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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 191 - Nr. 200 (17. August - 28. August)
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WdelbergerVolksdlatt

Skimatzeltung mit den Brilagrn: Urb er dem Alltag / Srimatwartr

Wisjrnlchatt und Kunst / Aus brr Welt brr Frau / Sir Lrsrskunbr

Wer Bote

7». Jahrgang / Ar. 196

Freitag, 23. August ISZS

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die Kabmettssißung in London

Bekenntnis zu Genf

Vorläufig keine Änderung des WaffenaussuhrverboleS
Weiterhin Vemühungen um einen friedlichen Ausgleich

DNB. London, 22. Aug.
Anter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten
V^ldwin begann am Donnerstagvormittag
io Uhr die Sondersitzung des britischen
Kabinett« zur Erörterung des italienisch-abes-
^"ischen Streitfalls. Alle 22 Minister nahmen
^l. Die Sitzung wurde nach zweidreiviertel-
Mndiger Dauer zu einer Mittagspause unter-
jochen. Sie wurde um 14.30 Uhr fortgesetzt und
16.30 beendet. Weitere Sitzungen sind vor
Genfer Ratstagung am 4. September nicht
vorgesehen. Kurz nach Beendigung der Kabi-
jttssttzung sagte MacDonald zu einem
Pressevertreter: „Wir sind uns in aller Ruhe
mit kühler Ueberlegung schlüssig geworden,
sind uns sehr klar über das, was getan
werden soll."
3n unterrichteten Kreisen verlautet, daß das
Kabinett zu folgenden Ergebnissen gekommen ist:
Das Kabinett billigt in jever Hinsicht die
"ach dem Abschluß der Pariser Dreimächtebe-
ratungen abgegebene Erklärung, daß die bri-
Me Regierung mit der französischen Regierung
v ständiger Fühlung und in engster Zusammen-
*jit bleiben wird und daß die beiden Regie-
rungen bis zur Sitzung des Völkerbundsrates
"W 4. September fortfahren werden, auf diplo-
matischem Wege mit der italienischen Regierung
w Möglichkeit einer friedlichen Rege-
"ng zu erforschen.
2- Das Kabinett hat ferner beschlossen, in der
w Juli getroffenen Entscheidung, vorläufig die
rteilung von Bewilligungen für die Aus-
fuhr von Waffen nach Italien und Abes-
t dien zu sperren, keine Aenderung eintre-
wt zu lassen. Das bedeutet jedoch, wie verlau-
? > nicht notwendigerweise die Aufrechterhal-
UNg des Ausfuhrverbotes bis zum September,
ußenminister Sir Samuel Hoare ist mit der
andigen Ueberprüfung dieser Frage
^raut worden.
3. Schließlich hat sich das Kabinett auf den
andpunkt gestellt, daß kein Grund für

eine Aenderung der bereits bei mehreren
Gelegenheiten mitgeteilten Politik der britischen
Regierung gegenüber dem Völkerbund und
den Genfer Satzungen besteht.
Während der größte Teil der Minister London
wieder verläßt, um ihren Urlaub fortzusetzen,
verbleiben der Außenminister und einige andere
Mitglieder der Regierung in der Hauptstadt
oder in der Nähe, um im Notfall sofort zur
Stelle sein zu können.
pariser Betrachtungen
DNB Paris, 22. Aug.
Als ersten Eindruck von der englischen Kabi-
nettssitzung glauben die französischen Blätter
feststellen zu können, daß sich England vor jeder
endgültigen Entscheidung mit Frankreich ins
Benehmen setzen will. In Pariser politischen
Preisen legt man großen Wert darauf, daß
Mussolini nicht verärgert werde, da
man befürchtet, daß das zu einer Ueberstiirzung
der Ereignisse führen könnte. Solange noch Aus-
sicht darauf besteht, daß Italien an der Sitzung
des Völkerbundsrates vom 4. September teil-
nimmt, sei die Hoffnung auf eine friedliche Lö-
sung vorhanden. Wenn das Fernbleiben Itali-
ens in Genf jedoch herausgefordert werden
sollte, wäre nach hiesiger Ansicht eine bewaffnete
Auseinandersetzung zwischen Italien und Abes-
sinien nicht mehr aufzuhalten.
Der Außenpolitiker des „Paris Soir" ist über-
zeugt. daß England nicht allein die Verantwor-
tung für irgendwelche Maßnahmen tragen, son-
dern sich an den Völkerbund wend-n werde. Der
Völkerbund bedeute aber in diesem Falle Frank-
reich, denn welche Völkerbundsmitglieder wür-
den England folgen, wenn Frankreich nicht mit
gutem Beispiel vorangehe? Folglich müsse
Frankreich schon jetzt die Antwort auf die von
England zu stellenden Fragen vorbereiten und
bereit sein, seinerseits die hochwichtige Vorfrage
zu stellen: „Handelt es sich bei euren Absichten
in Italien um eine vorläufig bestimmte Politik

Ein neuer Zwischenfall?
Ein italienischer Konsul in Abessinien schwer verletzt / Selbstverschuldeter Llnsall?

DNB Addis Abeba, 22. Aug.
v . er italienische Konsul in Eodjam (Slldabes-
wn), Muzi Falconi, versuchte vor etwa
Nein Monat aus Addis Abeba auf seinen
zurückzukehren. Er konnte damals sein
"^ben wegen Unpassierbarkeit des Nils nicht
mähren. Am Dienstag machte Muzi Falconi
itev" Versuch und reiste in Begleitung
bischer Diener von der hiesigen Gesandt-
vst einer Karawane nach Eodjam. Am
'twochabend wurde derd Konsul mit einem
hbutter schuß in das italienische Kranken-
^Us m Addis Abeba zurückgebracht. Die ita-
°vischeu Diener sollen ausgesagt haben, daß
nsul Muzi Falconi sich selbst den Schuß bei-
habe. Man befürchtet in Addis Abeba,
dieser Vorfall von Italien als schwerer
H^l ."lall ausgewertet wird. Konsul Muzi
ein Schwiegersohn des britischen Ee-
jen in Addis Abeba, Sir Sydney Barton.
DNB Rom, 22. Aug.
it^der die Angelegenheit der Verwundung des
li Aschen Konsuls in Abessinien gibt die ita-
s»u^ Nachrichtenagentur Agenzia Ste-
itai' .^tgende knappe Mitteilung aus: „Der
Heische Konsul Muzi Flaconi ist auf dem
seinem Amtssitz Derra Marcos ver-
ödet worden. Nähere Einzelheiten liegen
vor. Der italienische Gesandte in Addis

Abeba hat sich an Ort und Stelle begeben."
In hiesigen zuständigen Kreisen werden ent-
schieden die im Auslande umlaufenden Gerüchte
dementiert, wonach die diplomatischen Bezieh-
ungen zwischen Abessinien und Italien infolge
eines schweren Zwischenfalles, in dessen Mittel-
punkt der italienische Konsul Falconi stand, ab-
gebrochen worden sein sollen. Man betont hier
ausdrücklich, daß ein politischer Zwi-
schenfall nicht vorliege, sondern daß
Falconi aller Wahrscheinlichkeit nach einen
Jagdunfall erlitten hat, bei dem seine
Flinte losging und eine Kugel in seine Schul-
ter eindrang. Daß man irgendeine politische
Schlußfolgerung aus diesem Unglücksfall ziehen
werde, wird hier entschieden in Abrede gestellt.
Der italienische Gesandte in Addis Abeba hat
unverzüglich persönlich eine Untersuchung ein-
geleitet.
Addis Abeba, 22. Aug.
Die italienische Gesandtschaft hat nunmehr
erklärt, daß der italienische Konsul Baron Muz-
zi Falconi sich beim Waffenreinigen einen
Schuß in die linke Lunge beigebracht habe.
Seine Frau, die ihn auf der Reise begleitete,
fand ihn in seinem Blute liegend abseits vom
Lager, das er allein verlassen hatte. Die Ita-
liener betonen, daß es sich nicht um einen poli-
tischen Zwischenfall handele. Der Zustand des
Konsuls ist vorläufig nicht besorgniserregend.

Die Funkausstellung
Insgesamt drei Todesopfer des Vrandes / Ehrung Paul AipkowS

DNB. Berlin, 22. Aug.
Am Morgen nach dem Brand auf dem Funk-
ausstellungsgelände am Kaiserdamm ist unter
den Trümmern eine Leiche gefunden worden,
von der jetzt erst festFestellt werden konnte, daß
es sich wahrscheinlich um den Ingenieur Georg
Schmidt von der AEG handelt. Da ein Toter
bereits am Tage nach dem Brand als der In-
genieur Keßler von Telefunken festgestellt wer-
den konnte und ein Verletzter ebenfalls am
Dienstagmorgen im Krankenhaus seinen Ver-
letzungen erlegen ist, sind somit insgesamt drei
Todesopfer zu beklagen. r
*
Aus Anlaß des 75. Eerbutstages des greisen
Fernseherfinders Paul Nipkow fand Don-
nerstag abend in der Halle I der Rundfunkaus-
stellung eine besondere Feier statt. Die riesige
Halle war bis aus den letzten Platz besetzt.
Reichssendeleiter Hadamovsky begrüßte den
Erfinder mit herzlichen Worten. Dann betrat
Professor Dr. M. Seddig von der Universität
Franksurt/Main das Podium, um Paul Nipkow

oder besagt eure Haltung, daß ihr in allen
künftigen Fällen und bei jeder Gelegenheit dem
kollektiven Sicherheitssystem mit den daraus sich
ergebenden Verantwortlichkeiten restlos zu-
stimmt? In diesem zweiten Fall müßt ihr durch
die Völkerbundsversammlung ein Sicherheits-
system annehmen lassen, das alle Lücken des
Völkerbundspaktes ausfüllt. Wir sind mit euch
nach dieser Richtung einig, aber im ersten Fall
brauchen wir Bedenkzeit. Italien und Frank-
reich marschieren Hand in Hand, die Sicherheit
Europas zu erhalten. England selbst hat zuge-

im Auftrage der Hochschule und ihres Direktors
Professor Dr. Platzhoff Glückwünsche zu über-
bringen und gleichzeitig bekannt zu geben, daß
die naturwissenschaftliche Fakultität der Univer-
sität Frankfurt/Main Paul Nipkow zu ihrem
Doktor e. h. ernannt habe.
Nach kurzen Dankesworten des Gefeierten
nahm Reichssendeleiter Hadamowsky das
Wort. Er wies darauf hin, daß es der genialen
Erfindung Paul Nipkows zu verdanken sei, daß
Deutschland mit einem vollendeten Fernsehen
heute vor allen Völkern stehe. Mit Stolz blicke
die Jugend des Dritten Reiches auf den Mann,
der zäh seine Pflicht getan habe. Das neue
Deutschland werde alles tun, damit eine spätere
Generation nicht einmal sagen könne, einer der
Großen des Reiches habe nicht den ihm gebüh-
renden Dank gefunden. Vor ihm, als einem
Manne ganz großen Formats, verneige sich da»
deutsche Volk.
In sichtbarer Rührung nahm Paul Nipkow
die zahlreichen Ehrungen entgegen.

geben, daß der Völkerbund außerhalb Europas
machtlos sei. Die Ereignisse haben das bestä-
tigt. Schließen wir uns also zur Beschwörung
der Gefahr zusammen, ohne jedoch aus den
Augen zu verlieren, daß die uns drohenden Ge-
fahren nicht an den Gestaden dos Roten Meeres
oder gar an der Quelle des blauen Nils lie-
gen." (!)
-i-
Ministerprästdent Laval hatte am Donners-
tag eine Unterredung mit dem- italienischen
Botschafter Cerruti.

Ser amerikanische ReuiraMsbeschluß

Kritische Stimmen in WA
DNB Newyork, 22. Aug.
Das Staatsdepartement macht große Anstren-
gungen, die vom Senat angenommene Vorlage
über die künftige Neutralitätspolitik der Ver-
einigten Staaten dahin abzuändern, daß das
Weiße Haus die Befugnis erhält, selbst zu
bestimmen, wann und gegen welchen Staat
Sperrmaßnahmen getroffen werden sollen.
Im Weißen Hause fanden am Mittwoch lange
Besprechungen zwischen Roosevelt, Hüll
und dem Vorsitzenden des Hauptausschussss für
Auswärtige Angelegenheiten statt. Sie führten
zu einem Versuch, zwischendem Repräsentanten-
haus und dem Senat ein Kompromiß zu suchen,
das dem Präsidenten die Entscheidung frei'äßt
und ihn ihn übrigen ermächtigt, nicht nur
Kriegsmaterial, sonder auch Anleihen und
Warenkredite für kriegführende Staaten
zu sperren.
In amtlichen Kreisen steht man auf dem
Standpunkt, daß es völlig verfehlt wäre, Ame-
rikas Hände zu binden, wie das der Senat ge-
meinsam mit einem großen Teil der amerikani-
schen Presse verlangt, die sich nicht darum küm-
merten, ob in anderen Weltteilen die Kriegs-
furie rase, und allein daran interessiert seien,
Amerika aus künftigen Kriegen herauszuhalten.
Diese sture Einstellung verhindere nach Ansicht
der Amtskreise jede Einflußnahme der Verei-
nigten Staaten im Hinblick auf die Verhütung
von Kriegen. Weiter mache sie Amerika, nach-
dem ein Krieg ausgebrochen sei, vollkommen
hilflos. Jeder kriegführende Staat, der einen
Ozean oder einen Ozeanteil beherrsche, könne
Vorschriften erlassen, die Amerika jeden Handel
unmöglich machen würden, und Amerika könne
weder prostetieren noch verhandeln, da seine
Aktionsgrenzen gesetzlich festgelegt wären, falls
die Senatsvorlage in Kraft treten sollte. Ein

anderes neutrales Land, beispielsweise Japan,
könnte dann hierher kommen und die aufge-
häuften, von Amerikanern direkt nicht absetz-
baren Waren für einen Spottpreis aufkaufen
und mit Gewinn an Kriegführende oder andere
Neutrale verkaufen. Amerikanische Schiffe wür-
den in den Heimathäfen aufliegen Die ameri-
kanische Oberhoheit wäre so gut wie Null und
niemand hätte einen Vorteil davon. Diese Er-
wägungen seien wichtiger als der Streit darüber
daß der Angreifer nur schwer einmütig festge-
stellt werden könnte. Die Senatsvorlage würde
auch Amerika nicht gegen Kriege sichern, denn
ein Präsident, oder beispielsweise ein Admiral,
könnten auf 50 verschiedene Arten Amerika in
einen Krieg zerren, wenn sie das wollten.
Aus allen diesen Gründen hält man die vom
Senat verlangte Revolutionierung der ameri-
kanischen Neutralitätspolitik nicht nur für ei-
nen Eingriff in die verfassungsmäßigen Vor-
rechte des Präsidenten, dem allein die Führung
der Außenpolitik zustehe, sondern auch für eine
schwere Schädigung wohlverstandener amerika-
nischer Interessen.
*
Die Morgenblätter drücken bei der Erörterung
des Neutralitätsbeschlusses des Se-
nats erhebliche Zweifel aus, ob dieser Beschluß
seinen Zweck erfüllen werde. „Herald Tri-
büne" meint, der Beschluß könnte unter ge-
wissen Voraussetzungen eher einen gegenteiligen
Zweck erfüllen. „Newyork Times" schreibt,
der Beschluß enthalte bereits im voraus einen
Bruch der Neutralität, denn das Verbot
des Kriegsmaterialverkaufs an zwei Nationen
ungleicher Stärke laufe meist aus eine still-
schweigende Unterstützung der besser Gerüsteten
hinaus. Diese Einsicht habe auch offenbar die
britische Regierung veranlaßt, die Wiederauf-
hebung des Waffenversandverbots an Abessinien
zu erwägen. Die Hauptbedeutung des
 
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