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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

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Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0109

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HndAerger Tagdlatt.

R» 28. D»»»crstag. 2. Fcbr.iar 'WW^ÄNikL 18««.

Was haben RegLerung und Land-
stande in Bezug auf das Konkor-
dat zu thun ?

Vicrlcr Ariikcl (Schluß>

Zum Schluß dl'escr Bcsprechuiifl des von
der bcid. Negl'erlliig mi't dem päpstl. Stuhle
nbgcschloffencn Konkordats crlciliben wir
uns das Urtheil cliics als praktischer
Staatsmann wie als vffentlicher Lehrer
des Staatsrechts ailsgezcichnetcn Mannes
aiizilführen, der seine konscrvative Ge-
siniinng in vieljährigen politischen Kämpfcn
wie wenige fetzt lebende bewährt hat.

Professor B l n n t sch l i zuMiinchen sagt
in seinein „AllgeMeinen Staatsrechte" zn-
nächst übcr das österreichischc Konkordat;
seine Ansicht trifft aber anch auf das ba-
dische uud wur'ttcmbergl'schc zu, weil eine
große Zahl dcr Bcstl'ininlingcn der letztern
Konkordate dein erstern oft sogar bnch-
stäblich ciitnoniincn ist (Bd. II, S. 327 ff.) :

„Eine der aliffälligsicn Erscheiniingen
unserer Zeit ist das Konko rdat, welches
untcrin 18. Ang. 1855 zwischcn dem Papstc
Piiis lX. und dcm Kaiser von Ocsterreich
Franz Joseph über die Verhältnisse der
kath. Kirchc znin Staate Oestcrreich ab-
geschlossen worden ist."

„Sie ist iim so anffallender, als sie nn't
der politischen Strömung nnserer Zeit in
einein seltsamen Widerspruch stchct. In
ciner wichtigeii Beziehung zwar ist das
Konkorda't in Ucbereinstl'inmung mit der
Zeitrichtiing, insofern näinlich, als es die
Sondcrung der kirchlicheii und dcr staat-
lichen Jiistitiltl'oiieii uiid Nechtc fördcrii
will, und anch der Kirche in ihrem Gc-
bietc freic Bewegiing zu verschaffen ver-
spricht. Allcnthalben drängt der Geist der
Zcit zu solcher Alisscheidung iind nbcrall
verlangt cr nach frcier Entwickeliing dcs
bcsouderen Dcscns. Aber wenn es wahr
wie wir aus unscrn und frewden
Beobachtnngcn schließen diirsen, daß die
kuropäi'schen Dölkkr seit einigcr Zeit wicder
religi'öser gcwordcn sind, so ist cs sichcr

nicht minder wahr, daß das politi'sche
Bcwußtscin uoch'mchr fortgcschrittcn ist,
^liie Uiiterordiniiig des Slaatcs iiiiter
die Kirche, die uian im Prinzip fruher
leichter getragen hat, heutc völlig uuua-
turlich und uncrträglich erscheint, und daß
emc Erneueruiig der klerikal cn H cr r-
Ichaft der Mitwelt aufch Acußcrste ver-

haßt ist. Dcr Vcrsnch dazu miißtc zn
hefti'gcn Gegenstößcn rcizen. Die Dämo-
nen der Nkvoliition wcrden durch die kirch-
lichen Bannstrahlcn nicht mehr gctödtct,
sondern cntziindet, und dic politische Gäh-
rung wird durch dcn kirchlichen Truck nicht
untcrdriickt, sondcrn gercizt und gesteigcrt."

„Die Konkordate sind dem öffent-
licheu Ncchtc angehörige Verträge zwischeu
dcm Staat und der Kirche, als zwei sclbst-
ständigen Mächten und diese Form ist da-
chcr für beide Koutrahenten würdig und
passcnd, um ihre wechselseitigen Verhält-
! nisse fiir beidc vcrbiiidll'ch zu regcliu Eine
! gcwiffe Gleichhcit dcr Stelliiiig, cbcn die
wechselseitig aiicrkanntc'Persönlichkeit der
Vertragsparteicn, wird naturgemäß bci
Abschließung cines Vcrtrags vorausgescl;t,

> und es schcint sich vdn selbst zn vcrstchcn,

^ daß dabei der Staal seine Eristcuz wahrc,

' wie dic Kirche dic ihrigc, und daß in
jedein derarti'gen Verlrage die Staats-
prinzipien klar und energisch, wie es
der Maji'stät und dem politischen Dewußt-
scin des modernen Staates gebührt^ ncben
den kirch I i ch c n G r u n d s ätz e n ans-
g^esprochen werden."

„Wcnn aber schon in den bisherigcn
Koukordateii, nngeachtet i'm 19ten Jahr-
hundert der Staat vicl mächtiger ist als
die Kirche, der kirchlichc Standpuukt
vorzugsweise beachtet worden ist, so tritt
diese kirchliche El'nsci'tigkeit in dem öster-
rcich'ischcn Konkordat noch grcller hervor,
als i'n irgend einein andern.... ."

„Dl'e kirchcnrechtll'chcn Grund-
sätze werden ausschließli'ch beachtet iino
proklaiiiirt, die Staätsprinzipien
höchstcns dnrch Stillschweigcn vorbchal-
ten. Selbst,> wo die kirchlichen Anord--
nnngen des Konzils von Trient init Niick-
sicht auf uralte- staatlichc Nechte einige
Modisikatl'onen erdulden müssen, wie be-
züglich der weltlicheu Gerichtsbarkeit über
Geistliche, wcrdeu diesclben niir wie cine
vorübcrgcheude Konzession des päpstl.
Stuhls ' an dic Zeitvcrhältniffc zugestau-
den, oder wie einc Vergünstigung von
Seite dcr Kirche bewilligt. Vergeblich
sücht man in dcm Koukordat nach eincr
Spur von Staatsbewiißtsein iind Staats-
hoheit. .El'n geistlichcs Hochgcfühl > st » "
in dcni Ausdruck der Kirchc s''

Man wird daher bci Lesung diefes Dotu-
incnts nuwillkttrlich an jcne
Vorstellssng erinnert, daß dic Kirche has

Neich des Geistcs, der Staat nur das
Ncich des Lcibes sci. So schr hcdrscht
darin der kirchlichc Geist vor."

„Da die Crfahrungen nnd' die Leiden
drcier Jahphiindertc crwicscn habcn, daß
kcine der beidcn großeii' Konfcssioncn die
andcre in Deutschland zu übcrwindcn vcr-
mag, vielmehr beide cinander friedlich be-
stchcu lasscn müssen, so ist es zuglcich klar
gewozdcn, daß eiiie einseitig konfessionelle
Politik jedcrzeit dcn Widerspruch von
mindestcns der andern Hälfte dcr deutschen
Nation hervorruft, und indem sie Dentsch-
land entzweit und seine Kraft lähmt, eine
diirchaus undeutsche Politik sei."

„Dentschlaud läßt sich wedcr katho-
lisch, noch prvtcstantisch regieren.
Nur die Politik darf als cine wahrh aft
deutsche Anerkennnng fordcrn und Wir-
kiing hoffen, welche vvn keincr besondern
Konfession befangcn, eincn gemcinsam-na-
tionalen aber humaiien Standpunkt niinint,
von der aus sie den verschicdcnen Kon-
sessionen gerecht wird, und den konfessio-
nellcn Fricden Aller schiitzt. Das ist aber
dcr Standplinktdes mod ern cn Staates,
dcr selbstständig uicht -'iinerhalb, sondern
anßer dcr Kirche stehet, uud daher von
sich aus nach staatlichen Priiizipien die
Nechte der Jndividuen wie der kirchlichen
Gemeinschaft erkennt nnd ordnet."

D e rr t s ch l a n d.

Karlsruhe, 30. Ian. Die Trauer-
nachricht vou dem Hiiischeidcn Ihrcr k.
Hoheit der Großherzogi» Stephauie er-
rcgte hicr in viclen Kreifcn cinc lebhafte
Theilnabine. Es soll die Aiiordnnng ge-
troffen sein, daß die Leiche der curschlafc'-
iie» Furstin durcb Frankreich übcr Kehl
in das badische Land gelangcn soll, um
sodanii in der Fiirstengruft zu Pforzheim
den lehteii Platz ansznfüllcn. — El'nigen
hicr l'» Uelaub sich bcfiudlichen öster-
reichischcn Ogizieren ist dcr Befehl zum
sofortigen Einriicken ziigegangen. (M. I.)

Karlsruhe, 30. Ian. Nach dcm
cv. Kl'rchen- und Volksblatt (Nr, 5)
hätte der ev. Oberkirchenrath die Vc-
schwerden der protest. Professoren zu
Freiburg für begründet anerkaniit nnd
dägegen die geei'gneten Schritte gethan,
und auch die Angelegeuheit der geuüschten
Ehen ins Auge gefaßt.
 
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