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Heidelberger Lokalanzeiger: Neuer Heidelberger Anzeiger (28) — 1901

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No. 240 - No. 249 (14. Oktober - 24. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43809#0081
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28. IaHrgarrg.

A«L«rge ea. 750V


Geschäftsstelle: Hauptstraße 4S
(Eingang Brmmengasse).

Neuer Heidelberger Anzeiger

Zweigstelle: E. SelsesdLrfer
Untere Neckarstratze 17.

WM" Aer LoLal-Anzekger kommt in jedes Kans in Heidelberg »nd hat die größte Dcrvreitnng in de« Ortschaften der Amgeönug. "PW
Erscheiwt täglich Vormittags mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. Preis monatlich so Pfg., mit dem „Jllustrirten Sonntagsblatt' monatlich 40 Pfg. incl. Trägcrlohn. Durch die Post bezogen vierteljährlich r ML ohne Bestellgeld.
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ILen^kag, den 22. Dktoöer

Postzeitungsliste No. 3306-

Geschäftsstelle: Telephon 125.

1SÜ1.

M 247.

Vas Neueste.
* I. K. Hoheiten der Großherzog und die
Großherzogin von Baden begaben sich gestern
zum Besuche der Schwester des Großherzogs, der
berwittweten Herzogin von Sachsen-Coburg-Gotha
Nach Coburg, von wo sie am nächsten Mittwoch zu-
rückkehren werden,
* Erbgrotzherzog und Erbgroßher -
zogin von Baden sind gestern nach Koblenz ge-
reist, wo S. K. Hoh. das Commando wieder über-
nimmt.
* Der Kronprinz und die Kron-
prinzessin von Schweden werden morgen
in Baden-Baden cintreffen.
* Prinz Adalbert von Preußen traf
gestern in Konstantinopel ein und wird heute vom
Sultan in feierlicher Audienz empfangen werden.
* Prinz Georg von Griechenland wird nach
seiner demnächstigen Rückkehr mit der Zustimm-
ung Rußlands dieAnnexionKretas an
Griechenland proclamiren.
* Bei dem Infanterieregiment Nr. 126 in
Straßburg find mehrere Thphuserkrankun -
gen borgekommen, darunter einige mit tödtlichcm
Ausgang.

»Die Akademie für Social- und
Handelswi ssenschaften in Frankfurt
2. M. wurde gestern im Beisein von Vertretern der
städtischen und staatlichen Behörden feierlich er-
öffn e t.
* Den meuterischen englischen Sol-
daten im Lager von Shdrncliffe wurde von der
Militärbehörde versprochen, sie nicht eher nach Süd-
afrika einzuschiffen, als bis ihr rückständiger
Sold bezahlt ist.
» Unter der ländlichen Bevölkerung auf Sici-
lien sind große Ausstände und Unruhen ausge-
brochen.
* Schiffsunterofficier Griebe aus Wilhelms-
haven erschoß gestern auf dem Friedhöfe in
Danzig seine Braut, deren Stiefmutter und
dann sich selbst.
(Nachdruck verboten.)
A»z' m AM, Zühn m Ah«.
Roman von Karl Eden.
79) (Fortsetzung.)
Dorinka harte die Russin mit beiden Armen
umfaßt, und das Gesicht derselben wurde weniger
streng, als die Tochter Israels fortfuhr: „Las-
sen Sie mir nur Zeit, ihn von der Falschheit des
Gouverneurs zu überzeugen, dann wird er auf-
richtig einer der unsrigen sein und sich als ein
thatkrästiger Führer erweisen, denn er ist klug
und kennt alle Geheimnisse der Behörden. Wann
wird man ihm sagen können, wo ich bin, um ihn
von der Angst zu befreien, drs an seinem Herzen
nagt, so lange er glaubt, daß ich, sein einziges
Kind ihn verlassen Hobe? Dorinka, ich liebe mei-
nen alten Vater, den Sie verachten! Wann werde
ich ihn Wiedersehen?" Thränen glänzten in den
dunklen Augen Rybka's und ihre Stimme bebte.
Die ernste Russin war tief gerührt und erwiderte
sanft:
„Fürchte nichts! Wir wollen Geduld haben;
Dein Vater darf noch nicht wissen, wo Du ver-
borgen bist, denn dadurch würde alles verdorben
werden. So klug er ist, kennt er doch nicht die
Macht der gerechten Sache und würde zögern,
sich uns anzuschlietzen. Sein Wirken ist uns seit
Jahren wohl bekannt; aber wenn er uns verra-
then würde, wenn einst eine Warnung ausge-
sprachen wird, so ist sein Schicksal besiegelt. We-
der ich, noch das geheime Comitee könnte ihn
retten und wir würden auch keinen Versuch dazu
wachen. Darum mußt Du Geduld haben, Ryb-
ka, und Dein Vater die Angst ertragen, bis die
Stunde kommt, wo er alles erfährt, und damit
auch die Gelegenheit, sich als treuer Anhänger
der gerechten Sache zu erweisen. Aber nun
höre, was mich hierher geführt hat, Rybka, Du
hast mich getäuscht!"
„Getäuscht?" ervfiderte die Israelitin er-
schrocken, «getäuscht? Wie und wann?"

Q Ludwigshafen, 21. Oct. Der Schaden bei
der Brand-Katastrophe der Kammgarn-
spinnerei und Scunmt-Fabrik in Oggersheim beläuft
sich auf etwa 1 Million Mark. Betheiligt sind dabei
8 Versicherungs-Gesellschaften mit 780,000 Mk.: die
Leipziger, Badische, Süddeutsche, Helvetia, Baseler,
Westdeutsche in Essen, München-Gladbacher und eins
schlesische Versicherungs-Gesellschaft. Außerdem ist
die Fabrik mit 150,000 M. bei der königlichen Brand-
Versicherungskammer für die Pfalz versichert. In der
Spinnerei waren beschäftigt 125 weibliche und 65
männliche Personen, welche in den anderen Betrieben
beschäftigt werden können. Der Betrieb der Spin-
nerei wird auf Wei bis drei Jahre ausgesetzt werden
müssen.
W St. Etienne, 21. Oct. Der Präfekt des
Loire - Departements erklärte einem Berichter-
statter, daß er in einem GesammLsaüs-
stand eine revolutionäre Beweg-
ung erblicke und ihn dementsprechend behandeln
werde. Er sei ermächtigt, das diesbezügliche
Gesetz von 1848 anzuwenden.
ld Brüssel, 21. Oct. Im hiesigen Buren-
Hilfs-Comits erzählt man sich, es sei dem Prä-
sidenten Krüger vor etwa acht Tagen von
gänzlich unbekannter Seite eins Summe von 2
Millionen Francs in englischen Bankno-
ten überwiesen worden mit der Widmung: „Ein
Beitrag zur Ergänzung des Waffen- und Muni-
tions-Vorraths der tapferen Buren!" Im An-
schluß hieran wird versichert, daß Agenten der
Buren seit Langem in allen südafrianischen Ha-
fenplätzen mit großem Erfolge tbätig seien, nm
aus den Händen englischer Kaufleute Kriegsbe-
darf für die Burma uszukaufen.
>AV Haag, 24. Oct. Die Burenabord-
nung erhielt keine Nachricht, welche die Meld-
ung von dem Tode Dewets als begründet er-
scheinen ließe. Die Abgesandten schenken der
betreffenden Meldung keinen Glauben und schrei-
ben die Unthätigkeit Dewets einer ganz anderen
Ursache zu.
VV London, 21. Oct. „Daily Mail" meldet
aus Brüssel: Präsident Krüger empfing einen
Bericht von Schalk Burger, vom 23. September,
worin mitgetheilt wird, daß ein großer Theil der
Kap - Colo nie in offenem Aufruhrs siebt.
Die Buren haben während der letzten drei
Monate über 43 000 Kap-Holländer bewaffnet.
Die Lage der Buren wird in dem Bericht als
sehr gut bezeichnet.
-^ London, 21'. Oct. Ein außeror-
dentlicher Ministerrath ist für Don-

„Getäuscht, sage ich. Du hast mir verheim-
licht, daß Du den junger Dragonerofficier von
Stahlberg liebst!"
Es war ein kühner Streich, aber Dorinka
sah an dem tiefen Erbleichen des Mädchens, daß
derselbe richtig getroffen hatte.
„Ihn lieben!" erwiderte das Mädchen, „möge
der Gott Abrahams Zeuge sein, daß ich ihn liebe,
verehre, anbete mit aller Kraft meiner Seele!
Wehe, das es so ist! Wie anders kann eine solche
Liebe endigen als in Jammer für Beide! Aber er
ahnt nicht meine Liebs! Höre, Weib!" ries sie,
plötzlich auf Dorinka zutretend und ihre Hände
ergreifend, „strenges, unerfocschliches Wesen mit
der Schlauheit der Schlange und einem Herzen
härter als Erz! Haben niemals zarte Gefühle
Teins Brust erwärmt? Bist Du niemals demje-
nigen begegnet, der den Granit, da» in Deinem
Herzen verborgen ist, rühren konnte? O doch,
ich sehe es in Deinem Gesicht! .... Dorinka
vergieb mir! . . . Bei dem Gedächtniß jene-
Einen, ob er noch am Leben oder schon todt ist,
beschwöre ich Dich, verschone diesen unschuldigen,
jungen Mann, halte ihn fern von den Ränken
Deines Lebens, von den verzweifelten Netzen,
dis zu weben Dein Beruf ist! Deinem Geheiß
muß ich gehorchen und Dir blindlings folgen,
und ich will niemals wanken, so groß die Gefahr
auch sein mag! Wer ihn — meinen Ludwig—
meine Liebe — verschone ihn, ich bitte Dich!
Habe Gnade für den Jüngling, der das ver-
achtete Iudenmädchen nicht für unwürdig des
reichen Schatzes seiner Liebe gehalten hat!"
Ruhig und schweigend hörte die Russin die
leidenschaftlichen Bitten an und kein Zeichen
von Zorn war auf ihrem Gesicht zu bemerken;
nur ein Strahl von Zärtlichkeit glänzte in den
grauen Augen, von welchen die Brille verschwun-
den war. Rybka's Worte schienen Erinnerungen
zu erwecken und eher Mitleiden als Groll erweckt
zu haben.

nerstag anberaut. Wie es heißt, sollen in dem-
selben wichtige Erklärungen hinsichtlich des
Krieges in Südafrika gegeben werden.
K> Lourcnco-Marqucs, 21. Oct. Die Bu-
ren haben verschiedene Militärposten in
Swaziland überrumpelt und einige
hundert Kriegsgefangene dabei ge-
macht.

Politisches.
Die Kaiserin vollendet heute ihr 43. Lebens-
jahr. Zu den allgemeinen Segenswünschen,
die, wie immer, so auch an diesem Tage ihr und
der kaiserlichen Familie gespendet werden, ge-
sellen sich diesmal noch besondere Wünsche für die
volle Wiederherstellung ihrer Gesundheit. Möge
der Beginn eines neuen Lebensjahres ihr und
den Ihrigen, über deren Wohlergehen sie mit
der fürsorglichen Liebe einer echt deutschen Haus-
frau wacht, nur gute Tage bescheeren!
Tic Verwundung des Prinzen Wilhelm. In
der „B. Pr." meldet sich der Artillerist,
von dem mehrfach im Zusammenhang mit der
Verwundung des Prinzen Wilhelm bei
Nuits in den Zeitungen jetzt die Rede war. Es
ist der Bauschätzer und ehemalige Obergefreite
Friedrich Kniehl in Adelsheim, der dem
genannten Blatt folgende interessante Neminis-
cenz übermittelt:
Beim Rücktransport dcZ mittels Rettungstau
trara, portabel hergestcllien Geschützes redete mich
Großh. Hoheit ca. 5 Minuten vor seiner erfolgten
Verwundung an: wohin ich mit dem Geschütz wolle.
Als ich die Meldung erstatete, das Geschütz sei defect
und unbrauchbar geworden, erwiderte Großh. Hoheit:
„Beeilen Sie sich nur, daß Sie von diesem sehr ge-
fahrvollen Platze Wegkommen." Kaum war ich. 50
Schritt weiter gegangen, da brach das Rettungstau
aufs Neue. Im gleichen Moment erhielt Großh. Ho-
heit seine Verwundung, wobei ich sofort bemerkte, daß
das Blut stark über seine Wange floß. Dem
Krankenwagen zutretend, der in nächster Nähe war,
sprach Großh. Hoheit: „Sie haben mir eins hinter
die Ohren gejagt; thut aber nichts, nur wacker drauf."
Im Krankenwagen angelangt, nahm Großh. Hoheit
händereichend unter Anderem auch von mir Abschied,
der uns Alle zu Thränen rührte.
Kuiehl war damals Obergefreiter in der
Batterie v. Porbeck (1. schwere).— Zu dieser
interessanten Notiz liefert Divisionspfarrer a.
D. Dr. Schäfer noch folgende Ergänzung.
Er schreibt:
„Auf dem Wege von Boncourt zur Bergere steht

„Du liebst ihn also!" ries sie träumerisch.
„Du liebst diesen jungen Ofsicier, den Dein schö-
nes, orientalisches Gesicht eingenommen hat?
Nun, das ist unser Loos — wir Frauen sind ge-
boren, um zu leiden! Wir können nie gänzlich
ausrotten, was die Natur uns eingspslanzt hat!
Fürchte nichts, meine Schwester", führ sie fort,
„auf mein Anstiften soll Deinem Ritter nichts
widerfahren. Was ist für mich die Liebschaft von
zwei thörichten, jungen Kindern, welche durchaus
einander unglücklich machen wollen? Du hältst
mich für grcmitherzig, ich wollte, es wäre so! —
Ich wollte, ich könnte jedes Gefühl aus meiner
Brutz reißen, dann wäre ich glücklicher! — Und
auch Du, und wir alle! Fürchte nichts, Rybka,
Deinem Geliebten soll kein Leid geschehen, aber
Du selbst bereitest Dir nur Kummer, indem Du
einem schönen Traum nachhängst, dem bitteren
Erwachen folgen wird! Das ist unsere Art und
obgleich ich Dich warne, kann ich Dich noch nicht
tadeln. Lebe Wohl, über Dich in Geduld, das
Ende kommt!"
Rybka führte Dorinka's Weiße Hand an ihre
Lippen und küßte sie leidenschaftlich; die Russin
aber zog, ohne weiter ein Wort zu sagen, die ge-
heime Thürs auf und stieg rasch dre Wendel-
treppe hinab.
30.
Der Hausire r.
Als Peterkins Tochter zu der Schenke zurück-
kehrte, war die Dunkelheit schon hereingebrochen.
Dorinka legte Hut und Mantel ab und ging
dann in das Schenkzimmer, wo ihr Vater da-
mit beschäftigt war, eine Anzahl Bauern mit
Schnaps zu bedienen. Die Lust nxir erfüllt von
einem Qualm von schlechtem Tabak und von
Brarmtweiudunst. Es waren rauhe Burschen,
diese polnischen Bauern; gewöhnlich beobachteten
sie argwöhnische Zurückhaltung, aber sobald der
Branntwein ihre Zungen löste, waren sie streit-
süchtig und beleidigend gegen Fremde, besonders
Russen. Eine Frau schien nicht in die Gesellschaft

abseits vom Dorfe rechts der Straße, nur wenige Mi-
nuten von genanntem Meyerhofs entfernt, ein
Bauernhaus, dessen Schuppen an die Straße stößt.
Bis dahin wurde Großh. Hoheit nach der Verivum
düng gebracht. Der Prinz hatte seine Umgebung
wcggeschickt. Als ich zum Schuppen kam, sah ich, wie
er ganz allein im Schuppen in seinen Mantel ge-
hüllt, mit dem Rücken cm die rechte Schuppenseite ge-
lehnt, aufrechtstehcnd und blassen Antlitzes stark aus
dem Munde blutete. Auf mein Befragen, womit ich
dienen könne, bat mich Großh. Hoheit um frisches
Trinkwaffer. Mit Hilfe des Trainsoldaten Hans-
jacob, jetzt Kaufmann in Villingen, konnte ich ein
Trinkglas aufbringen und in einiger Entfernung auch
frisches Wasser. Als der Prinz das Glas an die Lip-
pen gesetzt, floß ihm das Blut in das frische Getränk.
Er trank aber das Wasser sammt seinem Mute. Zu
seiner weiteren Beförderung war seine Umgebung auf
die Suche nach einem tauglichen Wagen gegangen
und machte ich auf die Feldcapellenwagen aufmerk-
sam. In dem einen derselben wurde der Prinz und
in dem andern Se. Excellenz der General v. Glürner
bequem nach Dijon gebracht. General v. Glümsr saß
am Abend in einem Zimmer im 2. Stock links vom
Haupteingange der Bergere. Als ich ihm einen
Pferdeteppich um den verwundeten Arm legte, da es
ihn fror, machte er den Scherz, er sei mein College
und zwar als Mitglied eines evang. Dom-
kapitels, aber das hätte er sich nicht träumen lassen,
daß er auch noch in einer katholischen Feldcapelle ge-
fahren werde."
Bankkrach. In Oedenburg herrscht infolge
des Zusammenbruchs derBau-undBoden-
kreditbank eine förmliche Panik. Es ist
erwiesen, daß die Bilanzen seit 15 Jahren ge-
fälscht waren. Aus den Depositen fehlen etwa
eine halbe Million Kronen. Auch Gelder des
städtischen Waisenamtes sind verloren. Der
flüchtige Direktor, der 1870 aus Deutschland
einwanderts, genoß unbedingtes Vertrauen. Tie
Geldeinleger bei den hiesigen Sparkassen- und
Bankanstalten stürmten die Schalter,
um ihre Einlagen zurückzuholen. Da die In-
stitute aber für diesen Fall Vorsorge getroffen
hatten, so wurden die Geldverlanger anstands-
los befriedigt. Es sind weitere Konkurse zu er-
warten. Tie bei der Bau- und Bodenkreditbank
defraudirte «summe beträgt über 2 Millionen
Mark. Gegen sämmtliche Direktions- und Auf-
sichtsrathsmitgliedern der fallirtsn Bank ist straf-
rechtliche Untersuchung und Vermögenssperre
verhängt. Unter ihnen befinden sich der Bür-
germ eister und die angesehensten Bürger
der Stadt. Der seit Freitag verschwundene
Direktor Alfred Schladerer wurde tot im nahe-
gelegenen Walde aufgefunden. Es liegt Selbst-
mord vor.
Tie Bewaffnung der französischen Arbeiter.
Wenn es heute in Frankreich zu einer Revolution
käme, so würden die Aufständischen mit alten
Militärgewehren ins Gefecht rücken. Aus den

dieser Männer zu passen, und doch wagte Dorin-
ka sich mitten unter sie, ja sie berief und tadelte
sogar einige, bei denen der Alkohol schon seine
Wirkung begann und deren Benehmen daher die
gehörigen Grenzen überschritt. Und die lauten
Gesellen gehorchten ihr. Als das Mädchen ein-
trat, wurde gerade von Bodiskow's Besuch ge-
sprochen.
„Was denkst Du von dem neuen Gouver-
neur?" fragte einer der Bauern einen alten
Mann mit eingesunkenen Wangen, der in einer
Ecke saß und schweigend seine Pfeife rauchte.
„Er ist wie alle die anderen", antwortete der
Alte mürrisch. „Gewöhnlich sangen sie damit an,
dis Juden zu drücken, und die Christen zu begün-
stigen; aber dieser beginnt die Sache umge-
kehrt. Wenn er alles hat, was er von den Inden
haben will, wird er den Spieß wenden und sie
schrauben. Ich hab elf Gouverneure gesehen,
und alle folgten einander in dieselben Fuß-
stapfen, Ein nichtswürdiges Volk, diese Rus-
sen!"
„Ein nichtswürdiges Volk! Zum Teufel mir
den Russen!" riesen die Umstehenden.
„Ihr seid gegen meine Landsleute nicht sehr
liebenswürdig", bemerkte ein junger Mann, der
ins Zimmer trat, als der Lärm am lautesten
war. „Aber daran liegt nicht viel! Die Russen
sind gar nicht so schlimm, wenn man sie näher
kennt. Heda. Wirth, schenkt ein! Für jeden ein
Glas! Nun Brüderchen", fuhr er fort, als der
Branntwein angegossen war, „wir wollen auf
Brüderschaft zwischen den beiden Nationen trin-
ken!" Und ohne abzuwarten, wie dieser Vor-
schlag aufgenoinmen wurde, leerte er sein Glas
und näherte sich Dorinka.
Ein verlegenes Schweigen trat ein, als die
Gäste sahen, daß ein Fremder zugegen war, der
sogar ihre wilden Reden mit angehört hatte.
Mancher Patriot in Warschau hatte nichts ge-
fährlicheres gesprochen, als diese Bauern, und
dafür mit dem Leben gebüßt. Sie sahen ein, daß
 
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