Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Mai
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0429

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
^ >ich. Brci«iiii!U»icrhalI>mg»l-l>>II V'ici

iLbrlich 36 !r.

Diettftag, 7. Mni


Die Mannheimer Pctition

jii Betrcff Kurhtssenö.

Folgeiidcs i'st der Wortluut der Maiin-
heimcr Adresse, welchc in Betress dcr kur-
hcssischeu Vcrfcissuiigöaiigclkqciihei't- l'ereits
au die 2. Kamiiicr dcr badischeii Land-
ständc eingesaiidt worden ist: Hohe zweite
Kanimer! E6 hat uns tief betrübt, aus
dett vcröffentli'chteu Berichtcn übcr die
Sitzulig der dcutscheu Buiidcsversaiiiinliiug
vom 24. März d. Z. zü erfahrcn, daß
dcr Vcr'trcter Badeus mit dcr Mchrhcit
gksti'nmit hat. Dcim durch dcn Dundts-
beschluß vott. jcucui Täg hat uicht allein
ci'iic iiuerhörte Gewaltrhat gcgcu das hes-!
fische Volk ciue »eiie .Sancli'oii crhaltcn,
sviiderii cs find auch allc deutschcn Vcr-
fassungen in Frägc gcstcllt wordcn. Daruiii
haltcu wir jcdcii Dciitschrn, wclchcin ein
Hcrz für Necht u'iid CPre im Buseu schlägt,
für bcrufcii, nach dcm von der königlich
prenßischcn Negierung gegcb'cncu Deispiel,
welcbcs deu lebhafteftcii Auklang in der
preußischen Vvlkskaniincr gcfundeu hat,
Vcrwahrnug eiuziiltgeu gegeu diescu Be-
schlnß, wclcher, indcin er ei'ue in auer-
kauiitcr Wi'rksamkcit bcstchcnde Vcrfassung
in nicht verfassungsiiiäßiger -Wcise auf-
. hebt, den Art. 56 dcr Wicuer Schlußakte
vcrlctzt, und cbeu dadurch, wcil dic Ver-
fassungeii die Gruiidlageu allcs positiveu
Ncchtes sind, die Ncchtssicherheit, dcn pri-
nii'tiveii Zwcck drs. dculscheu Bundcs und
somit deu ganzeii Bestaud dcssclben, iu
eiiieni Momcute bcdroht, da cinc ernste
'Gefahr von Aiißeu läglich uäher tritt uud
Füistcn wie Völkcr zusan.incn zu stchen
dringciid liiahnt. Di'ese hohe Kamnier hat
zwar ihre Ansicht l'ei'cits iu unzweidcutiger
Weise kinidgcgel'cu, und' die luzwi'fchcu
in der NcglLruiig cl'ugctretene Berändcrung
läßt uus hvsscu, daß di'e Stiiuiuc dcs
Ncchts fetzt auch dort Gchör findeu wcrdc»!
Wir glaubeu abcr, daß auch das Volk!
berufcn ist, Zeugniß al'zulegeu von seinciii
Mitgefühl bci dcu nnvcrdiciitcn Leideu
eincs deutschcn Bruderstanimcs, u„d weun
wi'r ihin auch nicht helfcn kömieii, ,hn,
iveiii'gstcns'dru Trvst wärinstbr Theiinahme
aus dcr Ferne ziizuscndcii. Zn dcr That,
unfern wackcrn Brüdern in Kurhrsscn war
es beschicven,- dcn Kelch bittern Leides bis
auf Vie Hrfc zu lceren. Jm vvrigen Jahr-
hnndert wurdcn ihre Landeskiuder an Eng-
land verkauft, um die in den nordameri-

kanischcn Coloniren aufdämmcrude Frei-
hrit uuterdriicken ;u helfcn i im Anfang
dieses Jahrbundcrts, als Kurhesseu dcm
KöNigrcich Wcstphalcu ei'nvcrlcibt wurde,
mußten sie die Schmach dcr Fi emdherrschaft
duldeu. Nach der Schlacht vou Leipzig
kchr'tc Kurfürst Wilhclm l. zurück uud
wtirde jnbelttd empfangcn; aber seiu fcier-
lich gcgebcucs Fürstcnwort, vic altc Ver-
fassuiig wicdcr herzustclicn, löste er
nicht cin. . Skincn Svhu und Nach-
fvlgcr zwangen dic Ereignissc dcs Jahres
1830, dic alkcn Stände zu berufcn. Mit
di'escn. wurde i'm Wcgc dcr Vereiubarung
dic Vcrfassung vopi 5. Zam 1631 festge-
stcllc und am 8. Januar desselben Jahrcs
in feicrlichcr Sitznng von dcm Kurfürsteu
und allcn hohcn Würdeträgern bcschworen.
Dcr jrtzige Kurfürst war »icht alsein da-
mals zugegcu, sondern er hat anch bei
dcm Antrctcn dcr Negicrung dic Aufrecht-
haltung diescr Verfassnng feierlich- gelobt.
Wie cr Wort gchalten, ist hinläiiglich be-
kannt. Von i'hni wurde Hasscnpflng, dcr
damals wegen Fälschung in Untcrsnchung
stand, ins Land bcrufen; von seiuer Nc-
gierung wurde die Bundescrecution gcgen
sein Volk veranlaßt, weil die ältcstcn und
erprobtesteu Staatsdiener wcgcu dcs auf
die Verfassung gelcistcten Cides crklärtcn,
dic nicht von dcn Ständcn verwilligteii
Steucrn nicht crhcben zu dürfcn; von
sciner NcAi'crung ging dcr Antrag auf
Deseitigung eincr Vcrfassung aus, dercn
Aufrechihaltung cr feicrlich gelobt hatte.
Es erschriiit nnglaublich, wcnn man aus
dcn Bcrichtcn dcr Buiidescommi'ssärc er-
fährt, daß dicse die Compctcuz dcr Bun-
dcsvcrsammlung zur Aufhebung der Vcr-
fassung gcrade darauf gründetcn, daß der
Kurfürsi svwohl, wie seiue Rcgierung durch
feicrliche Zusagcu an dicsc Verfassung gc-
l'undcn scien. Wic schlccht muß cs um
dicse Coinpetcuz stchni, wcun man ge-
nöthigt war, zu derglei'chen Sophismru
scine Zuflucht zu iichmen! Auch ist cs für
dcn Kundigen längst kcin Gehcimni'ß, daß
die Bnndesvcrsammliing durch ihrc Gruud-
gcsetzc wohl berufen ist, gefährdcte Ver-
fassnngeu zu schütz.eii, aber durchaus keinc
Bcrechtiguug hat, eine bestehciidc Der-
fassung aufzuheben, oder auch nur anzn-
tasteu. Frageu wir, warum die kurhes-
sische Verfassung beseitigt wurde, >o wird
uns zwar die Antwort, jenc Dcrfassnug
stche mit den Art. 54, 57 und 58 der

Wieuer Schlitßakte in Widerspruch. Aber
das ist uur ciu leerer Dorwand. Zcne
Vcrfassuug wurdc schon im Jahre 1831
mit dcm Gcsuch um Gewähr derselb-.n
bci dcr Bundcsversammlung eiiigcreichi,
und cs war däher zu erwarteu, daß dicse,
wcun sic etwas BundeSwidrigcs darin
gcfundcn hättc, uicht ermangelt haben
würdc, sich damals darübcr auszusprechcn.
Sie hat aber 20 Zahre gcschwiegeu.; ebeu-
sowcnig hat die kurhessische Negi'eruiig im
Verlauf ciner so langcn Zeit, in welcher
dic maniiigfaltigsteu 'Verfassuugsfragen
aiiftanchtcn, u»d zu vielfachcu Disserciizen
mit dcu Ständen führten, irgend eine
Aiideukung der Art gcgeben. Die augeb-
lichc Dundeswidrigkeit ist eine Hasscii-
pflug'sche Erfindnug, welche Hcrr von
Uhden zu colportircn sich nicht gescheut
hat. Auch hat in drr bapcrischen Kammcr
Mi'nister vou dcr Pfordten sich deutlich
geuug dahin ausgesprocheu, daß in Kur-
hessen die deutsche Frage zur Eutschei'dung
gebracht werdcn solltc. Es'galt, mittelst
Zcrreißung dcr Union Preußcn zu de-
müthigcn; es galt, mittclst Wiedcrher-
stcllung dcsBlindeStagesOestcrrcichsHcrr-
schaft in Tcutschland aufs Neue zu be-
gründeu; es galt, alle jcnc stolzen Hoss-
nnngeii, welche der großartige Aufschwiiiig
des dcutschcn Volkes im Jahre 1848 für
die Einheit, Macht und Größe des Datcr-
landcs angeregt hatte, zu zerstören, und
den Partiklilarisinus, welcher uus schuh-
und wehrlos dem Uebermuthe der Nach-
barn Preis gibt, zu festigeu. Die trau-
rigcn Folgru dieses DcrfahlcuS treten
untcr den gegcnwärtigeii Derhältuisien
Europas klarer als je zu Vage. Schleu-
uigc Hülfc thut Noth. Sie kanu nnr ge-
fiindcn wrrdcn-iu dcr Cinigung der Na-
tion uiiv in -dcm ciitschiedenen Anschluß
au die Ni'chtiiiig, wclche Preußen in dieser
Frage ci'ngcschlagen hat uud welche wir
auch iu allcu übrigcu natl'vnaleii Auge-
Icgenhcitc» von Preußen verfolgt und von
unscrcr Pcgierung kräftigst unterstützt zu
fchcu hosscn. Darum stellen wir >die ver-
traueusvollc Bitte, „diese hohe Kammer
wolle in gutfindender Weise die großh.
Staatsregieruug veranlasscn, daß sie im
Einverständniß mit der königl. prenßi'schen
Nrgieruiig anf Wl'cderherstcllling dcS m
Kurhcssen gebrochcnenNechtSzustaiides mtt
allcn ihr zu Gebot stehendeu Mi'tlcln hin-
wirke. Mannycim, dru 27. April. 1860."
 
Annotationen