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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 171 - Nr. 180 (25. Juli - 5. August)
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Wer Note

Samstag, z. August isss

7». Jahrgang / Ar. 17»

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Wissenschaft und Kunst / Aus kr Mit kr Frau / Sir Lrkestunk

Oie sieben Moskauer Kampfgebote
Anschluß an die öozialdemolraten? / Zerse-img der Zuacnd

»Siegreiche proletarische
Weltrevolution"
DNV. Moskau, 2. Aug.
Die Amtliche Nachrichtenagentur
Sowjetunion verbreitet heute die erste große
"tschljxhllilg des 7. Weltkongresses der
Komintern, die aufgrund des Rechenschaftsbe-
>chts des „deutschen" Kommunisten Pieck über
'e Tätigkeit des Vollzugsausschusses der Kom-
uiristischen Internationale angenommen wurde.
sieben genau formulierten Punkten werden
Kn ^ahe Kampfanweisungen des „General-
§bs der Weltrevolutionäre" gegeben.
Einleitend billigt der Kongreß in" Punkt 1
politische Eesamtlinie und die praktische
Öligkeit des EKKJ (Exekutiv-Komitee der
"Nllnunistischen Internationale).
3n Punkt 2 werden die Anviederungs-
tnr? chr der Komintern vom März 1933, Ok-
^"er 1984 und April 1935 gegenüber der
^.Heiteiz Internationale zur Bildung
kommunistisch-marxistischen Einheitsfront
schildert und das Bedauern ausgesprochen, daß
' H das Exekutiv-Komitee der Zweiten Jnter-
"dale bisher ablehnend verhalten habe. An-
° I'chts der Tatsache aber, daß zur Zeit in eini-
o v Ländern die Sozialdemokraten Hand in
mit den Kommunisten marschieren, ver-
achtet der Kommunistenkongreß seinen Voll-
j, "^"usschuß und alle Kommunistischen Parteien
he> r künftig überall die Bildung der Ein-
'ksfront unbedingt zu erreichen.
u ^'bgehend von der angeblich gemachten Fest-
j ""S, daß die kommunistischen Losungen eine
die Märker« revolutionäre Einwirkung auf
in gewannen, verpflichtete der Kongreß
ter -E 6 die einzelnen Sektionen der Komin-
in kürzester Frist den Anschluß an die
bjg.^9ldemokraten zu finden und die
sche q abstrakten Methoden der kommunisti-
Un n ^kkation und Propaganda zu ändern und
zu ea unmittelbaren Nöten und Interessen der
anzupassen.
dunkt 4 zählt eine große Reihe Män-
spiit-t" Komintern-Arbeit auf wie: die ver-
d»sDurchführung der Einheitsfrontbildung,
*Un» ^kzustandebringen einer Massenmobilisie-
Durchsetzung von politischen und wirt-
Einzelforderungen, das mangelnde
?dnis für die Notwendigkeit der Verteidi-
!°wü> ^eberreste der bürgerlichen Parteien,
duim mangelnde Verständnis für die Bil-
^vlo antikapitalistischen Front in den
in ^ "^aUändern und für die Zersetzungsarbeit
Hnih kaschistischen Gewerkschaften, sowie inner-
sten ^erer von bürgerlichen Parteien errich-
"^ttMgungen und schließlich die Unter-
^ter Agitationsarbeit unter den Frauen,
den Bauern und dem Kleinbürgertum.
»)* angeordnet:
^stn ^sonderen Bedingungen und Eigen-
jeweiligen Landes unbedingt zu be-
und sich einer unmittelbaren Ein-
'n die inneren organisatorischen Ange-
zu enthE kommunistischen Länderparteien
sige^ g-^^en einzelnen Lünderparteien zuverläs-
und originalbolschewistische Funk-
eine/^,.p".anzuziehen, damit die Parteien bei
^bstün^lichen Wendung der Lage schnell und
Eittskürk>ie richtigen politischen und taktischen
"pd fassen könnens
idselnn'-^. kammunistischen Parteien in ihrem
^sticht- " Kampf mit politischen Gegnern
d) L 3" gewähren;
der Hilfe von der Uebertragung
Ollsen Erfahrungen in dem einen Land
der auf das andere, sowie das Anwenden
For^/lablone und allgemeinkommunistischer
abzusehen.
der 9-duukt 5 stellt eine neue gefährliche Finte
lallen ° ungder Jugend dar. Danach
Ichen -?^lich die Mitglieder der kommunisti-
^°ten i °"k>verbände nicht mehr geschlossen auf-
biirgei, °"k>ern verpflichtet werden, einzeln den
^-demokratischen, den faschistischen und

den religiösen Jugendverbänden gewerkschaft-
licher, kultureller und sportlicher Art beizutre-
ten. Hier sollen sie den Kampf gegen eine Mili-
tarisierung des Lagerlebens und gegen den Ar-
beitsdienst der Jugendlichen führen, um eine
breite Einheitsfront der nichtfaschistischen Jugend
zu organisieren.
In der Annahme, daß die Einheitssrontbtl»
düng trotz Widerstand einzelner sozialdemokra-
tischer Parteiführer andauernd fortschreite, wird
in Punkt 6 den kommunistischen Parteien aufer-
legt, ihr Augenmerk auf die weitere Festi-
gung der eigenen Reihen und auf eine
Eroberung der Mehrzahl der Arbeiterklasse zu
richten.
Zum Schluß faßt der Komintern-Kongretz in
Punkt 7 seine Kampfbefehle dahin zusammen,
daß es nur von der Kraft und dem Einfluß der
kommunistischen Parteien auf die breiten Mas-
sen des Proletariats, sowie von der Energie
und der Selbstlosigkeit der Kommunisten ab-
hänge, die heranreifende Krise in eine „sieg-
reiche proletarische Weltrevolu-
tion" (!) zu verwandeln.

Oer ratlose

Der Bericht DlmitroffS
In Erwartung eines großen Tages hatte sich
am Freitag der Kolonnensaal des Moskauer Ge-
werkschaftshauses bis auf den letzten Platz ge-
füllt, da von dem Bericht des berüchtigten Kom-
munistenagitators Dimitroff über „Faschis-
mus und antifaschistische Einheitsfront" eine
Sensation erwartet wurde, die jedoch aus-
blieb.
Dimitroff wiederholte im wesentlichen nur
das, Was schon von den Zahlreichen Komintern-
Rednern immer wieder gesagt worden war. Frei-
gebig war er mit starken Ausdrücken gegen die
politischen Gegner. Der Sitzungsbericht der Te-
legraphenagentur der Sowjetunion weist insbe-
sondere auf den „revolutionären Haß"
hin, mit dem Dimitroff vom heutigen
Deutschland gesprochen habe. Nüchterner
sprach er über die Ursache der Niederlage des
Kommunismus in Deutschland. Der „Faschis-
mus". wie Dimitroff sich ausdrückte, habe es
verstanden, Bundesgenossen zu gewinnen, die
dem Kommunismus fehlten, besonders auf dem
flachen Lande. Er habe die Jugend heranzuziehen
gewußt, während der Kommunismus manche
Fehler begangen habe.

Genfer Rat

Die Genfer „Lösung" nur wieder: Verschleppung

Vertagung bis 4. September
DNB Genf, 2. Aug.
Die Verhandlungen der beteiligten Mächte
über den italienisch-abessinischen Konflikt sind
heute abend zum Abschluß gelangt. Der Rat
wird morgen vormittag 10 Uhr zusammentre-
ten; er soll über die Hauptfragen keine Ent-
schließung fassen, sondern lediglich die Mittei-
lung der drei Mächte entgegennehmen, daß sie
die Aufnahme von Verhandlungen zur Rege-
lung des gesamten Problems beabsichtigen und
daß sie dem Völkerbund am 4. September hier-
über unterrichten werden Diese Lösung, die im
wesentlichen den italienischen Wünschen ent-
spricht, ist heute abend in Besprechungen, die
Laval mit Aloisi und sodann mit Eden hatte,
vereinbart und hierauf dem Vertreter Abes-
siniens mitgeteilt worden
Antwort Italiens
Aber noch nicht endgültig
DNV. Gens, 2. Aug.
Die italienische Stellungnahme zu der am
Donnerstag in den Besprechungen ausgearbei-
teten neuen Formel ist am Freitag mittag hier
eingetroffen und von Baron Aloisi dem franzö-
sischen Ministerpräsidenten mitgeteilt worden.
Die italienische Antwort ist als nicht end-
gültig bezeichnet. Laval wird am Freitag
nachmittag eine neue Unterredung mit Eden
haben, worauf weiter mit Aloisi verhandelt wer-
den soll. Von dem Ergebnis dieser Unterredung,
die sich nur noch auf Fragen der Formulierung
beziehen soll, wird es abhängen, ob am heutigen
Freitag noch eine Ratstagung stattfinden kann.
In französischen Kreisen glaubt man, daß die
Tagung schon heute beendet werden könnte.
Neue Schivierigkeilen
DNV Eens, 2. Aug.
Die Besprechung der Ratsmitglieder, die nur
eine halbe Stunde dauerte, hatte rein formale
Bedeutung. Amtlich wurde lediglich bekannt-
gegeben, Laval habe in eigenem Namen und im
Namen Edens dem Rat nähere Mitteilungen
über die Anträge gemacht, die ihm vielleicht
schon demnächst unterbreitet werden könnten.
Im Laufe der Sitzung wurde von der Möglich-
keit einer baldigen dringenden Einberufung
einer Ratssitzung gesprochen, doch wird dies in
unterrichteten Kreisen für wenig wahrscheinlich
gehalten.
Die Verhandlungen mit der italienischen Re-
gierung sind nachmittags fortgesetzt worden. Sie

haben sich, wie verlautet, sehr schwierig gestal-
tet, weil die Anweisungen aus Rom wiederholt
geändert worden seien und weil außerdem der
italienische Regierungschef bei bestimmten Fra-
gen mit einem absoluten Nein geantwortet
habe. Das soll besonders für die von England
gewünschte irgendwie geartete Verbindung gel-
ten, die zwischen den Verhandlungen der Mächte
über die sachliche Regelung der abessinischen
Frage und dem Völkerbund hergestellt werden
soll. Mussolini soll gegenüber allen Zugeständ-
nissen, die England hinsichtlich der Form dieser
Verbindung zu machen bereit war, den Stand-
punkt eingenommen haben, daß derartige Ver-
handlungen unter der Aegide des Völkerbun-
des mit dem Ansehen Italiens unvereinbar
seien. Darüber soll es zwischen dem italienischen
und den englischen Vertretern, die davon spra-
chen, daß auch das englische Ansehen berücksich-
tigt werden müsse, zu gereizten Auseinander-
setzungen gekommen sei.
Die englische Anregung, schon während der
gegenwärtigen Tagung in Genf Vorbesprechun-
gen über die Richtlinien der geplanten Ver-
handlungen der Mächte aufzunehmen, ist gleich-
falls von Italien entschieden abgelehnt worden.
Diese Verhandlungen wären übrigens, wie man
hört, auch für Abessinien nur tragbar, wenn sie
entsprechend dem englischen Wunsche mit dem
Völkerbunde in Verbindung gebracht würden.
Die Frage, ob der Vertrag von 1906 ausdrück-
lich erwähnt werden soll oder nicht, tritt an
Bedeutung zurück.
Die „Abessinische Stimme"...
Die Stimmung in Addis-Abeba
DNB Paris, 2. Aug.
Die „Abessinische Stimm e", die einzige
Tageszeitung von Addis-Abeba in der
Eingeborenensprache gedruckt, schreibt
zum Streitfall mit Italien:
Eine unentschlossene Politik Abessiniens könnte
für Italien nur eine Ermutigung bedeuten, uns
anzugreifen. Nur durch eine energische Haltung
können wir den Frieden bewahren. Wir sind be-
reit, Italien anzuhören, wenn es den Frieden
will, wird sind bereit, zu widerstehen, wenn es
den Krieg will.
Der Havaskorrespondent meldet aus Addis-
Abeba, daß diese Worte die Ansicht der Mehrheit
der abessinischen Bevölkerung wiedergäben. Diese
erwarte mit Ruhe die Entscheidung des Völker-
bundsrates. Inzwischen fänden jedoch dauernd
nationale Kundgebungen statt. In den 30 Kir-
chen der Hauptstadt und der Umgebung würden

Das Genfer Kompromiß
Daß es in Genf zu einer klaren Lösung im
italienisch-abessinischen Konflikt kommen würde,
konnte von vornherein nicht erwartet werden.
Auf Grund der Bemühungen Lavals und Edens
ist es nun zu einer grundsätzlichen Einigung auf
einen Resolutionstext für den Rat gekommen.
Man hat lange nach einer Formel gesucht, die
allen Mächten angenehm sein könnte. Das Cha-
rakteristische an ihr ist, daß die Verantwortung
des Völkerbundes auf eine andere Institution
abgeschoben wird. Hieraus ist zu erkennen, daß
mit allen Mitteln versucht wird, den Völker-
bund von dem italienisch-abessinischen SreU-
fall zu entlasten und ihn von vorneherein
reinzuwaschen, falls es zum Kriegsausbruch
kommt.
Es ist klar, daß damit eine wirkliche Lösung
für die entscheidende Frage, nämlich für die
Frage um Krieg und Frieden, nicht gefunden
wurde. So schreibt auch die „Times", daß die
Lage bleibt, wie sie war, nur ist den Mitglie-
dern des Rates weitere Zeit zur Erörterung des
Falles unter sich gegeben worden. Aus Rom
liegt noch keine endgültige Antwort vor.
Eine erste Stellungnahme grundsätzlicher Art,
von der italienischen Regierung an die italie-
nische Abordnung in Genf gegeben, läßt erken-
nen, daß das Kompromiß in der vorliegenden
Form, und das heißt mit den von englischer
Seite vorgenommenen Abänderungen und Er-
gänzungen, nicht annehmbar ist.
Aus dem neuesten Artikel des „Popolo L'Jta-
lia" geht mit aller Deutlichkeit hervor, daß Ita-
lien auf eine „totale Lösung" hinsteuert. Für
Italien ist dies nichts anderes als die Unter-
werfung Abessiniens so oder so. Unter der tota-
len Lösung versteht es ein Protektorat, das nicht
nur wirtschaftliche, sondern auch politische und
militärische Vorrechte Italien gewährt. In wel-
cher Haltung die italienischen Delegierten nach
Genf gegangen sind, wird durch die Bemerkung
des „Popolo d'Jtalia" gekennzeichnet, wonach
das italienisch-abessinische Problem vom militä-
rischen Standpunkt aus betracht von einer un-
geahnten Einfachheit und von einer absoluten
Logik sei. Italien lasse mit Genf, ohne Genf
oder gegen Genf nur eine Lösung zu. Was will
das anders heißen, als daß Italien, mag nun
der Genfer Beschluß ausfallen, wie er will, auf
einer gewaltsamen militärischen Lösung beharrt.
Wozu sollte auch Mussolini in seinem neuesten
Interview mit einem Vertreter des „Jntransige-
ant" mit besonderem Nachdruck hervorgehoben
haben, daß er im September 800 000 Mann be-
reit habe, um sie nach Abessinien oder an die
europäischen Grenzen zu schicken.
Die Besprechungen in Genf haben also zu kei-
nem faktischen Ergebnis geführt. Die Entschei-
dung wurde hinausgeschoben, ohne daß die gründ
süßlichen Meinungsverschiedenheiten sich auch nur
im geringsten gemildert hätten. Ende August
wird somit die Krise des Völkerbundes in einer
entscheidenden Form in Erscheinung treten. Und
für Deutschland als unparteiischen Beobachter
dieser seltsamen unter bolschewistischem Präsi-
dium stehenden Friedenswarte, als welcher sich
der Genfer Rat angesehen wissen möchte, ist nur
erneut Gelegenheit gegeben, sich über die Bedeu-
tung dieses ratlosen Rats Gedanken zu machen,
die aber keineswegs neu zu sein brauchen.

täglich Ansprachen gehalten. Bevor die jungen
Leute des Morgens an ihre Arbeitsplätze gingen
machten sie gemeinsam mit vielen Beamten in
den Straßen von Addis-Abeba Marschübungen.
Ein Frauenausschuß habe Sammlungen für die
Verteidigung des Landes eingerichtet. Es werde
sehr viel spendet, und zahlreiche Frauen opfer-
ten ihre Schmucksachen.

Der Bischof von Down und Connor teilte der
Presse mit, daß sich 1646 katholische Flüchtlinge,
die bei den Unruhen in Belfast aus ihren Häu-
sern und Wohnungen Vertrieben wurden, in
einer außerordentlich erbarmungswürdigen Lase
befinden.
 
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