, »nd deren.
Angabcn sofvrt durch die Aussagen an-
derer Zengen widerlegt werden konnten,.
wurde auf Antrag des größh. Staats-
Anwalts und auf, Anordnung dcs Hcrrir
Präsideuteu sofort wegcn falfchen Zeug-
nisses verhaftet, und znr Untersuchung an
großh. Amtsgericht Mannheini überwiesen.
In der müiidlichen Begründung der An-
klage suchte der Großh. Staats-Anwalt
nachzuweisen, daß der Angeklagte dcn tvdt-
lichcn Stich zwar im Affekt, aber in dcr
uiibestimmten Absicht geführt habe, seinen
Gcgner entweder zu tödten, odcr am Kör-
per zu verletzen, und daß inan, weiin man
nur die Absicht der Körpcrverletzung nn-
terstclle, mindestens annehmen müsse,^daß
der Tod als dic sehr wahrscheinliche Folge
einer solchen Verletzung habe vorhergcsehen
wcrdcn köunen.

Die Vertheibigung gab nur die Absicht
dcr Körpervcrletzung und einen gein'ngeren
Grund der Wahrscheinlichkeit zn, mit der
dcr eingetretene Erfolg vorhergeschen wer-
den konnte, machte die körperliche Ilebcr-
legenheir des Müllcr über den Angeklgg-
tcn und den Stand der Nothwehr geltend,
in dem Letzterer gehanbelt habe. Die
Anklage bestritt dös Vvrhandenseiii der
Voraiissrtzungeii der Nothwehr, und bc-
hauptetc, es habe jedrnfalls eine Ueber-
schreitung der Grenzcn derselben stattge-
fundeii. ^Die Geschworenen erklärten dnrch
Dejahung der ersten und dritten der 12
gesielltcn' Fragen, daß der Angeklagte der
Urheber der tödtlichcn Wnnde des Müller
gcweseii, aber nur die Absicht eincr Kör-
perverlctzung gchabt habe. Sie vernein-
ten, daß der Angcklagte den tödtlichekl
Erfolg mit irgend einer W'ahrscheinlichkeit
habc vorhersehen köiinen, verneinten alle
übcr die Nothwehr grstclltenFragen, worauf
dcr Schwurgerichtshof dcn Angeklagten
wcgen im Affekt verübter schwcrer Kör-
Pcrverletzung zu einer Kreisgcfängnißstrafe
von ncnn Monaten vernrtheilte.
 
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