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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0383

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gegen di'e Politik Radowitz der -sieg ein.
gcräuint, dnö Schlilnmste ist, daß^es sich
demAnschlage geqen Knrhefsen une> schleö-
wig-Holstein angeschlossen hat. Sein Han-
dcl'n crinncrl an iene Fabel von dem
Hnndc, der, fiir ftinen Herrn einen Korb
mit Brod tragcnd, von ver Mente iiber-
fallcn, statt daö ihm anvcrtrantc Gnt zn
schl'chen, es gcrathener findet, sich mit dcr
Mente zn vereinigcn, nm anch seinen An-
theil zn erhalten. Und doch hatte Knr-
hcsscn, gcrade um Preußcn, schwer gelit-
tcn, wic dieö v. d. Pfordten in ded baye-
rischen Kammcr (mit den bereitö friiher
,'n diesem Bericht angefnhrten Worten)
i'n etwas cpnischcr Weise/)ffen ansgespro-
chen hat. Von diescr Äcndnng der Poli-
tik Prcnßens vatiren seinc Niederlagen;
vie Machinationen in Bamberg, Wnrzbnrg
und Dreödcit sind erfolgt, niid selbst Schmä-
hnngcn sind ihm nicht erspart worden.

' Wir haben vic Berechtignng, vom Bnn-
destage abzutreten, weil cr nnr faktisch
eristirt, nnd' wcnn man dcshalb Prenßen
Jnconscqllenzcn vorwirft, so wird die fe-
tzige Rcgiernng, welche den Nachlaß ihrer
Vorgängerin eunl lieilelioio iilvsilt.-lrii
angetretcn hat, antworten können: Das
Prcnßen von 1.860 ist nicht mehr das
Preußen von 1851. Gewr'ß sind die be-
dcntendeii Folgen dieses schrittes zn bc-
denken/ aber dic Gefahrcn, oie das Vrr-
-bleibrn am Bnndc init sich fnhrt, liegen
vor Angen; es sind anch dentsche Gefahren,
namcntlich Lndwig Napolcon geg'ennber.
Ossene Feinde sind beffer als verdeckte
Frennde.FrankreichgegenüberstehtPrenßen
vielleicht besser allcin als gclähmt durch
das Vcrhältniß am Bunde. Nnr von
einein schweren Krieg ist Bcssernng, nnr
ans ciner Blutsaat die reifende Frncht
stärkrrer Einignng Dentschlands zn er-
warten Keine dentsche Regiernng wird
es wagen,.mit den Wassen in der Hand
Prenßen zum Vcrbleiben am Bnnde zu
f nvthigen, namentlich jetzt nicht, da Ocstcr-
rejch lahm ist. Ob nicht darans cin Nhein-
bnnd zu fürchten ist? Der dentsche Fürst,
dcr einen lolchrn wagtc, würde vamit sciner
" Dpnastic für alle Zcitcn das Grab graben.

Nnßland, durch innerc Angelegenheiten ge-
' lähmt, scheint keinc kust zn habcn, sich in
enropäi;chc Fragen zn mischen, wenn
" es nicht dircct betheiligt ist. Englanb

° wird in seincr gcgenwärtigcn Lage nnd

Stl'inmnng kcine Schwicrigkeitcn inachen.
Der französische Kaiser spccnlirt aller-
dings anf dic Uncinigkeit Dcntschlands,
abe.r sie cristirt ja schon, nnr vcrdcckt; er
wird anch bciin Forlbcstchcn des Bnndes
^ Dentschland nicht einig findcn. Allerdings

würde Dänemark sich Schleswig-Holstcin
T' incorporiren, abcr der Bnnd hat bis jctzt

diesen Ländcrn ni'chts genützt; ohne Bnnd
E wären sie besser daran. Dicsc Fragc ist
überhanpt eine europäische, und Prcnßcn
^ als Großmacht wird imnier fnr Tchles-

'jlci

s

wig-Holstein wirkcn könncii. Nach dcr
Jsolirnng Prenßens wird- bald dcr Einc
nnd dcr Andere sich ihm dnrch Bnnvniß
anschließen,- ähnlich wie dies anf handcls-
politischcm Gebictc bei der Auflösung deö
Ml'tteldentschcnHandclsvereinsgeschchcnist.
Prenßen mnß znnächst mit dem Rücktritt
vom Bnnde drohen, dann wirklich zurück-
trcten. k'ortes fortuna gnvat. Die Re-
solntion wird von dem Mitgliedc dahin
bcantragt: „Jn Anbetracht, daß über die
Gebrechen dcr dermaligcn deutschcn Bnn-
dcsvcrfassnng kein begründeter Zweifel
mehr obwalten kann, daß ferner alle Be>
strcbnngcn, eine Reform anf dem Wcge
gegenseitiger Vcrständignng zu erwirkcn,
sich als crfolglos crwiescn habcn, daß
abcr cin längcres Vcrharren mit Gefah-
ren, insbesondere anch für Prenßen, ver-
bnndcn ist, erklärt sich das Hans dahin,
daß es in cincm Znrücktreten Prcnßens
vom Bnndestag nnter Vorbehalt cincr
Ei'iu'gnng aüf anderer Grundläge das cinzige
Ansknnftsmittel erkcnnc, nm Prenßcns
Machtstellnngznwahrcn nndbeffereZnstände
inDentschland anznbahnen." Der Minister
Ver answärtigen Angelcgenheiten trat dic-
ser Ncsolntion aus Gründen des Rechtos
nnd der Politik cntgegcn.

Der Polizeidirektor Stieber
ist anf einc Anschnldignng, als ob cr vor
fünf Iahrcn zwei Personen zu einem
Bergleiche genöthigt habe, verhaftet, abcr
wie schon mitgctheilt, wicder in Freiheit
gesetzt wordcn.

Wien, 17. April. Die Sclbflinords-
chronik ist noch nicht geschlossen. Am 13.
d. Abends hat sich in Pesth Hr. Vinzens
Weinczirl, ciner der geachtetflcn dortigen
Kanflentc, ver viele Ehrenstellen beklcidete,
wegen zerrütteteter Bermögensverhälciu'sse
dnrch Oessneii der Adern vas Leben ge-
nomme».

A r a »i k r e i ch.

P.rriö,'20. April. Der Kaiser Na-
poleon ist hcnte in sein 53. Lebensjahr'
getretcn.

I t a l i e n.

Turin, 18. April. 'Während die öffi-
ziellen Berichtc ans Neapcl die Bewc-
gnng anf Sizilien für beenvet ansgcben,
erklärt sich 'die Gazzettä di Tarino er--
mächtigt, dieft Berüchtc Lügcn zn strafen.
„Im Gegcntheil, sagt sie, die Bewegnng
wächst, dehnt sick^ ans nnd hat einen
Charakter angenommen, der dic gegen-
wärti'ge Ordnnng dcr Dinge im König-
reich beiver'Sizilien gänzlich ändern nnd
die große Idec der nationalen Einheit
verwirklichen wird. Die Personen, welchc
sich an Ort nnd Stelle aii der Spitze
der Bewegung bcsindcn, sind enrschlogciie,
intelUgente und einflnßrciche Männcr,
Männer, die seit viclen Iahrcn der ita-
lieifischcn Sachc tren crgcbcn si»d nnd
nur der Uebermacht nnd ciiiem nnauö-

weichlichcn Schlcksal nachgebcn wcrden
Männer cndlich, dercn Namen, wenn sie
bekannt ;ein wcrden, nicht ermangeln
dürften, bei Vielcn dic höchste Verwun-
dcrung zn crrcgcn. Um dic Revolntion
zn unterdrücken, müßte.der Köiu'g von
Neapel seine ganze Armee nach Sizilien
überschicken können, was bci der geqen-
wärtigcn Agitation in Neapcl unmöglich
ist. So di Gazzetta dic Torino, ' dcr
ich anch alle Verantwortnng für ihre
Bchanptungcn überlasse.

Bolouna, 17. April. Der Erzbischof
hat cin Nundschreibcn an den Clerns
sclnes Sprcngrls erlaffen, welches dem-
selben verbietet, denjenigen die Absolution
zn' crtheilen, die für 'die Annerion an
Sardiiu'en gcstimmt haben. Während der
Anwesenheic dcs Königs Victor Emanucl
zieht der Erzbischof anfs Land; das Dom-
capitel bcgibt sich in ein' Kloster.

Neapel, 10. April. Das Decret des
Gencrals Salzano, welches den Belage-
rungsznstand 'über Palermo und seinen
Bezirk ver-hängt, ist sehr streng.^ Alle
Bnchdruckercien blciben währcnd destclben
geschlossen. Man darf keinc Freunde im
Hausc empfangcn; ant der Straße darf
nnr je cine Person allein gehen, Nachts
nicht ohne Laterne. - Alle diese Berichte
strafen dic ofssciellen Depeschen Lügen. Am
meisten aber die Vorkehrungen, wclche dic
Regiernng trisst. Alle Dampfer sind be-
legt, nm Soldaten nach Zicilien zu briugen.

Neapel, 14. April. Es ist klar, daß
der Anfstand in Sizl'lien fortdanert nnd
bereits dic ganze Inscl ergriffen hal.
Ueber Messina ist der Bclagerungszu-
stand erklärt. Vielc Familicn flüchtcn
sich von dort, wie von Palermo hieher.
Der Bclagcrnngsznstand wird mit solcher
Strenge gehandhabt,' daß kein Mensch
den andern Lesnchen und nic zwei Pcr-
sonen zusammen auf der >straße gehen
bürfcn. Man erzählt, daß mehrere Per-
sonen des höchsten Ädels standrechtlich
crschossen wurden.

Steapel, 14. April. Der sizilische
Anfstand ist sehr bedcntend; die Anfstän-
dischen zählen wciu'astens 5000 Bewan-
nete nnd vcrmehren sich täglich, die ita-
lienische Fahnc flattert fast überall-an dcr
Küste, die ganze Inftl ist in Bewegung.
Die Kön. Truppen stnd demoralisirt', sie
inorden, plniidern, scngen. Hier wnrde
hente eine aiifrührerischc Proklaination

anögetheilt.

Paleriuo, ll. April. Der Auf-
stanv wnrve dnrch Verrath im Jnnern
ves Klosterö Gaitcia e r dn rckt. Dic Stadt
ist rnhig. Jcden Tgg machen 3000 Mann
„lilitärische Ercnrsioncn anf den Haupt-
straßen in die Umgegend. Der ans an-
gcsehcnen Personen bestehende revolntio-
näre Ansschnß ist zzim Tode vernrtheilr.
Der König hat die Anfschiebung der Hin-
richtiing anbefohlen.
 
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