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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 181 - Nr. 190 (6. August - 16. August)
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ßeiSMryerVMsblatt

Wer Sole

7». Jahrgang / Nr. iss

Samstag, io. August 1S3S

iagsp^bls: Durch Botenzustellung u. Post monatl. 2.00 de, der Geschäftsstelle
^olt 1.80 Einzelnr. 10 er?/. Erscheint wöchentl. 6 mal. Ist die Zeitung am Er-
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WiMWM UNS Kunst / Aus -er Mlt der Frau / Sir Lmstundt


Auf dem „Schlachtfeld" von Toulon
Kein VelagerrmMustand / Truppenverstärkungen eingettoffen

davans zu ziehen haben

DW6. Paris, 9. August.
^Mspns, die den Schauplatz des
biidsten, so meidet
einen trostlosen AmMck. Bam
Mm n ist der
der

Meder Ruhe
DNB. Paris, 9. Aug.
dem" pirschte am Freitag Ruhe nach
^Sturm. Die Arbeiter haben wie üblich um
»in Arsenale und Werkstätten verlassen,
°^ue jöden Zwischenfall nach Hause zu
Pqn Abordnung der Gewerkschaften ist
^uterpräfekten empfangen worden. Sie
dtt °uf die Feststellung, daß die Arbeiter
San nichts mit den Meuterern der ver-
^Nen Nacht verwechselt werden.
s^.. Bürgermeister von Toulon hat Maueran-
anbringen lassen, durch die ein ver-
hz. ^°^ter Belagerungszustand ver-
sitz^, Er fordert die Bevölkerung auf,
b»r»^ "nnütz auf der Straße aufzuhalten und
ia Benehmen zu Ansammlungen Anlaß
d"' ^ie solle früh schlafen gehen, späte-
3«it ^1.00 Ahr. Nur wer sich nach dieser
auf der Straße aufhält, könne gewissen
D-'^^iten ausgesetzt sein.
^^vertretende Präfekt des Departements
M Pressevertretern, daß der Belagerungs-
eigentlichen Sinne des Wortes nicht
i» ^?Üt worden sei. Die Zivilbehörden seien
KLeise ihrer Vorrechte beraubt Er
ferner die Gerüchte, wonach die Gas-
yj? "an Toulon explodiert sei. Gleichzeitig
lastet Präfekt daraufhin, daß unter den Ver-
""d Verletzten fast keine Arbeiter der
NH, ichan Werkstätteü seien Es handele sich
tz^vtefts um Dockarbeiter oder lichtscheues
»IL.Z^ > das nur auf die Gelegenheit warte,
zu können. Unter ihnen befinden sich
vskänder, besonders Polen und Italiener,
kaust verhafteten Unruhestiftern sind im
ty 7/^2 Tages 33 wieder entlassen worden,
»dl ins Eerichtsgefängnis übergeführt,
"d-s/t nächsten Tagen vom Schnellgericht
sich zu werden. Unter ihnen befinden
-Italiener, ein Spanier und ein Pole.
bes^eAchtsarzt hat ferner die Sezierung der
bejtz Todesopfer vorgenommen. Einer der
ökUch, ^"ien ist an den Folgen eines Schädel-
"alve»f ^astorben, während der andere eine Re-
^al in die Brust erhielt, die ihm die
im Echbohrte. Zwei Schwerverletzte schwe-
ll noch in Lebensgefahr. Die Beisetzung
^^ar wird wahrscheinlich nicht vor
^itfinden.
Brest hat den ganzen Tag über Ruhe
dH Die polizeilichen Ermittlungen über
Se«, eines deutschen Staatsangehöri-
Re angeblich dabei betroffen worden sei,
dem Dolch in der Hand einen Gen-
fer lEbamten überfallen wollte, haben zu
siihxt ^Eich überraschenden Aufklärung ge-
der 1,/"^ handelt sich nach einer Darstellung
der Hnz^Ethen Nachrichtenagentur Havas in
k«' einen deutschen Facharbeiter, der
de« ^Neswegg an der Streikbewegung oder an
pvtzzch^h°n beteiligt war. Eine sehr genaue
Untersuchung hat vielmehr ergeben,
ieib^ Dv^ch, mit dem er angeblich die Poli-
dsdroht habe, nichts weiter als ein
histt. der zu seinem Handwerkszeug ge-
st Papiere würben außerdem vollkom-


Zeiiungsdruckerei des „Petit Var" und des da-
zugehörigen Lesesaals sin dvon den Meuterern
zerstört und geplündert worden. Ebenfalls ist ein
Waffengeschäft von den Aufrührern geplündert
worden. Diese Stelle war natürlich der Mittel-
punkt des verbissenen Widerstandes der Revolu-
tionäre, die von dort aus ein förmliches Schnell-
feuer auf die vorrückenden Truppen der Garde
mobile eröffneten. Hier gab es Tote und Schwer-
verletzte auf beiden Seiten. Wie immer bei sol-
chen Ereignissen überstürzten sich die wildesten
Gerüchte Die Bevölkerung ist entsetzt und er-
schreckt über das, was sich in ihrer sonst so fried-
lichen Stadt abgespielt hat.
Demgegenüber wird erklärt, daß nur zwei Per-
sonen ums Leben gekommen sind. Allerdings soll
der Zustand eines Schwerverletzten so ernst sein,
daß mit seinem Ableben gerechnet werden müßte.
Der llnterpräfekt hat. da der Belagerungszu-
stand noch nicht verhängt worden ist, offiziell
die Leitung und die Verantwortung für die
weiteren Maßnahmen zur Aufrechterhaltung
der Sicherheit und Ordnung übernommen. Aus
Lyon sind Verstärkungen der Mobilgarde einge-
troffen, aus Draguignon 200 Mann des 363. Är-
tillerieregiments. Alle öffentlichen Gebäude, ins-
besondere diejenigen, gegen die die Aufrührer

nächtliche Sturmangriffe unternommen haben,
wie der Bahnhof, die Poft, die Präfektur und
der Justizpalast, wurden von Wachkommandos
besetzt. Die Senegalscharfschützen haben mit auf-
gepflanztem Seitengewehr seit Donnerstagabend
die Post durch Absperrketten gesichert. Marine-
truppen bewachen weiter die Marinepräfektur,
während unbewaffnete Matrosen vor den ein-
zelnen Gebäuden und Werkstätten des Arsenals
Posten stehen.
Zu den Unruhen in Toulon
. DNB. Paris, 9. Aug.
Das Innenministerium bestätigt, daß bei den
Unruhen in Toulon zwei Zivilisten ums
Leben gekommen sind. Insgesamt erfolgten 68
Verhaftungen. Von den zahlreichen Verletzten
mußten drei Zivilpersonen ins Krankenhaus
eingeliefert werden, die anderen konnten nach
Anlegung von Notverbänden ihre Wohnung auf-
suchen, Auf Seiten der Polizei werden zwei
Verletzte, beim Militär sieben Verletzte ver-
zeichnet. Gegen eine« Italiener, der im Besitz
von Sprengstoffen angetroffen wurde, ist ein
Strafverfahren eingeleitet worden.

Vor der Dreierkonferenz

Znstimmung Italiens
DNB. Paris, 9. Aug.
Ueber eine Unterredung, die der französische
Ministerpräsident Laval am Freitag abend mit
dem italienischen Botschafter in Paris hatte, ver-
lautet in unterrichteten Kreisen, daß die italie-
nische Regierung keinerlei Einwendungen gegen
den Zusammentritt der Dreierkonferenz am 16.
August 1935 in Paris erhoben hat.
DNB. Nom, 9. Aug.
Zu der nunmehr bekannt gewordenen Fest-
setzung der kommenden Dreierbesprechungen in
Parid auf den 16. August wird gemeldet, daß die
italienische Vertretung von dem Kabinettschef
des Duce, Baron Aloisi, der bekanntlich Italien
bei allen Genfer Verhandlungen vertritt, geführt
werden wird.
USA stellt keinen Schiedsrichter
DNB. Washington, 9. Aug
Die Meldungen, wonach der in Deutschland
hinlänglich, „bekannte" frühere Botschafter Ame-
rikas in Berlin, James Gerard, als Vermittler
zwischen Italien und Abessinien ausersehen wor-
den sei und sich bereits auf dem Wege nach
Europa befinde, wurden am Freitag von Außen-
minister Hüll entschieden dementiert. Hüll er-
klärte, die Regierung werde erst offiziell be-
kanntgeben, wenn sie einen Vertreter zu entsen-
den wünsche. Zur Zeit habe die Regierung jedoch
nicht die Absicht, direkt oder indirekt in irgend-
einer Form bei den Schlichtunsverhandlungen
vertreten zu sein.
Abessinischer Konsul nach Japan abgereist
Journalistischer Hochbetrieb in Addis Abeba
DNB. Addis Abeba, 9. Aug.
Der, wie gemeldet, mit der Leitung einer abes-
sinischen Sondermission für Japan beauftragte
Daba Biru ist bereits am Freitag nach Tokio
abgereist. Er wird als erster abessinischer Konsul
sein Land in Japan vertreten. Die abessinische
Regierung erklärt hierzu, daß die Ernennung
aus diplomatischen Rücksichten erfolgt sei und
nichts mit Waffenlieferungen zu tun habe.
He Möglichkeit eines baldigen Beginns krie-
gerischer Ereignisse rückt die sonst so ruhige und
weltentlegene Hauptstadt Abessiniens immer
mehr in den Brennpunkt des öffentlichen Jnter-
esfts. Drss komnK vbr allem auch durch die große
Zahl wo« ansIÄndischen Berichterstattern zum
AiusÄruÄ, die stch Mr Jett in A-ddis Abeba auf-
hMvn und der kommenden Ereignisse harren.
SS anslanhMe Journalisten, die insgesamt 60
führend« WAWMter msd Nachrichtenbüros ver-

treten, befinden sich in der Hauptstadt. Daß sie
schon jetzt bemüht sind, ihre Auftraggeber nach
Möglichkeit zufriedenzustellen, geht am deutlich-
sten aus der Tatsache hervor, daß die hiesige fun-
kentelegraphische Station im letzten Monat
110 000 Worte in den Aether sandte, während
sonst, zu ruhigen Zeiten, monatlich nur etwa
3 OOO Worte gesendet wurden.
Abessinien kauft in Polen Uniformen
DNB. Warschau, 9. Aug.
In Lodz ist eine Abordnung abessinischer Kauf-
leute eingetroffen, die größere Mengen Unifor-
men zur Ausstattung der abessinischen Armee
angekauft haben. Weitere Abschlüsse sollen dem-
nächst in Aussicht genommen sein.
Italien kaust ausländische Dampfer
DNB. Rom, 9. Aug.
Die Nachrichten über den Ankauf von auslän-
dischen Dampfern durch italienische Schiffahrts-
gesellschaften werden nunmehr von zuständiger
italienischer Seite bestätigt.
Obwohl Italien seinen eigenen Passagierdienst
bereits erheblich einschränkte, hat es sich doch als
notwendig erwiesen, ausländische Dampfer zu
kaufen, um die Verladungen nach den italieni-
schen Kolonien in möglichst beschleunigtem Tempo
durchführen zu können.
Amerikas Presse begrüßt den Beschluß der
Außenhandelsbank
DNB. Newyork, 9. Aug.
Der Beschluß der Außenhandelsbank, an ita-
lienische Firmen keine Kredite zu eben, wird in
der amerikanischen Presse durchweg begrüßt und
als erstes Anzeichen dafür gewertet, daß Amerika
endlich „aufwache" und keine Kriege im Aus-
lande mehr finanziere.
Man erklärt im übrigen, daß fremde Staaten
in Zukunft nur gegen Barzahlung Kriegsmate-
rial erstehen könnten.
Die Opfer des Flugzeugunglücks nach Kairo
gebracht
DNB. Alexandrien, 9. August.
Die vollständig verkohlten Leichen der In-
sassen des Flugzeuges wurden am Freitag nach
Kairo überführt. Der italienische Gesandte, der
sich während der Sommermonate in Alexandrien
aufhält, hat sich ebenfalls dorthin begeben, um
die Einsargung der Leichen zu überwachen und
die wahrscheinlich beabsichtigte Ueberführung
nach Italien vorzubereiten. Die Ursache des
Unglücks ist immer noch unbekannt, man ver-
mutet jedoch nach wie vor, daß es sich um eine
E-xploston des Benzintanks gehandelt hat. Sämt-
liche Gebäude der zahlreichen italienischen Ein-
wohnerschaft Alexandriens und Kairos haben
Halbmast aeflaggt.

„Mandate"
Der Lebensraum der andern
Die Kolonialpolitik hat im Lauft der Iah.
Hunderte die verschiedensten Formen der Ver-
waltung fremder Länder ausgebildet. So unter
scheidet das britische Weltreich Dominions.
Kronkolonien, Schutzstaaten, Schutzgebiete, dazu
noch britisch-indische Schutzgebiete, Schutzherr-
schaften (z. B. das Somaliland), Eemeinherr-
schaften (z. B. den Sudan, der von England und
Aegypten gemeinsam verwaltet wird). Daneben
sind noch mehr oder weniger mit England ver-
bundene Gebiete vorhanden, die dem britischen
Weltreich nicht offiziell angehören, wie Aegyp-
ten und der Irak.
Eine neue Form der Beherrschung fremder
Länder hat der Völkerbund in die Welt gesetzt,
als er Kolonialmandate errichtete. Ur-
sprünglich war daran gedacht, die der Türkei ab-
genommenen Gebiete als Mandate zu erklären
und einigen Siegermächten zu übertragen. Dann
wurde dieser Gedanke auch auf die Deutschland
abgenommenen Kolonien angewandt, die an
England, Frankreich und Japan verteilt wur-
den. England übertrug einige der deutschen
Kolonien an seine Dominions und zwar Süd-
westafrika an die Südafrikanische Union, Neu-
Guinäe und Samoa an den Australischen Bund
und Neuseeland. Die Wegnahme der deutschen
Kolonien wurde der Welt damit begründet, daß
Deutschland sich als „unwürdig und unfähig" er-
wiesen habe, fremde Gebiete zu kolonisieren. Das
ist die berühmte Schuldlüge, gegen die Deutsch-
land ununterbrochen angekämpft hat. Die Welt
hat inzwischen begriffen, daß jene Begründung
nichts als ein leichtfertiger Vorwand war und
die farbigen Bewohner der ehemaligen deutschen
Schutzgebiete haben in der Zwischenzeit oft genug
Gelegenheit genommen, die Vortrefflichkeit der
früheren deutschen Verwaltung anzuerkennen.
Neichsminister Dr. Frick hat in seiner letzten
Rede in Essen a. d. R. folgendes ausgeführt:
„Wenn die anderen Völker so tun, als ob sie
besonderen Wert darauf legten, daß das Deutsche
Reich wieder in den Völkerbund zurückkehrt,
dann muß zuerst die Kolonialschuldlüge fallen"
Auch Deutschland, das Italien das Recht zur Er-
weiterung seines Lebensraumes nicht streitio
mache, brauche Raum für sein Volk und werd
nicht dulden, daß man über seine Lebensno'
Wendigkeiten zur Tagesordnung übergeht.
, In der Völkerbundssatzung ist auch de'
! Grundgedanke des Mandatssystems
umschrieben worden Er geht dahin, daß die
farbigen Völker in den Kolonien noch nicht im-
stande seien, sich selbst zu leiten. Daher liege
es in ihrem eigenen Interesse, daß die Vor-
mundschaft über solche Völker an dazu „geeignete,
bereite und fortgeschrittene Nationen" übertra-
gen werde, die die Verwaltung der Länder als
Mandate und im Namen des Völkerbundes zu
führen haben.
Es wurden drei Arten solcher Mandate
gebildet. Die ^-Mandate bestehen aus den frü-
her türkischen Gebieten Syrien, Palästina und
Irak. Ihnen wird zugebilligt, daß sie schon
einen solchen Grad der Entwicklung durchge-
macht haben, daß sie als unabhängige Nationen
anerkannt seien, unter der Bedingung, daß die
Ratschläge und die Unterstützung des Mandates
bis zu dem Zeitpunkt bestehen bleiben, wo diese
Gebiet sich selbst regieren können. Bei der Wahl
des Mandatars sollten in erster Linie die
Wünsche der Mandatsgebiete berücksichtigt wer-
den. So steht Syrien unter sranzöWher Ver-
waltung, Palästina und Irak waren an Eng-
land gefallen, ohne daß man sagen könnte, daß
die Bevölkerung danach gefragt worden wäre.
Die häufigen Unruhen in Palästina und Syrien
zeigen deutlich genug, daß jene Länder mit den
Verhältnissen der Mandatsverwaltung nicht zu-
frieden sind. Der Irak (das alte Mesopotamien)
hat inzwisechn eine größere Selbständigkeit er-
langt und gehört auch dem Völkerbund« an.
Als 8-Mandate sind die deutschen Kolo-
nien Deutsch-Ostafrika, Kamerun und Togo er-
klärt worden. In der Völkerbundssatzung heM
 
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