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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 201 - Nr. 210 (29. August - 9. September)
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WiAmkhast und Kunst / Aus -er Welt -er Frau / Die LeWun-e

Wlzer Sole

Freitag, ü. September 1SZS

70. Jahrgang / Nr. 208

weitere Verfahren machen werde.

in seinem Versuch, eine friedliche Lösung des
Streits zu finden, zu schaden.

lienische Ratsvertreter, der am Donnerstag zur
Entgegennahme der Bemerkungen und etwaigen
Ratschläge anderer Ratsmitglieder der Sitzung
als Beobachter beigewohnt habe, werde auch
weiterhin an den Ratssitzungen teilnehmen, so-
gar in Anwesenheit eines abessinischen Vertre-
ters, werde aber jedesmal wieder den Ratstisch
verlassen, wenn der abessinische Vertreter sich an
der Aussprache beteilige.

Ergebnis von Unstimmigkeiten, die sich
im letzten Augenblick wegen der Zusammen-
setzung des geplanten Fünferausschus-
s e s ergeben hatten.
Es war vorgesehen, daß diesem Ausschuß Eng-
land und Frankreich, sowie drei weitere Mächte
angehören sollten. In der letzten Beratung vor

der Sitzung erhob der italienische Vertreter die
Forderung, daß Italien gleichfalls in den Aus-
schuß gewählt werden solle, da es ähnlich wie
England und Frankreich an der abessinischen
Frage interessiert sei. Werde dies nicht ge-
wünscht, so sei vorzuziehen, einen Ausschuß von
völlig uninteressierten Staaten einzusetzen.
Diese italienische Forderung, die darauf hin-
auslief, die beiden westlichen Großmächte als
befangen zu erklären, hat die bisherigen Disposi-
tionen umgeworfen.
Im Völkerbundssekretariat ist man bemüht,
diesem Zwischenfall sowie dem ostentativen
Weggang des italienischen Vertreters vom Rats-
sitz eine untergeordnete Bedeutung zu geben.
In ähnlichem Sinne erklärte man italieni-
scherseits, daß die Geste Aloisis sich nur auf den
vorliegenden Einzelfall bezog, also nicht gegen
den Rat als solchen gerichtet war.
Es läßt sich aber nicht verkennen, daß die
Ereignisse vom Donnerstag schon das formale
Arbeiten des Völkerbundsrates ungemein er-
schwert haben, ganz abgesehen von den politi-
schen Gegensätzen, die in ihnen zum Ausdruck
kommen.

sei jetzt vorbei. Angesichts der aufs äußerste ge-
stiegenen Gefahr, die ein Völkerbundsmitglied
bedrohe, müsse sofort gehandelt werden.
Ein Völkerbundsausschuß müsse sofort einge-
setzt werden und noch während der gegenwärti-
gen Tagung des Rats Bericht erstatten. Abes-
sinien sei mit jedem Vermittlungs-
verfahren einverstanden, das den Aus-
bruch des Kriegs aufhalten könnte. Es verlange
lediglich eine gerechte Lösung und eine vollstän-
dige Regelung der ganzen Angelegenheit. Es sei
gegen jede Vertagung. Es handele sich jetzt dar-
um, zu wissen, ob ein Staat bei der Bedrohung
durch einen mächtigen Nachbarn unter Berufung
auf Artikel 10 und 15 des Völkerbundsvertrags
mit einem wirklichen Schutz rechnen könne.

Abessinien lehnt Kompromisse ab
Abessinisches Danktelegramm an den Papst
DNB Addis Abeba, 5. Sept.
Donnerstagvormittag erhielt der Vertreter
Abessiniens in Genf neue Instruktionen, dar-
unter, wie bisher bekannt wurde, die strikte An-
weisung, den bisherigen abessinischen Stand-
punkt nicht zu verlassen und keine Kompromiße
einzugehen. Die Auffassung über die Lage ist
in Addis Abeba sehr optimistisch.
Der Kaiser sandte in der Nacht zum Donners-
tag dem Papst in Rom ein Telegramm, in
dem er ihm für seine Friedenskund-
gebungen dankte.

stellen und-für die Zukunft einen gefährlichen
Präzedenzfall bilden. Jeder Krieg sei die Frucht
eines vorausgegangenen Kriegs und erzeuge
neue Kriege in der Zukunft. Der Grundsatz von
der Unteilbarkeit des Friedens setze sich erfreu-
licherweise immer mehr durch. Es sei auch nicht
angängig, eine militärische Operation
mit den inneren Zuständen eines Landes
zu begründen.
Gewiß werde niemand für die Zustände in
Abessinien, so, wie sie die italienische Denkschrift
darstelle, Sympathien haben. Aber nichts
berechtige zu einer Diskriminierung
an Völkerbundsmitgliedern nach ihren inner- j
politischen Verhältnissen, nach ihrer Rasse
oder Hautfarbe oder nach ihrer Kultur-
stufe. Alle hätten ein unveräußerliches
auf Unabhängigkeit und Unversehrtheit.

andere Rechtfertigung als Notwehr.
Litwinow erinnerte außerdem an den Kellogg-
Pakt und forderte den Völkerbund auf, keine
Bemühungen oder Entschließungen zu unterlas-
sen, um einen bewaffneten Konflikt zu vermei-
den.

unter gleichberechtigter Teilnahme Abessiniens
nicht möglich sei. Das Vorgehen des italieni-
schen Vertreters am Donnerstag sei demnach nur
eine logische Folge der am Mittwoch von Aloisi
dargelegten italienischen Auffassung. Nach die-
sen Erklärungen könne das Verlassen des Rats-
tisches weder als ein Theatercoup, noch etwa
gar bereits als ein endgültiger Bruch Italiens

Sitzung, derenZeitpunktoffengelas- ------- -- - - - ' ,
sen wurde, dem Rat Vorschläge über das Italien eine Erörterung seines Streitfalles

Warum es so kam
Italien nicht einverstanden mit der Zusammen-
setzung des neuen Ausschusses
DNB. Gens, 5. Sept.
Der für die Öffentlichkeit überraschende Ver- ..... .
lauf der Ratssitzung am Donnerstag war das mit dem Völkerbund betrachtet werden. Der itn

Recht
. - - - - . f
Es gebe für militärisches Vorgehen keine AgK
m . j DNB. 5. Sept.
In italienischen politischen Kreisen wird er-
klärt, die Geste des italienischen Vertreters in
der Ratssitzung am Donnerstag könne, so sensa-
tionell sie auch wirken möge, im Hinblick auf die
Erklärungen Aloisis vom Mittwoch kaum noch
Der Ratspräsident schloß darauf die Sitzung überraschen. Der Führer der italienischen Ab»
mit der Ankündigung, daß er in der nächsten ordnung habe bereits am Mittwoch mit aller
, - - Deutlichkeit der Welt zu verstehen gegeben, daß

„FrankreichsOstsestungen unangreifbar
Feststellungen des sowjetruffischen Generalstabschefs
DNB Moskau, 5. Sept.
Die sich in Frankreich aufhaltende sowjet-
russische Militärabordnung hat noch
vor Beginn der großen französischen Herbst-
manöver auf Einladung des französischen Gene-
ralstabschefs, General Eamelin, eine Rundreise
unternommen, auf der sie eine Reihe Armee-
korps, vor allem aber das befestigte Ge-
biet im Nordosten Frankreichs, besichtigte.
In einer in der „ Iswestija " groß aufge-
machten Unterredung, die der Pariser B-r'cht-
e'.statter des Blattes Mit dem Leiter der Somjet-
militärabordnun - dem stellvertretenden Gene-
ralstabscher der Roten Armee, Ssedjakin.
hatte, äußerte sich dieser sehr befriedigt darüber,
daß die französischen Offiziere den Sowjets die
Möglichkeit gegeben hätten alles zu besichtigen,
wofür sich die Vertreter der Roten Armee be-
sonders interessiert hätten. So hätten die sow-
jetrussischen Offiziere das erst kürzlich geschaf-
fene System der Befestigungsanlagen an der
französischen Ostgrenze in allen Einzel-
heiten studieren können, und diese Befesti-
gungswerke hätten auf ihn einen gewalti-
gen Eindruck gemacht. Der rote General
gab dann auch seine Meinung über den Fes-
tungsgürtel an der Rheingrenze
ab, und sagte u. a., daß die „Verteidi-

„Die Lage ist sehr ernst" sagt der Havas-
vertreter in Genf
DNB. Paris, 6. Sept.
Der Sonderberichterstatter der Agentur Ha-
ri a s in Genf beurteilt den Verlauf des zweiten
gung des Rheins" insbesondere im Ab- Verhandlungstages des Völkerbundsrates in
schnitt zwischen den nördlichen Vogesen und dem Genf pessimistisch. Die Tatsache, daß Aloisi, in
Strom außerordentlich gut organisiert und sehr sein Hotel zurückgekehrt, sofort ein Fernge -
solide angelegt sei. „In diesem ganzen Gebiet,"^ spräch mit Mussolini geführt habe, um
so betonte General Ssedjakin, „haben wir die ihm Bericht über den Zwischenfall zu erstatten,
Anwendung der neuzeitlichsten und allermäch- zeige, welchen Grad bereits die Spannungen der
tigsten Kriegsmittel beobachten können, die die amtlichen Beziehungen zwischen den beiden Län-
größtmöglichen Ergebnisse zeitigen müssen nicht dern erreicht hätten. Man habe in den Kreisen
nur bei der Verteidigung dieses Gebietes, son- der französischen Abordnung trotz allem auch
dern auch bei ihrer Umwandlung in eine An- Hoffnung, den Zwischenfall regeln zu können,
griffsbasis, einen Stützpunkt für Gegenangriffe ohne den Anstrengungen des Völkerbundsrates,
als Repressivmaßnahmen gegen einen eventuel-
len Angreifer. Nachdem sich der Sowjetgeneral
sehr lobend über „das wunderbar durchdachte
und verwirklichte System der französischen For-
tifikationsarbeiten" geäußert hatte, gab er noch
der Meinung Ausdruck, daß die Bedeutung die-
ser gewaltigen künstlichen Befestigungsanlagen
noch größer sei in Verbindung mit dem ein-
drucksvollen Straßennetz, das eine bedeutende
Elastizität und Mannigfaltigkeit der Bewegung
innerhalb der Vefestigungszone ermögliche.
General Ssedjakin schloß aufgrund eingehen-
den Studiums der französischen Ostbesestigungon
seine militärfachmännischen Betrachtungen mit
der Schlußfolgerung: „Ein Vefestigungssystem
dieser Art macht bei dem gegenwärtigen Stand
der Kriegstechnik dieses Gebiet unangreifbar."

Adefsmiens Forderungen
'e Ausführungen des abessinischen Vertreters
DNB. Gens, 5. Sept.
^Nachdem Aloisi die Ratssitzung verlassen hatte,
<schin der Vertreter Abessiniens das Wort. Er
'"8 aus die Einzelheiten der italienischen Denk-
Mft njchj näher ein. In seinen Ausführungen
rach er non einem italienischen Nerblüffungs-
8iröver. Italien wolle Abessinien in Acht und
s/"" erklären, um dadurch von der Einhaltung
"er eigenen Verpflichtungen freizukommen.
Een handele nach dem französischen Sprich-
, E: „Wer seinen Hund ertränken will, sagt, er
"be di« Tollwut." Die Beschimpfungen, die
Een gegen Abessinien vorbringe, erinnerten
vä-l""' Italien in letzter Zeit alle seine euro-
li^r Nachbarn nacheinander aus das gröb-
Hste beschimpft habe. Gefährlich werde die
tung Italiens diesmal nur durch die um-
Reichen militärischen Vorbereitungen, die
bn? Unmittelbare Kriegsgefahr heraufbeschworen
len. W«nn Italien Ausdehnung und neue
, Aßgebiete brauche, warum trage es dann
jed Anspruch nicht offen vor? Abessinien sei
Urzeit bereit, zur Durchführung von Refor-
und zur wirtschaftlichen Entwicklung des
. "des den uneigennützigen Rat des Völkerbun-
^»u befolgen.
abessinische Vertreter forderte vom Völ-
rbundsrat:
gemäß Artikel 10 der Satzung des Völker-
sen b notwendigen Maßnahmen zu ergrei-
am die Unabhängigkeit und Unversehrtheit
SA ' wns angesichts der italienischen Truppen-
mmmenziehungen zu schützen,
in Artikel 15 Abs. 3 vorgesehene Ver-
anzuwenden. Die Zeit der Vertagungen

Schwere Verschärfung derKrise in Genf
Italien lehnt gemeinsame Ratssitzung mit Abessinien ab / Aloisi verläßt demonstrativ den Ratssaal
Scharfe Kritik Litwinows an der Auffassung Italiens

Amaschende Einberufung
des Nates
Ein neuer Ausschuß soll weiterhelfen
DNB. Genf, 5. Sept.
Neberraschend wurde am Donnerstag in den
Nachmittagsstunden eine neue Ratssitzung ange-
lt, die um 18 Uhr stattfinden sollte, dann aber
g^ich um eine Stunde verschoben wurde.
Nach einer kurzen geheimen Sitzung soll der
Nat in öffentlicher Sitzung die Stellungnahme
As abessinischen Vertreters zu den gestrigen
Erklärungen des italienischen Vertreters Aloisi
'"tgegennehmen. Wie verlautet, will man da-
die allgemeine Aussprache abschließen und
Ar Einsetzung eines Ausschusses schreiten, dem
Ar weitere Behandlung des Streitfalles über-
ragen werden soll. Der Ausschuß wird sich wahr-
'cheinlich aus fünf Mitgliedern zusammensetzen.
NZi« man hört, werden dem Ausschuß neben
englischen und dem französischen Ratsver-
rAer di« Delegierten von drei neutralen Rats-
pachten angehören.
Aloisi verläßt den Natssaal
DNB. Genf, 5. Sept.
Die öffentliche Sitzung des Völker-
"ndsrats zur Entgegennahme einer abes-
imischen E r k l ä r u n g zu der italienischen Denk-
schrift begann kurz nach 10 Uhr.
Der Ratspräsident erteilte sofort dem Vertre-
rr Abessiniens Professor Jöze das Wort.
In diesem Augenblick erhob sich der italienische
rrtreter Aloisi von seinem Platz am Rats-
Rch und verließ den Sitzungssaal. Ein Mit-
Eed der italienischen Abordnung, das darauf-
seinen Platz einnahm, wurde nach einigen
Minuten, während der Vertreter Abessiniens
^"ch sprach, aus dem Saal gerufen, so daß der
^aß Italiens von nun an leer blieb.

Litwinow gegen die
italienische Haltung
Die Sitzung auf unbestimmte Zeit vertagt
DNB. Genf, 5. Sept
Nach dem abessinischen Vertreter sprach der
russische Volkskommissar Litwinow. Er
äußerte zunächst sein Bedauern über den Miß-
erfolg der Pariser Dreimächteverhandlungen und
betonte sodann die Sympathie und Achtung, die
die Sowjetunion für eines der in Streit be-
findlichen Länder (gemeint war Italien) seit
zehn Jahren hege in dem Wunsch, daß die zehn-
jährigen guten Beziehungen in dem gleichen
Freundschaftsgeist fortgesetzt werden. Der gegen-
wärtige Konflikt enthalte die größten Gefahren
für das gesamte internationale Leben und ins-
besondere für den Völkerbund.
Litwinow erklärte sich außer Stande, der Hal-
tung zuzustimmen, die der Vertreter Italiens
dem Völkerbund vorgeschlagen habe. Italien
wolle, daß sich der Rat an dem italienisch-abessi-
nischen Konflikt desinteressiere. Es handle sich
um die Drohung mit einem Angriff, die nicht
bestritten, sondern vom italienischen Vertreter
selbst bestätigt werde. Ein derartiger Angriff
würde eine flagrante Verletzung, ja eine voll-
ständige Zerreißung der Völkerbundssatzung dar-
 
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