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Heidelberger Lokalanzeiger: Neuer Heidelberger Anzeiger (28) — 1901

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No. 280 - No. 289 (29. November - 10. December)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43809#0237
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Neuer Heidelberger Anzeiger

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Postzeitungsliste No. 3308 »

Eeschäftsstelle: Telephon 12».


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286.

1S6I.

VM" Per Anzeiger »ommt in jede» Kans in Ketdewerg und -at di« grötzl« FerdreUung in den Hrtschaste« der A«ge»«ng. OS
Erscheint tiglich Vormittags mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. Preis monatlich 30 Pfg., mit dem »Jllnstrirten Sonntagsblatt" monatlich 40 Pfg. incl. Trägerlohn. Durch die Post bezogen vierteljährlich 1 Mk. ohne Bestellgell»,
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Metterg, desr 6. Jeeemöer

IV Washington. 6. Dec. Mehrere Senate,-, reich in der Klemme von Za sch o da saß, lenste ja
rcn brachten heute Anträge ein, welche strenge
Maßregeln gegen die Anarchisten verlan¬
gen.

Vas Neueste.
* Das deutsche Schulschiff .Char-
lotte" mit dem Prinzen Adalbert von
Preußen an Bord, ist in Tarent eingetroffen.

* Der König von Dänemark bewilligte
das Abschiedsgesuch des Inst izmi ni-
st erS und ernannte Best in zum Justizminister.
* Die Exkaiserin Eugcnie ist in Be-
gleitung eines SccretärZ und einer Hofdame in
Paris eingetroffen.

* Präsident Krüger wird am 10. Dec. von
Hilversum nach Utrecht in eine dort für ihn und
die Familie Eloff gemicthete Villa übersiedeln.

* In der Dynamit-Fabrik Zamty in Böhmen
fand eine große Explosion statt. Die Arbeiter
konnten sich rechtzeitig retten.

* DaS englische Kriegsschiff „Nel-
son" ist nach einer Meldung aus Moria (Oregons
wahrend eines Sturmes mit der ganzen 28 Mann
starken Besatzung untergegangcn

VM8MW.
V. Darmstadt, 5. Dec. Ter Oberkail-
desgerichtssenat, der die gros-herzog-
liche Ehe trennen soll, tritt erst nach Weihnack
ten zusammen.
Berlin, 5. Dec. In Berlin trafen drei Officiere
Und 5 Soldaten des ost asiatischen Expedi-
tionscorpS ein, welche ans Anregung des Ge-
nerals v. Kessel einen Distanzritt von Tient-
sin durch die Mongolci bis zum Baikal-
see in 62 Tagen zurüützelegt haben.
Leipzig, 9. Dec. Bankier Blcinbel, In-
haber der in ConcurS gerochenen Banlfirma Blembel
u. Comp.. beging T e p o t s u n t e r s ch l a g n n g e n
in Höhe von 150 000 Marl.
Leipzig, 4. Dec. Das Schwurgericht verur-
Iheilte den Rechtsanwalt Dr. James Breit-
Leipzig, der dem stud. jur. -Richard Oeitinger ans
Stuttgart im Duell erschoß, wegen- vor dem Duell
begangenen Hausfriedensbruchs zu dreiwöchigem Ge
tängniß und wegen Zweikamoies mir tödtlichem
Ausgange zu 3'< Jahren Festung.

ft, London, 5. Dec. Der General - Ausschuß
des Verbandes der liberalen Vereine Englands
hat nach längeren stürmischen Erörterungen
eine Resolution angenommen, in der erklärt
wird, daß der Zeitpunkt gekommen
sei, für Unterhandlungen mit
den Buren zum Abschluß eines
ehrenvollen unddauernden Frie-
dens, zu welchem Zweck ein außerordentlicher
Commissär nach Südafrika gesandt werden soll.
-s- Haag, jo. Dcc. In der Zweiten Kammer er-
klärte auf eine Anfrage, betreffend die Concen-
trationslager in Südafrika der Minister
des Auswärtigen, die Regierung könne nur dafür
Sorge tragen, daß die in den Lagern befindlichen
Personen die ihnen zugedachten Unterstützungen er-
halten. Den in den Lagern befindlichen nieder-
ländischen Staatsangehörigen stehe cs frei,
soweit sie nicht Kriegsgefangene seien, das Lager
zu verlassen. Den anderen Saaten müsse
man cs überlassen, für ihre Staatsangehörigen zu
sorgen. Die niederländische Regierung könne nicht
weiter gehen.
IV Petersburg, 5. Dec. Beim Torfe Stud-
janka an der Beresina, der historischen
Stelle, wo die große Armee den Fluß überschritt,
ist aus Veranlassung und Kosten des Eigenthü-
mers desGrund u. Bodens, Kolodcieff, einDenk-
mal errichtet worden. Dasselbe' zeigt in zwei
Medaillons die Bildnisse von Kaiser Napoleon l.
nd Alexander l. von einem Lorbeerkranze umge-
ben. In rnssisckier und französischer Sprache
ist folgende Inschrift angebracht: „Hier über-
schritt Kaiser Napoleon und die große Armee
am 2. 26., 27. und 28. Nov. 1812 die Beresina."
Ter Enthüllungsfeier wohnten der Gouverneur,
die Spitzen der Civil- und Militärbehörden der
Provinz, sowie inilitärisckse Abordnungen bei.
IV New-Volk, 5. Tec. Einem Telegramm
aus Colon zufolge ist die Friedens ° Commis-
sion dorthin zurückgekehrt und meldet, sie habe
den Führer der Aufständischen, Diaz, gese-
hen, welcher bereit sei, sich zu denselben Beding-
ungen, wie die AufständisckM in Colon, zu er
geben.
-st Newtzork, 5. Dec. Der oberste Gerichtshof
her Vereinigten Staaten in Washington hat dem Ge-
suche T e r l i n d e n s stattgegeben, daß er weiter in
Hast behalten wird, sodaß er nicht an Deutschland
ausgeliefert werden kann, bis der Gerichthof die
Frage entschieden hat, ob für den vorliegenden Fall
der Ausliefsruugsvertrag zimschen Deutschland und
den Bereinigten Staaten cnNvendbar ist Die Ver-
handlung wird bis zum 7. Januar 1902 ausgesetzt.

politisches.
Annäherung an Deutschland, das ist es, was
der Abg. Massabuau von der Tribüne der fran-
zösischen Kammer herab seinen Landsleuten
empfohlen haben will. So steht es nämlich zu
lesen im amtlichen Stenogramm; in Wahrheit
sprach Massabuau sogar von der „Allianz" mit
Deutschland, die er der mit England vorziehen
würde. Im Stenogramm soll er seinen Aus-
druck abgeschwächt hoben, weil der Sohn Ferrys
ihm mit Beweisen an der Hand dargelegt hätte,
daß die Berufung auf eine Bündnißpolitik sei-
nes Vaters mit Deutschland eine gehässige Er-
findung der Parteien sei. DaS ist aber ein
Spiel mit Worten. Jedermann Weitz, daß schon
der Versuch Fernst-, sich Deutschland zu nähern,
ihn sein Amt kostete und also ein Bündniß nut
Deutschland gar nicht in diplomatischer Erwäg-
ung stand. Im klebrigen ist aber Ma'sabuan
nicht der Mann, der sich .gtrückzieht, auch nickt
vor dem Lärm seiner Feinde. Aehnlich wie mit
der Kammer verhält es sich auch mit der Presse.
Di. - Msrgenbkertsr haben die Ausführungen
Mojsapuaus nur in wenigen kurzen Sätzen zu-
sammengesaßt, und die Massabuau parteipolitisch
nahestehenden Organe gehen mit einigen scherz-
haften Wendungen über die Sache hinweg. Ter
Abg. Massabuau gehört der nationalistlsweu
Gruppe an. Er ist Advokat und vertritt den
altklerikalen und altradikalen Wahlkreis Espa-
lion im Departement Aveyron. Er redet gern
und mehr als seiner politischen Bedeutung ent-
spricht und zeigt sich dann ost als ein Starr-
kopf, der, wenn es ihm einfällt, auch seine eigenen
Wege geht. Darnach wird man sich hüten
müssen, seinen Worten ein allzu großes Gewicht
beiznlcgen. Immerhin aber wird cs nützlich
sein, wenn die Franzosen daran gewöhnt wer-
den, Gedanken öffentlich miszusprechsn und er-
örtern zu hören, die recht Viele in ihres BnsenS
Kämmerlein hegen. In dieser Beziehung ist die
deutschfeindliche Aeußenmg Massabnaus um so
werthvoller, als sie nicht unter dem Truck einer
augenblicklichen Verlegenheit erfolgt. Als Frank -

sogar Däronwde beten.
Eine zeitgemäße Anordnung. Preußische u.
sächsische Behörden wollen in diesen schlechten
Zeiten die Versuchung. Geld auszugeben, ver-
mindern. Der Landrath des Kreises Landeshut
ordnete an daß die öffentlichen Tanzvergnüg-
ungen und Festlichkeiten zu beschränken seien.
Ebenso soll auch die Zeitdauer dieser Vergnüg-
ungen beschränkt werden. Ferner hat eine Der-
waltungs - Behörde in Dresden an die ihr un-
terstellten Beamten die ernste Mahnung gerich-
tet, die Vergnügen in den B-eamten-Dereinig-
ungcn in Anbetracht der mißlichen Zeitverhält,
nisse auf das geringste.Maß einznschränken.
Ferner ist dest Beamten nahegelegt worden,
nicht, wie das üblich ist, in mehreren Vereinen
einzutrelen. Gerade Beamten sollen in einer
wirthschaftiich so darniederliegenden Zeit mit
gutem Beispiel vorangehen und sich nicht selbst
in Sorgen stürzen, da das Vereinswesen nicht
geringe Opfer fordere. Wie das „Leipz. Tgbl."
weiter erfährt, ist von der sächsischen Staats-
eisenbahn - Verwaltung die gleiche Mahnung an
die Beamten ergangen.
Eine Ncurcgclung des Anktionswescns beab-
sichtigt der vreußisckw Handelsminister einzu-
führen. Nach dem Entwurf ist den Versteigerern
das Aufkäufen von Waaren zum Zwecke der Ver-
steigerung untersagt. Versteigerungs i Aufträge,
die ein«' Täuschung oder Schädigung des Publi-
kums bezwecken, müssen abgelehnt werden. Jeder
MWigMr ist verpflichtet, ein nach einem be-
stimmten Formular eingerichtetes Geschäftsbuch
zu führen. Weder dem Versteigerer noch seinen
Angehörigen ist das Mitbieten gestattet. Eine
der wichtigsten Bestimmungen ist die, daß sich
der Versteigerer jeden unlauteren Geschäftsgs-
babrens, insbesondere des trügerischen Anprei-
sens der zu versteigernden Gegenstände, der Ver-
leitung zum Usberbieten durch Aufstellung von
Personen, die nur zum Schein mitbicten, zu
enthalten hat. Vorgeschobene Personen, die mit-
bieten, können nöthigenfalls mit Polizeilicher
Hilfe ans dem Versteigerungsraum entfernt
werden. Tic bei weitem einschneidendste Be-
stimmung des Entwurfes ist, daß die polizeiliche
Erlaubnis zur Auktion versagt werden kann,
wenn eine Versteigerung neuer Waaren ohne
hinreichenden Anlaß bewirkt werden, insbeson-
dere, wenn eine solche zu Zwecken des unlauteren
Wettbeiverbs vorgenommen werden soll oder eine

Uirsrchtlxroe Häöen.
Roman von Reinhold -Ortmann.
20) (Fortsetzung.)
„Arpafty", wiederholte Frau Matrasch. „Der
schöne Arpasiy, den sie in Budapest wegen seines
noblen Auftretens immer der Grafen hießen?
Js 's der, Poldl, der Dir den Schein gegeben."
Leopold Matrasch nickte. Ja, was sollte es
setzt tkvch frommen, irgend euvas vor ihr zu ver-
heimlichen? Jetzt, da er allein von ihrer überle-
genen Klugheit die Aufspürung des rettenden
Ausweges erboffte, den er selbst nirgends zn se-
hen vermochte. Er suchte nicht mehr nach Aus-
flüchten und ersann keine Märchen mehr, um sie
zu täuschen. Wie! ein ertappter armer Sün-
der, dessen Widerstandskraft gänzlich gebrachen
ist, gab er ihr kleinlaut Antwort auf ihre hasti-
gen Fragen. Und noch vor Ablauf einer Vier-
telstunde war Fran Ilona von Allem unterrich-
tet.
Sie wußte, daß Julius Arpafty, wenn nicht
das Haupt, so doch eines der hervorragendsten
Mitglieder eines Consortiums war, das sich mit
der Erzeugung und dem Vertrieb falscher belgi-
scher Hundertfrancs - Billets befaßte, und daß
er seit Atonalen unter dem Namen Franz' Leh-
der in Dresden lebte, um von hier aus die Ope-
rationen zu leiten. Poldl war ihm zufällig
begegnet und hatte ihn erkannt, wie sorgfältig
auch der schöne Arpasiy darauf bedacht gewesen
war, sein Aeutzeres zu verändern. Aber er war
nicht sofort in bas Geheimniß gezogen worden,
sondern der angebliche Lehde hatte ihm erst dann
sein Vertrauen geschenkt, als er sich von seinem
alten Bekannten, der sich gerade aus das Beobach-

ten und Spioniren ausgezeichnet verstand, fort-
während belauert sah und als ihm dieses Nach-
spüren lästig zu werden begann. Natürlich hatte
er damit angefangcn, ihn zu seinem Mitschuldi-
gen Zu machen, um sich seiner Verschwiegenheit
zu versichern. Er hatte ihm eine echte Hundert-
francsnote und eine gefälschte übergeben mit
dem Auftrage, beide unauffällig einznwcäsieln
und mit dem Zugeständniß, daß er von dem Er-
lös nur hundert Mk. an ihn abzulicfern brauch.
Freudig war der in ewiger Geldverlegenheit
befindliche Matrasch darauf eingegangen, und
nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen, die
Scheine in Kaffeehäusern oder Resstrurationen
an den Mann zu bringen, hatte er sie glücklich in
einer keineren Wechselstube gegen gute deutsche
Goldmünzen umgesetzt. Der bequeme Verdienst,
der überdies ziemlich gefahrlos schien, da der
Bankier trotz einer sehr genauen und für Poldl
einigermaßen beklemmenden Prüfung offenbar
nichts Verdächtiges entdeckt hatte, war für Fran
Ilonas Gatten eine so mächtige Lockung gewe-
sen, daß er sich für die Aussicht, um einen billi-
gen Preis recht viele dieser kostbaren Papiere zu
erhalten, dem „Grafen" unbedenklich mit Leib
und Seele verschrieben haben würde. Der aber
hatte sich keineswegs sehr freigebig gezeigt —
nicht einmal in seinen vertraulichen Mittheilun-
gen. Poldl hatte weder erfahren, wo die Hun-
devtfrancs - Billets hergestellt wurden, noch wa-
ren ihm die Namen der übrigen Complicen of-
fenbart worden. Alles, was er — mehr durch
seinen eigenen Spürsinn, als durch Arpastys
Gesprächigkeit — heraus gebrackst hatte, war die
Thatsache, daß die Kassenscheine zumeist nickst in
Deutschland, sondern fast durchweg in Belgien
selbst oder in Frankreich zur Verausgabung ge-
bracht wurden, und zwar durch Agenten, die sich

unter der Maske harmloser Geschäftsleute hier
und da bei dem angeblichen Lehdec einfanden
und ihm beträchtliche Parthien seiner „Waare"
zum Preise von dreißig bis vierzig Francs
für das Stück abkcknften. Arpafty selbst veraus-
gabte niemals eine der falschen Noten und er
machte Poldl kein Hehl daraus, wie unangenehm
es ihm war, daß dieselben, wenn mich nur in
wenigen Exemplaren, hier in Dresden zur Um-
Wechselung kamen. Trotz seines beständigen
Drängens hatte er ihm denn auch'bisher nur we-
nige Stücke abgelasscn, und er- war nicht müde
geworden, ihm die äußerste Vorsicht, wie die
strengste Verschwiegenheit einznschärfen. Sogar
an sehr bösen Drohungen hatte er cs dabei nicht
fehlen lassen, und Leopold Matrasch, der mit
einer gewissen Ehrfurcht zu seinem Complicen
emporblickte, schien fest überzeugt, daß er ganz
der Mann sei, diese Drohungen auch zur Aus-
führung zu bringen. Seine Furcht vor Julius
Arpafty war thatsächlich in diesem Augenbick
noch größer als die Furcht vor der Polizei, und
seine Aeußerungen verriethen, daß er sich am
liebsten sogleich auf und davon gemacht hätte.
Davon aber wollte Frau Ilona durchaus
nichts wissen. So wenig sie die Gefahren der
Situation verkannte, hatte sie doch noch ruhige
Ueberlegung genug, sich zu sagen, daß eine über-
stürzte Flucht wahrsckMnlich das schlechteste Abit-
tel sein würde, diesen Gefahren zu entrinnen.
Von Haus aus bei Weitem ruhiger als ihr
Gatts, wollte sie es lieber auf einen Kampf an-
kommen lassen, als daß sie sich vorzeitig feige be-
siegt gab.
„Wieviel von den Scheinen haft' schon ansge-
ben, Poldl?" forschte sie, ohne die jetzt so kostbare
Zeit noch weiter mit unnützen Vorwürfen zu
verlieren. „Und wo?"

Er gab sich den Anschein, eifrig nachzuden-
ken, obwohl es dessen für ihn natürlich nicht be-
durfte, denn sein Geschäft mit den Hundert-
francs - Billets hatte sich ja bis jetzt in sehr be-
scheidenen Grenzen gehalten.
„Wart' a biss'l", sagte er. „Mso da war
der erste, den ich z'sammen mit dem echten bei
dem Bankier in der Webergassen eingewechselt
hab'. Dann hat der Oberkellner vom .Hotel
„Stadt Coblenz" einen bekommen, einen hab' i
in der Wechselstube am Bahnhof angebracht, und
den vierten — ja so, den vierten hast ja noch da
in Deinen Händen, Ilona!"
Von der Note, die er Fräulein Förster ge-
geben. sprach er ebensowenig, als von den bei-
den, die er noch in der Brieftasche trug, fest ent-
schlossen, sie vor den Späheraugen seiner Gattin
besser zu hüten, als den Scixein, der ihm zum
Verräther geworden war. Ilona aber hielt es
für undenkbar, daß er sie selbst in einem so
ernsten Augenblick noch belügen könnte, und
nachdem er ans ihr Verlangen bei seiner ewigen
Seligkeit geschworen hatte, daß sie nun Alles
wisse, gab sie sich mit seiner Versicherung zufrie-
den.
„Wenn dies Alles is", sagte sie nach kurzem
Nachdenken, „so steht die Sache noch nit gar so
schlimm. Das Fräulein Liesing hat mir mit
einem heiligen Eid gelobt, daß sie schweigen Witt,
und i' mein', sie wird's halten. Was aber den
Arpafty angeht, so braucht er natürlich von der
ganzen Geschichte kein Sterbenswörtchen zu wis-
sen. Nur daß D' mi in die Hand versprechen
mußt, Poldl, Dich nicht wieder auf den gefähr-
lichen Handel einzulassen! Wir haben's nicht nö-
thig, denn d' Fran Liesing soll hundert Mal meh^
 
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