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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 150 - Nr. 160 (1. Juli - 12. Juli)
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Wissenschaft und Kunst / Aus -er Welt -er Frau / Sie Lesestun-e

Pfälzer Sole

Dienstag, s. Zuli 1SZ5

70. Zahrgang / Ar. 157

Wortgeplänkel im englischen Llnlerhaus
Ser ostafrikanische Streitfall / Das Zlottenabkommen / Lustfahrtsragen

DNV. London, 8. Juli.
Im Unterhaus wurde die Regierung auch am
Montag wieder mit Fragen zum italienisch-
abessinischen Streitfall bestürmt. Ein
Abgeordneter fragte den Außenminister, ob er
schon mitteilen könne, unter welchen Bedingun-
gen die italienische Regierung bereit wäre, ihren
Streit mit Abessinien beizulegen. Der Außen-
minister Sir Samuel Hoare antwortete: Nein.
Auf eine weitere Anfrage teilte Hoare mit,
daß irgendwelche endgültigen Borschläge zur Ab-
tretung des Hafens Zeila und eine Korridors
an Abessinien von Sicherungen zum Schutz der
Eingeborenen in den betroffenen Gebieten ab-
hängig gemacht worden wären. Im besonderen
wäre die abessinische Regierung zur Abgabe
einer Garantie aufgefordert worden, daß das
abzutretende Gebiet in keiner Weise für den
Sklavenhandel benutzt würde, und daß die
Weiderechte, die die Stämme unter britischer
Hoheit genießen, nicht betroffen würden.
Der Kolonialmini st er Malcolm Mac-
Donald sagte, es sei zutreffend, daß Somali-
land nicht ein britisches Territorium, sondern
ein Protektorat sei. Jedoch habe die eng-
lische Krone seit vielen Jahren alle Vollmachten
der Verwaltung und Rechtssprechung ausgeübt,
und zwar sowohl aus Gewohnheitsrecht als auch
auf Grund des Vertrages von 1884, Falls der
provisorische Vorschlag Edens weiter verfolgt
worden wäre, hätte eine Rücksprache mit den
betreffenden Stämmen im Hinblick auf die
Aebertragung der Rechte an Abessinien stattge-
sunden.
Der konservative Abgeordnete Sir Wil-
liams Davidson erklärte, daß die Skla-
verei in Abessinien noch nicht abgeschafst sei,
und daß vor nicht allzulanger Zeit Uebersälle
auf britische Kolonien zwecks Erbeutung von
Sklaven stattgefunden hätten. Der Außenmini-
ster erwiderte, daß der Abgeordnete sehr weit-
gehende Fragen erwähnt habe, die voraussicht-
lich in der Aussprache am Donnerstag aufge-
worfen würden. Im übrigen sei dies eine An-
gelegenheit, die den Völkerbund angehe,
und irgendwelche Klagen seien an den Völker-
bund zu richten. — Auf eine weitere Anfrage
sagte Hoare, soweit er unterrichtet sei, tue Abes-
sinien sein Aeußerstes, um den Sklavenhandel
abzuschaffen.
Der konservative Abgeordnete Adams fragte,
vb der Ministerpräsident dem Unterhaus
bas F l o t t e n a b ko m m en mit Deutschland
Zur Zustimmung vorlegen wolle, anstatt eine
sv wichtige Angelegenheit in einer Haushalts-
debatte erörtern zu lassen. Adams meinte da-
uüt die Unterhausdebatte am kommenden Don-
nerstag, die formell als Aussprache über den
Haushalt des Foreign Office angesetzt ist.
Baldwin erwiderte, daß die Opposition
diese Angelegenheit an einem der Haushaltstage
jur Erörterung vorbringen werde, was ihm eine
passende Gelegenheit zu sein scheine.
Adams fragte, ob er aus dieser Antwort ent-
uehmen solle, daß das Unterhaus endgültig da-
uon ausgeschlossen sei, die Vertragstätigkeit der
Regierung zu prüfen.
Der Ministerpräsident erwiderte: Die Lage ist
die, daß die Ratifizierung solcher Abkommen
durch einen Notenaustausch bewirkt wird. Dem
Haus steht es, wie immer, vollkommen frei, diese
»rage zu erörtern. Wenn es mit dem erzielten
Abkommen nicht zufrieden ist, dann kann es im-
uwr einen Mißtrauensantrag einbringen. Ein
Mißtrauensantrag wird im allgemeinen von
Oppositionsführern eingebracht. (Gelächter.) Der
Arbeitervertreter Thorne fragte hierauf, ob nur
die Opposition einen Mißtrauensantrag einbrin-
Sen könne. Baldwin sagte: „Nein, es steht jedem
offen."
Der arbeiterparteiliche Abgeordnete
fragte, ob die Regierung der Ansicht sei,
ast ein WeÜlujtpakt fertig ausaearbeitet.

aber solange nicht endgültig unterzeichnet wer-
den soll, als er nicht ein Teil der im Londoner
Protokoll vorgesehenen allgemeinen Regelung sei.
Der Außenminister Sir S. Hoare erwiderte,
daß er der Erklärung seines Vorgängers Sir
John Simon in der Unterhausaussprache vom
31. Mai nichts hinzuzufügen habe.
Locks fuhr fort, er glaube, daß die von ihm
gestellte Frage die allgemeine Politik
der Regierung darstelle, und ob Hoare dies be;
stätigen könne. Der Außenminister erwiderte;
Nein. Simon habe die Lage bewundernswert
dargelegt, und er habe nichts weiter zu sagen.
Locks fragte dann, welche Stellung die deut-
sche Regierung zur Frage der Internatio-
nalisierung oder der internationalen Kon-
trolle der Verkehrsluftfahrt einnehme.
Sir Samuel Hoare sagte, soviel er wisse, habe
die deutsche Regierung ihre Stellungnahme zu
keinem dieser Punkte festgelegt, seit sie sich von
der Abrüstungskonferenz im Oktober 1933 zurück-
gezogen habe.
Locks fragte, ob es dem Außenminister bekannt
sei, daß Deutschland aus der Konferenz

Schiffs« eubauien
DNB. Berlin, 8. Juli.
Zum Aufbau der Kriegsmarine auf
den im Flottenabkommen mit England festge-
legten Stand von 35 v. H. des englischen Depla-
cements sind folgende Neubauten auf
Stapel gelegt oder werden im Laufe des Jahres
1935 auf Stapel gelegt werden:
1. Zwei Panzerschiffe von je 26 000 Tonnen
Wasserverdrängung mit 28 cm-Geschützen,
2. zwei Kreuzer von je 10 000 Tonnen Wasser-
verdrängung mit 20 cm-Geschlltzen,

gegendie Internationalisierung der Verkehrs-
lustfahrt Stellung genommen habe, und ob aus
der Antwort zu entnehmen sei, daß Deutschland
seinen Standpunkt nicht geändert habe. — Der
Außenminister erwiderte, jedermann könne aus
den Aufzeichnungen der Konferenz genau sehen,
was die deutsche Regierung damals gesagt habe.
Dieser Erklärung habe er gegenwärtig nichts
hinzuzufügen.
Der Abgeordnete Wilmot fragte, ob die
Regierung angesichts der geplanten Sitzung der
Abrüstungskonferenz im Herbst ihre Vorschläge
zur Herabsetzung der Militärluft-
fahrt und zur internationalen Kontrolle der
Verkehrsluftfahrt bekanntgeben wolle. Sir Hoare
antwortete, daß bisher keine weitere Sitzung der
Abrüstungskonferenz geplant sei. Die englischen
Vorschläge zur Luftabrüstung seien in dem
Schriftstück enthalten, das Eden am 5. Juni in
seiner Antwort erwähnt habe. Er selbst habe
in seiner Antwort auf die Schwierigkeiten hin-
gewiesen, eine Konferenz einzuberufen, zu der
zum mindesten einer der Hauptteilnehmer nicht
erscheinen wolle.

3. 16 Zerstörer von je 1 625 Tonnen mit 12,7
cm-Geschützen (Stapellegung 1934 und 1935),
4. a) 20 Unterseeboote zu je 250 Tonnen.
Das erste dieser U-Boote ist am 29. Juni
in Dienst gestellt.
Zwei weitere sind zu Wasser.
b) Sechs U-Boote zu je 500 Tonnen.
c) Zwei U-Boote zu je 750 Tonnen.
Der Bau des ersten Flugzeugträgers, ebenso
die Pläne der 1936 und in den folgenden Jah-
ren nach dem Grundsatz der qualitativen Gleich-
berechtigung auf Stapel zu legenden weiteren
Schlachtschiffe werden vorbereitet.

Schluß der Schlichtung?
Ernste Schwierigkeiten im italienisch-abeffinischen Schlichtungsausschuß

DNV Haag, 8. Juli.
Im Laufe der in Scheveningen stattfindenden
Beratungen Les italienisch-abessinischen Schlich-
tungsausschusses haben sich Schwierigkeiten er-
geben, die einen so ernstlichen Charakter zu
tragen scheinen, daß die Fortsetzung der
Arbeiten des Ausschusses in Frage gestellt
ist.
Obwohl die Mitglieder des italienisch-abessi-
nischen Schlichtungsausschusses über Art und
Tragweite der aufgetretenen Schwierigkeiten
das größte Stillschweigen bewahren und der
Presse keinerlei konkrete Informationen über den
Verlauf der sich bekanntlich hinter geschlossenen
Türen abspielenden Verhandlungen gegeben
haben, verlautet Hoch mit ziemlicher Sicherheit,
daß bestimmte Darlegungen des Vertreters der
abessinischen Regierung, des französischen Juri-
sten Prof. Gaston Jöze, starke Meinungsver-
schiedenheiten innerhalb des Ausschusses hervor-
gerufen haben.
Diese Meinungsverschiedenheiten sollen bereits
am Vormittag aufgetreten sein, als Prof Zöge
mit seinem Plädoyer zur Begründung der abes-
sinischen Auffassung von den Erenzzwischenfällen
begann. Nach der Ansicht der italienischen Aus-
schußmitglieder brachte hierbei der Vertreter der
abessinischen Regierung Tatsachen zur Sprache,
für die der Ausschuß nicht zuständig sei. Das
Plädoyer Prof. Jözes mußte indessen unter-
brochen werden, um dem Ausschuß auf Wunsch
der italienischen Mitglieder Gelegenheit zu
geben, in internen Beivreckunaen diese Anae-

! legenheit zu klären. Der Ausschuß trat zu die-
sem Zweck am Samstag und Sonntag wieder-
holt zusammen. Aus dem Umstand, daß er auch
am heutigen Montagvormittag wieder eine in-
terne Sitzung abhielt, ohne daß Prof. Jsze bis-
her die Mitteilung erhielt, daß er sein Plädoyer
fortführen könne, läßt sich der Schluß ziehen, daß
die aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten
immer noch nicht beigelegt sind.
In den Hotels der beiderseitigen Ausschußmit-
glieder in Scheveningen herrschte Sonntag und
Montagvormittag große Regsamkeit. Nament-
lich wurden von Palace-Hotel, dem Hauptquar-
tier der italienischen Abordnung, zahlreiche
Telefongespräche mit Rom geführt, so
daß anzunehmen ist, daß die italienischen Aus-
schußmitglieder und Regierungsvertreter be-
stimmte Weisungen von ihrer Regierung ein-
holten.
Amerikanische Antwort
an Abessinien
DNB. Addis Abeba, 8. Juli.
Der amerikanische Geschäftsträger hat am
Montag dem Kaiser von Abessinien die Ant-
wortnote der Vereinigten Staaten auf die Note
der abessinischen Regierung, in der bekanntlich
die Anrufung des Kelloggpaktes angekündigt
wurde, überreicht.
Die amerikanische Regierung drückt in ihrer
Antwortnote ihre Befriedigung aus, daß der
Völkerbund mit der italienisch-abessinischen

AusbauKrieasmarioe

Minettan-isches Deutschtum
und Geschichte
Auf jede nur mögliche Weise versucht Litauen
den Beweis zu erbringen, daß das Memelland
ursprünglich oder gar bis in die neueste Zeit
hinein litauischen Charakter an sich trage. Es
ist darum dankenswert zu begrüßen, wenn diese
Frage nicht nur von der rechtlichen, sondern auch
von der historischen Seite aus sachliche Beurtei-
lung findet. So widerlegt Prof. Dr Eduard
Hermann, Göttingen, im Juniheft von „Völ-
kerbund und Völkerrecht" u. a. die Behauptung,
wonach die Urbewohner des Memelgebietes
Litauer gewesen wären. Erst nach dem Kriege
ging man auf deutscher wie auf litauischer Seite
an eine genauere Prüfung der Urkunden und
der Besiedlung des Memelgebietes. Im Haupt-
ergebnis sind danach beide Seiten darüber einig:
Die Litauer sind erst nach Beendigung der Or-
denskriege mit den Preußen und den Litauern
in das verwüstete Memelgebiet gekommen. Diese
Tatsache steht also in klarem Widerspruch mit
der immer wiederholten Behauptung litauischer
Politiker von einer tendenziösen deutschen Nach-
kriegsscheingeschichtsschreibung.
Tatsächlich haben die Litauer in früheren
Jahrhunderten weiter östlich gesessen. Führen
sie heute im Norden und Nordosten von Memel
den Namen Tiefländer, ohne dort im Tiefland
zu wohnen, so erklärt sich das nur daraus, daß
sie eben aus tiefer gelegenen Ebenen eingewan-
dert sind. Die Litauer selbst sind von den Weiß-
russen nach Westen gedrängt worden. Diese Tat-
sache findet dadurch eine treffende Kennzeich-
nung, daß in der einstmaligen litauischen Haupt-
stadt Wilna und Umgegend bei der letzten zari-
stischen Zählung mehr Weißrussen als Litauer
sestgestellt wurden.
Nach Prof. Hermann saßen aber im größeren
Teil des Memelgebietes einst die Schalauer, die
nach dem mittelalterlichen Ordensbericht des
Peter von Dusburg Preußen waren. Die mo-
derne Forschung bestätigt dies. Im kleineren
nördlichen Stück des Memelgebietes wohnten
Kuren, die nicht lettisch, sondern kurisch sprachen.
Auch Herren des Memelgebiets sind die litau-
ischen Großfürsten nie gewesen. Auch nicht deren
mächtigster, Vytautas. Dieser hat nach der ent-
scheidenden Besiegung des Deutschen Ordens bei
Tannenberg (1410) in dem Frieden von Mel-
nosee (1422) dem Orden das Memelgebiet mit
dem übrigen Ostpreußen gelassen. Damals ent-
stand also jene Grenze, die bis zum Weltkriege
die Grenze zwischen dem Deutschen Reich und
Rußland war. Es muß also abschließend festge-
stellt werden, daß die Litauer erst unter den
letzten Ordensmeistsrn und besonders unter den
preußischen Herzögen ins Land gekommen sind.
Ihre Einwanderung erfolgte, weil sie in ihrer
Heimat nicht genügend Raum fanden und dem
harten Steuerdruck sowie der Knute ihrer litau-
ischen Herren entgehen wollten. Es ist vollkom-
men abwegig, aus der Tatsache, daß sie den
größten Teil des Landes besiedelt und wieder
urbar gemacht hatten, dem heutigen litauischen
Staat ein politisches Anrecht auf das Memel-
gebiet zuzusprechen. Erhebt doch z. B. das Deut-
sche Reich einen solchen nicht auf die gewaltigen
zusammenhängenden deutschen Siedlungen in
Amerika. Ebensowenig gibt der Versailler Ver-
trag Litauen ein Anrecht auf das Memelgebiet.
Hat es sich doch erst im Jahre 1932 durch einen
Gewaltstreich desselben bemächtigt.

Streitfrage befaßt worden sei. Weiter wird die
Hoffnung ausgedrückt, daß der Völkerbund einen
Schiedsspruch fällen wird, der beiden Teilen
Genugtuung bringt.
Wegen der Anrufung des Kelloggpaktes durch
Abessinien erklärt die amerikanische Regierung
in deutlicher Form, sie glaube nicht, daß ein
Mitunterzeichner des Kelloggpaktes, dem Ita-
lien und Abessinien zusammen mit 61 anderen
Ländern angehören, zu einem anderen als zu
friedlichen Mitteln Zuflucht nehmen würden,
um eine Streitfrage zu regeln, und keine Lage
entstehen lassen würde, die mit den Verpflich-
tungen aufgrund des Paktes nicht vereinbar
wäre.

Das Reichsqesehblatt Teil I Nr. 73 vom 8.
Juli veröffentlicht die Durchführungsbestimmun-
gen zum KraftfahrzeuqsteusraeseH vom 5. Juli
1935.
 
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