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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 221 - Nr. 228 (21. September - 30. September)
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Wissenschaft un- Kunst / Aus -er Mit -er Frau / Die LMtun-e

Pfälzer Sole

Sonnerstag, 26. September 1S3S

70. Jahrgang, Nr. 22 s

Kampf des Deutschtums an der Memel
Litauische Wahlpropagandametboden und Wahlmanöver

Gewissenlose litauische
Wahlpropaganba
DNB Tilsit, 28. Sept.
Für die Gewissenlosigkeit, mit der die litaui-
schen Behörden sich an der Wahlpropaganda im
Memelgebiet beteiligen, ist bezeichnend, daß die
litauische Post unter Streifband versandte
Exemplar« des „Memeler Dampfboot" einfach
gegen den „Memeler Vobachter", das in deut-
scher Sprache erscheinende Reptilienblatt der
Litauer, austauscht. Bezieher des Dampsboot
erhalten unter dem Streifband der Firma Sie-
bert, die das Dampfboot herausgibt, anstelle des
Dampfboot-Exemplars solche des „Memeler
Beobachters" vom gleichen Datum.
Die Erschwerung der Wahlpropaganda für die
Memelländische Einheitsliste wird dadurch wie-
derum in besonders krasser Weise beleuchtet.
Allerdings haben die Wahlversammlungen be-
wiesen, daß die Memelländer sich durch solche
litauischen Machenschaften in ihrer Gesinnung
nicht im geringsten beeinflussen lassen. Deshalb
ist auch der litauische Wahlausschuß zu einer
Sitzung zusammengetreten, um sich über die
Verfälschung des Wahlergebnisses schon jetzt
schlüssig zu werden.
LitamWe
„Wahlversammlungen"
DNB Memel, 24. Sept.
Der Litauische Block hatte seine Anhänger
in Plicken, Kreis Memel, zu einer Versamm-
lung einberufen, zu der auch der frühere Außen-
minister Dr. Zaunis, der frühere litauische Ge-
sandte in Berlin und London, Szidzikauskas,
Gouvernementsrat Anysas, fast das gesamte
Direktorium, die Spitzenkandidaten der Litaui-
schen Liste und noch andere führende Litauer,
die in die litauische Wahlpropaganda einge-
spannt sind, erschienen. An der Versammlung
nahmen etwa 300 Personen aus der Umgebung
teil. Als ein Mitglied des Direktoriums seine
Rede in litauischer Sprache beendet hatte, wurde
aus den Reihen der Zuhörer eine deutsche
Uebersetzung gefordert. Da dies verweigert
wurde, verließen gegen 90 v. H. der Teilnehmer
spontan die Versammlung, so daß insgesamt
nur noch 20 bis 30 Personen zurückblieben. Der
Kandidat der Einheitliste, Suhrau, der ebenfalls
zur Versammlung gekommen war, forderte
draußen die weit über 280 Teilnehmer, die die
Versammlung verlassen hatten, in einer kurzen
Ansprache auf, den Versammlungsort ruhig und
diszipliniert zu verlassen, was auch unverzüglich
unter Absingen eines memeländischen Fischer-
liedes geschah. In diesem Augenblick griffen
zahlreiche Polizeibeamte ein und nahmen ohne
ersichtlichen Grund neun Memelländer in Haft.
Einen ähnlich kläglichen Verlauf nahmen am
selben Tage noch verschiedene andere Wahlver-
sammlungen, so u. a. in Karkelbede, Kreis Me-
mel, wo der litauische Rsdner ebenfalls aufge-
fordert wurde, seine Ansprache in deutscher
Sprache zu halten. Als er dies nicht tat, vor-
ließen alle Anwesenden bis auf ein altes Ehe-
paar, das Lokal, so daß die Versammlung ge-
schlossen werden mußte.
Aus Wischwill kommt ein ähnlicher Bericht.
Hier sollten der frühere Landespräsident Reis-
gys und der Landesdirektor Schwillus sprechen.
Beide waren im Kraftwagen zu der Versamm-
lung gekomen. Sie fanden den Versammlungs-
saal jedoch völlig leer. Nicht eine einzige Per-
son war zu dieser Versammlung erschienen.
„Wie lange noch?"
„Daily Mail" über die herausfordernde
Haltung Litauens
DNB London, 26. Sept.
Ein Sonderberichterstatter der „Daily Mail"
Meldet aus Memel, der Landtag werde nach
seiner Wahl vielleicht nur einmal zusammen-
treten. Falls die Litauer ihn aber auflösten,
würden sie eine völlige Verletzung des Statuts
begehen, sodaß di« Signatarmächte zum Ein-

, greifen gezwungen sein würden. Der Bericht-
erstatter fragt schließlich, wie lange Litauen
noch mit seiner herausfordernden Politik gegen
Deutschland fortfahren werde.
Laval und Eden machen Lazoraitts
Vorhaltungen
DNB Genf, 26. Sept.
Die Unterredung zwischen Laval und Eden
am Mittwoch bezog sich auch auf die Memel-
frage. Der litauische Außenminister Lozoraitis
wurde während einiger Zeit hinzugezogen. Es
wurden ihm, wie verlautet, Vorhaltungen we-
gen gewisser neuerdings bekannt gewordener
litauischer Maßnahmen im Memelgebiet ge-
macht.

DNB. Genf, 25. Sept.
Der Bericht des Fünseraüsschusses an den
Völkerbundsrat ist am Mittwochvormittag ver-
öffentlicht worden. Er besteht aus einer zusam-
menfassenden Darstellung über den Verlauf der
Arbeiten des Ausschusses sowie aus drei Anlagen,
nämlich dem bereits veröffentlichten Text der
Vorschläge des Fünferausschusses an Abessinien
und Italien sowie der Antwort dieser beiden
Regierungen. Davon ist nur die italieni-
sche Stellungnahme noch unveröffentlicht.
Sie erscheint in der Form einer „Zusammenfas-
sung der mündlichen Bemerkungen des italieni-
schen Vertreters".
In der Darstellung des Verlaufs
seiner Arbeit erklärt der Fünferaus-
schußu. a.:
„Der Ausschuß hat von den Anschuldigungen,
die die italienische Regierung gegen Abessinien
erhoben hat und von der einstweiligen Stellung-
nahme der abessinischen Abordnung Kenntnis
genommen. Er hat sich jedoch jedes Werturteils
über die von den beiden Parteien gelieferten
Unterlagen enthalten. Als Schlichtungsstelle
hatte der Ausschuß kein Urteil zu fällen, sondern
die Lage in Betracht zu ziehen und nach Mitteln
zu einer Besserung zu suchen."
In der Zusammenfassung der italie-
nischen Bemerkungen heißt es u. a.:
1. Der Fünferausschuß hat die klaren Be-
schuldigungen nicht in Betracht gezogen,
die die italienische Regierung gegen Abessinien
wegen Nichterfüllung der von ihm bei sei-
nem Eintritt in den Völkerbund übernommenen
Verpflichtungen erhoben hat. Er hat
ebensowenig geprüft, ob Abessinien noch würdig
sei, dem Völkerbund anzugehören, nachdem es
diese Verpflichtungen nicht erfüllt und andere
offen verletzt habe.
2. Die von der italienischen Regierung vor-
gelegte Denkschrift hat aus obigen Gründen
Abessinien das Recht abgestritten, auf dem Fuße
der Gleichberechtigung mit den anderen
Völkerbundsmitgliedern zu verhandeln und hat
den Rat auf den wirklichen Zustand des sogen.
Abessinischen Reiches und seiner inneren Ver-
hältnisse, die weit hinter den berechtigten An-
forderungen an ein Völkerbundsmitglied Zurück-
bleiben, aufmerksam gemacht.
3. Aus der Gesamtheit der italienischen Denk-
schrift geht hervor, daß das abessinische
Problem, um in befriedigender Weise gelöst
werden zu können, folgendermaßen hätte in An-
griff genommen werden müssen:
a) der eigentliche abessinische Staat müßte
in eine Lage versetzt werden, daß er seinen
Nachbarn nicht schaden und seine Verwaltung
reformieren könnte, um auf eine höhere Kultur-
stufe zu kommen;
b) die verschiedenen Bevölkerungen, die an den
Grenzen des Landes unter unmenschlichen Be-
dingungen leben, müßten der abessinischen Ty-
rannei entzogen werden.
4. Die Vorschläge des Fünfer aus-
schusses haben sich darauf beschränkt, dem
abessinischen Staat, so wie er gegenwärtig be-
steht, eine Hilfeleistung zu gewähren, die grund-
sätzlich nicht von derjenigen abweicht, die der
Völkerbund anderen Staaten zrr Ueberwindung

„Der Elsässer" zu den Memelwahlen
DNB Paris, 25. Sept.
Die in Straßburg erscheinende Tageszeitung
„Der Elsässer" schreibt in einem Leitaufsatz zu
den Wahlen in Memel: „Wie immer die Wah-
len im Memelgebiet ausfallen mögen, sicher ist
das eine, daß bei einer Halbwegs freien Durch-
führung des Wahlaktes die Deutschen eine
Mehrheit im Landtag erringen werden und so-
mit Anspruch auf Bildung der Regierung er-
heben dürften. Man mag gegen das Dritte
Reich politsch eingestellt sein wie man will, es
muß jedoch zugegeben werden, daß es ein
schwerer Fehler Litauens war, die vertraglich
festgelegten Rechte der Deutschen des Memel-
gebiets zu verletzen.

vorübergehender Schwierigkeiten gewährt hat.
Da es sich um ein Land handelt, dessen barba-
rische Zustände mit einer starken, modernen
Rüstung Hand in Hand gehen, kann die inter-
nationale Kontrolle nicht als Lösung betrachtet
werden.
5. Weder der Völkerbund kann sich auf diesen
Standpunkt stellen, wenn er eine letzte Anstren-
gung unternehmen will, um Abessinien auf eine
höhere Kulturstufe zu heben, noch Italien, das
in Abessinien seinen besonderen und gefähr-
lichsten Feind steht.
6. Wenn man sich in der Beurteilung und in
der Anwendung etwas größeren Spielraum ge-
lassen hätte, so wäre man selbst im Geiste gewis-
ser Völkerbundsgrundsätze, wie z. B. des Man -
datsgedankens, der Lösung des Problems
näher gekommen.
7. Die italienischen Argumente, die sich auf die
Verträge, auf die geschichtlichen Ge-
gebenheiten, auf die Verteidigung der
italienischen Kolonien und auf die
italienische Mission in Afrika stützen,
sind in den Vorschlägen des Ausschusses vollstän-
dig übergangen worden.
Die von den Vertretern Frankreichs und
Englands abgegebenen Erklärungen sprechen
von territorialen Regelungen zugunsten Ita-
liens im Wege eines Gebietsaustausches mit
Abessinien in der Gegend der Somaliküste. Es
handelt sich offenbar um die Wiederaufnahme
des früher gemachten Vorschlages, Abessinien
einen Zugang zum Meer zu geben. Die

M Ungeduld erwartet
DNB. Paris, 25. Sept.
In hiesigen politischen Kreisen erwartet man
ungeduldig die Antwort der englischen Regie-
rung auf die französische Anfrage, welche Hal-
tung England im Falle einer Bedrohung des
europäischen Gleichgewichts einnehmen würde.
Der Außenpolitiker des „Echo de Pari s" be-
dauert es, daß London sich so viel Zeit lasse und
betont unter Hinweis auf Memel, daß die Zeit
dränge. England müsse sich endlich äußern,
denn die Art und Weise, wie es in der Vergan-
genheit den Völkerbundspakt in Europa habe
angewandt sehen wollen, sei nicht geeignet, die
Ungewißheit für die Zukunft zu verscheuchen.
Der Außenpolitiker des Blattes wirft dann die
Frage auf, warum die Lage im Memelgebiet
nicht vor den Völkerbund gebracht werde.
Der „Jour" beschäftigt sich ebenfalls mit der
bevorstehenden englischen Antwort, die nach An-
sicht des Blattes ungenügend sei, wenn sie, wie
dies der Londoner Havasvertreter durchblicken
lasse, lediglich eine Erläuterung der Genfer
Rede Sir Samuel Hoares darstellen sollte. Im

Wie es in Gens
heute weitergehen soll
DNB Genf, 25. März.
Laval, Eden und Madariaga besprachen Mitt-
wochnachmittag gemeinsam das weitere Verfah-
ren, das dem Völkerbundsrat für die Regelung
des italienisch-abessinischen Streites vorgeschla-
gen werden soll.
Danach würde sich der Rat am Donnerstag
darauf beschränken, den Bericht des Fünfer-Aus-
schusses einem neuen Ausschuß, der wahr-
scheinlich alle Ratsmitglieder außer den strei-
tenden Parteien umfassen würde, zur Prü-
fung zu überweisen.
Aus dieser Prüfung würde dann in der
nächsten Woche der Entwurf eines endgül-
tigen Berichts des Völkerbundsrates hervor-
gehen. Die Annahme des Berichtes durch den
Rat oder die Versammlung würde die in der
Satzung vorgesehenen Rechtswirkungen, vor
allem das Verbot kriegerischer Maß-
nahmen für die streitenden Parteien und ge-
gebenenfalls die sofortige Feststellung eines
Bruches der Satzungen aussprechen.
Da Präsidium der Völkerbunds-
versammlung ist Mittwoch abend bereit»
zu einer Beratung über diese Frage zusammen-
getreten, ein Beweis dafür, daß die Entschei-
dung der Völkerbundsversammlung, die den eng-
lischen Wünschen nach einer Verteilung der Ver-
antwortlichkeit auf einen möglichst großen Kreis
von Staaten entspricht, grundsätzlich bereits be-
schlossene Sache ist.

italienische Regierung muß sich diesen Vorschlä-
gen ganz entschieden widersetzen, da
sie wiederholt auf die Gefahren einer solchen
Lösung hingewiesen hat, die Abessinien zu einem
Seestaat machen und die tatsächliche Gefahr, die
dieser Staat für Italien bildet, verschärfen
würde.
8. Die Regierungen Frankreichs und Englands
erkennen Italien ein besonderes Interesse an der
wirtschaftlichen Erschließung Abes-
liniens zu. Italien nimmt von dieser freund-
schaftlichen Einstellung Kenntnis, bemerkt aber,
daß die praktische Durchführung von besonderen
Abmachungen zwischen Italien und Abessinien
abhängen würde. Nun beweisen aber alle
Gründe, die den italienisch-abessinischen Konflikt
ausgelöst haben, sowie die Haltung, die Italien
einnehmen mußte, die Unmöglichkeit jedes
wirtschaftlichen Abkommens mit
Abessinien, da dieses Land nicht fähig ist,
Verpflichtungen zu übernehmen und noch weni-
ger irgendwelche internationalen Vereinbarun-
gen einzuhalten.

Falle eines deutschen Angriffs (!) laufe
man Gefahr, daß England sich als durch den
Völkerbundspakt nicht gebunden fühle. Die An-
wendung von Sühnemaßnahmen könne aber nur
nach einstimmiger Annahme erfolgen, und es sei
sehr wohl möglich, daß sich verschiedene Länder
weigern würden, gegen Deutschland zu stimmen.
Damit also die englische Antwort als zufrieden-
stellend angesehen werden könne, müsse sie ge-
rade diese Sonderfälle vorsehen und geeignete
Garantien enthalten. England könne beispiels-
weise versprechen, Sllhnemaßnahmen zu ergrei-
fen, wenn vier oder fünf europäische Großmächte,
die vorher namentlich genannt würden, sich
ebenfalls dafür erklärten, oder aber man könne
eine Locarno ähnliche Formel für di« zwei oder
drei europäischen Gebietsteile suchen, in denen
französische Interessen auf dem Spiele ständen.
England gibt keine Garantien?
DNB. Paris, 25. Sept.
Der Londoner Sonderberichterstatter de»
».Figaro" glaubt in Zusammenhang mit der
englischen Antwort auf die französische Anfrag«

Der Bericht -es Fünferausschusses
„Zusammenfassung der mündlichen Bemerkungen des italienischen Vertreters"

Llm die englische Antwort
Französische Stimmen zur bevorstehenden englischen Antwortnote
 
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