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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 150 - Nr. 160 (1. Juli - 12. Juli)
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Wissenschaft und Kunst / Aus der Welt -er Frau / Die Mrstun-e

Pfälzer Note

Donnerstag, 11. Mi 1SZS

7». Zahrgang / Nr. iss

Warum ist Frankreich unzufrieden?

Die „Times" zum deutschen Alottendanprogramm

DNB. London, 10. Juli.

In einem Leitartikel der „Times" wird
ausgeführt, datz die Veröffentlichung des deut-
schen Flottenbauprogramms für 1935 in Eng-
land und Frankreich einige der Bedenken und
kritischen Aeutzerungen neu belebt habe, mit
denen das deutsch-englische Flottenabkommen
ausgenommen worden sei. Die wahre Lehre des
deutsch-englischen Abkommens sei jedoch die, datz
die Deutschen ungehindert auf die Wieder-
schaffung ihrer Seestärke losgingen und datz das
Abkommen ihrer Bautätigkeit eine feste,
dauernde und matzvolle Grenze gesetzt habe.
Es wäre den Deutschen möglich gewesen, bei
verhältnismäßiger Geheimhaltung weiterzu-
bauen, bis sie eine Flotte geschaffen hätten, die
gewaltiger gewesen wäre als die Flotte, die es
jemals besitzen könne. In britischen Augen sei
eines der größten Verdienste des Vertrages sein
Wert als Ausgangspunkt für weitere
ähnliche Abmachungen. Das Verhältnis-
system der Flottenverträge sei zusammengebro-
chen. Das englisch-deutsche Abkommen liefere
eine Grundlage für die Bekanntgabe
von Bauprogrammen für eine Reihe von
Jahren. Verhandlungen zwischen Großbritan-
nien und Deutschland würden jetzt eröffnet, um
Bauprogramme im voraus für die nächsten
sechsoder sieben Jahre herzustellen. Um
dieses gute Werk der Allgemeinheit nutzbar zu
Machen, sei es natürlich unbedingt notwendig,
datz andere Länder eine ähnliche Bereitschaft
zeigten, ihre Programme im voraus zu erklären.
Die britische Regierung habe deshalb die fran-
zösische Regierung sondiert. Das deutsche Bau-
programm 1934/35 fei allen Signatarmächten
bes Washingtoner Flottenvertrags mitgeteilt
worden. Das darauf folgende Programm habe
ober die deutsche Admiralität nur der britischen
Regierung bekanntgegeben, die ihr eigenes vor-
taufiges Programm Deutschland ebenfalls mit-
Neteilt habe. Nach dem in London zwischen
Herrn v. Ribbentrop und den britischen Unter-
händlern erreichten Einvernehmen werde der
Austausch künftiger Programme nur auf der
wrundlage der Gegenseitigkeit erfolgen.
stehe Frankreich daher vollkommen frei, die
brutschen Baupläne bis 1942 kennenzulernen,
Menn es zu Mitteilungen seiner eigenen Absich-
ten bereit sei. Bisher scheine die französische Ne-
uerung hierzu leider nicht bereit zu sein, und
vevor dies nicht der Fall sei, würden die Be-
Iprechungen, die die britische Regierung in Lon-
don mit der französischen und anderen Regie-
rungen zu führen Pünsche, keinen Zweck haben.
jetzige Lage gebe Frankreich eine
Verlegenheit von 43 v. H. über die
Zutsche Flotte. Dieses Verhältnis könne Frank-
eich natürlich zeitweilig umstoßen, aber es sei
IHwer zu sehen, wie ein besseres Einvernehmen
gefunden werden könne. Auf jeden Fall blieben
te^großeir Grundsätze der Vereinbarung vom
'. >Zuni bestehen, daß die Seestärke Erotzbritrn-
>ens und die Deutschlands miteinander steigen
.kt stuken. Großbritannien sei tatsächlich zu
mchts weiter verpflichtet, während die Seestärke
outschlands an die Großbritanniens gebunden
morden sei.

Merhausanfragen
Flottenabkommen und Luftpaktplan
DNB. London, 10. Juli.
Das deutsch-englische Flottenabkommen und
* geplante Westluftpakt waren am Mittwoch
gegenständ mehrerer Unterhausanfragen. Der
tbeiterabgeordnete Cocks stellte die Frage, ob
«?^uud der französischen Regierung irgendeine
rstcherung bezüglich des Abschlusses eines
I "soitigen Abkommens mit Deutsch-
nd über Luftrüstungen abgegeben habe.
»Eben erwiderte: „Die britische Regierung
.. imd beabsichtigt, daß ein Abkom-
n " über Luftrüstungen zwischen den fünf
arnonrächten abgeschlossen werden soll."
ki^ocks fragte weiter: „Kann Eden eine Ver-
.abgeben, daß die Regierung nicht beab-
rll-- ^nen zweiseitigen Pakt mit Deutschland
abzuschlietzen, wie sie es bei den Flotten-
bungen getan hat?"

Eden antwortete: „Das ist eine andere Frage."
Als Cocks hierauf rief, ob die Regierung eine
neue „Verräterei und Uebergabe"
plane, erhoben sich laute Protestrufe unter den
Abgeordneten.
Die Frage des Abgeordneten Cove, ob die
deutsche Flottenabordnung irgendeine Zeitgrenze
für die Unterzeichnung des Abkommens am 18.
Juni, ausbedungen habe, beantwortete Eden mit
Nein.
Der Führer der Oppositionslibera-
len, Sir Herbert Samuel, wies in einer
Anfrage auf die Mitteilung des Ersten Lords
der Admiralität am 25. Juni hin, datz Deutsch-
land bereit sei, die im Teil IV des Londoner
Flottenvertrages über die Versenkung oder Un-
tauglichmachung von Handelsschiffen durch U-
Boote enthaltenen Bestimmungen zu befolgen,
und fragte, ob die englische Regierung eine Aus-
dehnung dieser Regel auf ähnliche Kampfhand-
lungen durch Flugzeuge befürworten wolle.
Ministerpräsident Baldwin erwiderte: „Die
britische Regierung begünstigt die Anwendung
von ähnlichen Regeln, wie sie im Teil IV des
Londoner Flottenvertrages enthalten sind, auf
Flugzeuge, die gegen Handelsschiffe operieren."
Samuel fragte weiter, ob bei den' Verhand-
lungen mit anderen Mächten Schritte unternom-

men würden, um diese Angelegenheit vorwärts
zu treiben. — Baldwin sagte abschließend, ohne
Zweifel wird dieser Punkt zur Sprache kommen.
Das amerikanische
Aviten-auprogramm 1936/37
DNB. Washington, 10. Juli.
Zn der Pressekonferenz am Mittwoch gab Ma-
rineminister Swanson das Flottenbauprogramm
für das am 1. Juli 1936 beginnende Rechnungs-
jahr bekannt. Es umfaßt zwölf Zerstörer, sechs
Unterseeboote und möglicherweise ein Schlacht-
schiff. Swanson erklärte, es sei noch keine Ent-
scheidung getroffen über den Vorschlag, eines der
sieben Schlachtschiffe, die beim Ablauf des Wa-
shingtoner Flottenabkommens veraltet sein wer-
den, durch einen Neubau zu ersetzen. Der Bau
der zwölf Zerstörer und sechs U-Boote könne am
1. Januar 1937 beginnen.
Swanson betonte weiter, daß das Marineamt
kein Wettbauen beginnen wolle. Es beabsich-
tige, sich an die Bestimmungen der Abkommen
von Washington und London zu halten, solange
auch die anderen Unterzeichnermächte innerhalb
der Vertragsgrenzen bleiben. Der Beschluß
Deutschlands, seine Flottenstärke zu erhöhen, sei
eine europäische Angelegenheit und berühre die
Pläne Amerikas nicht.

Wem gehört Uatälal?
Ztaliemsch-abefsimsche Meinungsverschiedenheiten

Um den Schlichtungsausschuß

DNB Paris, 10. Juli.
Eine französische Meldung aus dem
Haag gibt den italienischen Stand-
punkt nach der Einstellung der Arbeiten des
Schiedsgerichtsausschusses in der italienisch-abes-
sinischen Frage wie folgt wieder:
Man bestreite italienischerseits, daß dem Ver-
treter der abessinikchen Regierung das Wort
verweigert worden sei; der Vertreter der abes-
sinischen Regierung, der französische Staatsrecht-
ler Prof. Jsze habe normal die Darlegung
seiner These begonnen und von der Verantwor-
tung für den Angriff von Ual-Ual gesprochen,
sei aber dann plötzlich zu der Frage llbergegan-
gen, wem Ual-Ual gehöre. Daraufhin
habe der Vertreter der italienischen Regierung
an das am 15. und 16. Mai 1935 zwischen der
italienischen und der abessinischen Regierung
abgeschlossene Abkommen erinnert, wonach die
Frage der politischen Lage von Ual-Ual von der
Aussprache ausgeschlossen sein müsse. Diese For-
derung habe die italienische Regierung seiner-
zeit formell aufgestellt, und die abessinische
Regierung habe ihr zugestimmt. Die italienische
Abordnung habe Pressevertretern auf Befragen
hin erklärt, Italien habe das Ual-Ual-Eebiet
nicht zum Eigentum, besitze es aber tatsächlich,
da Italien seit sechs Jahren dort Fuß gefaßt
habe.
Gegenüber dieser italienischen Darstellung
veröffentlicht das „ E ch o d e P a r i s " eine Er-
klärung des Vertreters der abessinischen
Regierung im Haag, des französischen Staats-
rechtslehrers Jsze, in der es heißt:
Der Vertreter der abessinischen Regierung
habe gestern Mitteilung von drei gesonderten
Urteilen erhalten. Die Meinungsverschieden-
heit der beiden Schiedsrichtergruppen über die
Frage, ob gemäß der italienischen Forderung
dem Vertreter der abessinischen Regierung das
Wort verweigert werden solle, wenn er Bemer-
kungen über die politischen Fragen des Ortes
des Angriffes — abessinischen oder italienischen
— vorbringen wolle, sei vollständig. Nach Fest-
stellung der Meinungsverschiedenheit habe man
gemäß der Völkerbundsratsentschließung vom

25. Mai 1935 beschlossen, die Benennung eines
fünften Schiedsrichters für angezeigt zu be-
zeichnen.
London weiter nm friedliche
Negelung bemüht
DNB. London, 10. Juli.
Der liberale Abgeordnete Mander fragte im
Unterhaus: „Will der Außenminister der italie-
nischen Regierung vorhalten, datz es in der ita-
lienisch-abessinischen Streitfrage eine Angelegen-
heit der Ehre und lebenswichtiger Belange für
England ist, unsere Verpflichtungen unter der
Völkerbundssatzung zu erfüllen?" Eden antwor-
tete: „Ich glaube, der Abgeordnete bezieht sich
auf die Möglichkeit, daß Italien in Nichtachtung
seiner Verpflichtungen unter der Völkerbunds-
satzung zum Krieg schreiten sollte. Diese Lage
hat sich noch nicht ergeben, und ich hoffe ernstlich,
datz sie sich nicht ergeben wird. Die britische Re-
gierung ist entschlossen, sich weiterhin mit den
Regierungen anderer Länder zu bemühen, eine
Regelung dieses Streites durch friedliche Mittel
herbeizufllhren."
Ausländer verlassen Abessinien
DNB London, 10. Juli.
Der Korrespondent des „ D a i l y Expreß"
in Addis-Abeba meldet:
Am Dienstagnachmittag fuhr ein mit briti-
schen, amerikanischen und italieni-
schen Männern, Frauen und Kindern dicht be-
setzter Eisenbahnzug von der Hauptstadt ab. Sie
verlassen das Land wegen der drohenden
Kriegsgefahr. In drei Wagen befanden
sich kleine Mädchen, die italienische Väter und
abessinische Mütter haben; sie standen unter der
Obhut römisch-katholischer Nonnen. Sie kom-
men aus einem Stift in Addis-Abeba. Die
Zweigstellen der Schule im Innern des Landes
sind angewiesen worden, die Zöglinge nach
Addis-Abeba zu schicken, wo sie unter dem Schutz
der italienischen Gesandtschaft gestellt werden.
Auf die Frage, warum Italien der Sicherheit
dieser Kinder gemischten Blutes soviel Wichtig-
keit beimesse, erwiderte ein italienischer Be-
amter: „Sie sind die künftigen Mütter
einer neuen und edleren Generation,
die das bisherige Abessinien bewohnen wird."

Sejm und Senat ausgelöst
DNB. Warschau, 10. Juli.
Durch einen Erlaß des polnischen Staatspräsi-
denten wurden am Mittwoch die Kammern des
Sejm und des Senats aufgelöst. In der Be-
gründung heißt es, datz die beiden Kammern
mit der Annahme der neuen polnischen Verfas-
sung ihre Pflichten erfüllt hätten. Der Zeit-
punkt der Wahlen zu den neuen Kammern, die
aufgrund der neuen Wahlordnung stattfinden
werden, würde demnächst bekanntgegeben werden.

Kaltes Wut in Addis-Abeba
DNB Addis-Abeba, 10. Juli.
Entgegen verschiedenen in Umlauf gesetzten
Nachrichten, wonach sich die Lage an den abes-
sinischen Grenzen so verschärft habe, daß man in
Addis-Abeba beinahe stündlich mit der Eröff-
nung der Feindseligkeiten durch Italien rechne,
kann festgestellt werden, daß hier von solchen un-
mittelbar bevorstehenden militärischen Absichten
Italiens nichts bekannt ist. Es sei nichts ein-
getreten, was die Lage plötzlich verändert habe,
Datz diese als sehr ernst angesehen werden müsse
und seit langem gewisser Vorsichtsmaßnahmen
bedürfe, sei bekannt.
Abeffinien verlangt Waffeneinfuhr
Noten an die europäischen Mächte
DNB. Addis Abeba, 10. Juli.
Die abessinische Regierung hat qn die diplo-
matischen Vertreter von Frankreich, England und
Belgien auch für die Tschechoslowakei, Schweden
und Dänemark gleichlautende Noten gerichtet, in
denen sie die Aufhebung des Verbotes der Waf-
fenlieferungen dieser Länder verlangt. Abessi-
nien bezieht sich in den Noten auf den Vertrag
vom 21. August 1930, der eine Regierung er-
mächtigt, Waffen und Munition, die zur Lan-
desverteidigung und gegen einen äußeren An-
griff notwendig sind, einzuführen. In den Noten
wird die Notwendigkeit der Waffeneinfuhr da-
mit begründet, datz Kriegsgefahr eingetreten sei
und die Erklärungen Mussolinis und der italie-
nischen Presse offen aus einen Eroberungskrieg
abzielten. Trotz Schiedsgericht, heißt es weiter,
setze Italien seine Mobilisierungen fort und
schaffe Truppen und Munitionsmengen an die
abessinische Grenze. Das Land sei daher aus
Gründen der Selbstverteidigung zur Waffenein-
fuhr gezwungen und'ein Verbot sei mit der Neu-
tralität gegenüber beiden Ländern unvereinbar.
Abessinien habe die Einberufung des Völker-
bundsrates verlangt, weil die italienischen
Schiedsrichter in Scheveningen die Erörterung
der Rechtsfrage von Ual-Ual abgelehnt hätten
und einer gewaltsamen Lösung zustrebten.
Keine politischen Intereffen Japans
DNB. Tokio, 10. Juli.
Das japanische Auswärtige Amt ist Gerüchten,
die über eine angebliche japanische Stellung-
nahme zum italienisch-abessinischen Streitfall
verbreitet werden, in scharfer Form entgegen-
getreten. Es sei unrichtig, datz die abessinische
Regierung Waffenhilfe von Japan erbeten habe.
Japan sei an Abessinien politisch nicht inter-
essiert. Es habe in diesem Lande lediglich Wirt-
schaftsinteressen wie andere Länder auch, und es
werde diese Interessen zu wahren wissen.
Er ist an allem schuld
Die norditalienische Presse wirft Abessinien
Obstruktion vor
DNB Mailand, 10. Juli.
Die norditalienischen Blätter beschäftigen sich
ausführlich mit der Einstellung der Arbeiten
des italienisch-abessinischen Schlichtungsausschus-
ses. Die Schuld für das Scheitern der Verhand-
lungen wird ausschließlich der Haltung der Ver-
treter Abessiniens zugeschrieben, die ihren Auf-
gabenkreis überschritten hätten,da sich der Aus-
schuß lediglich mit der Prüfung des Ueberfalls
von Ual-Ual zu befassen gehabt habe. Durch die
Behauptung der abessinischen Vertreters, datz
Ual-Ual auf abessinischem Gebiet liege, habe
Abessinien eine Obstruktion getrieben, die das
Weiterarbeiten des Ausschusses verhindere.
Daraus ergebe sich der Beweis, schreibt „Popolo
d'Jtalia", datz Abessinien seine herausfordernde
Haltung nicht aufgeben wolle oder könne.
 
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