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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 221 - Nr. 228 (21. September - 30. September)
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Freitag, 27. September 1S35

7v. Jahrgang / Rr. 226

„Das Memelland ist und mar immer deutsch"
Schwedische Blätter über die Mmetsrage

die Grundlage des Völkerbunds aufrechtzuer-
halten.
Damit war die Aussprache abgeschlossen, und
der Ratspräsident stellte fest, daß seine Erklä-
rung einstimmig angenommen sei.

„Nya Dagligt Allehanda" bringt einen sehr
umfangreichen Artikel über den „Unruhenwin-
kel an der Ostsee" und bezeichnet die Frage:
„Ist Memel litauisch oder deutsch?" als aktuel-
les Problem. Die Antwort lautet: „Das
Msmelland ist und war bisher immer deutsch,
deutsch ist seine Kultur und seine Bevölkerung,
was aus einem historischen Rückblick unzwei-
deutig hervorgeht." Das Blatt kommt u. a. zu

Wahlen erwarte. Abweichend von dieser zurück-
haltenden Behandlung der Memelfrage bemüht
sich die Oppositionspresse, der Kownoer Regie-
rung immer dringender zu raten, Frieden mit
Polen zu machen und den bisherigen Kurs zu
ändern.

„llnruhewinkel an -er Ostsee"
DNB Stockholm, 26. Sept.
Den Wahlen im Memelgebiet widmet „Afton-
bladet" seinen Leitartikel, in dem es feststellt,
das Memelgebiet sei überwiegend von Deutschen
bewohnt, und bei den letzten Wahlen hätten im
Durchschnitt 80 v. H. der Wähler für die deut-
schen Listen gestimmt. Diese gesetzliche und unter
Schutz des Völkerbundes stehende deutsche Ver-
tretung sei den litauischen Machthabern indes
ungelegen. Das Interesse gelte in Anbetracht
der bevorstehenden Wahlen vor allen Dingen
der Frage, inwiefern es den Litauern gelingen
werde, mit ihren gesetzlichen und ungesetzlichen
Maßnahmen die litauische Stimmenzahl zu er-
höhen. Nach einigen Beispielen der litauischen
Willkür erklärt das Blatt, daß der Mutwille, zu
dem sich die Litauer im Memelgebiet erdreiste-
ten, erstaunlich sei. Dies alles habe nur ge-
schehen können, weil sich der Völkerbund diesen
Ungesetzlichkeiten und dem fortschreitenden Ein-
verleibungsprozeß gegenüber untätig verhalten
habe. Das Blatt vermutet, daß die leitenden
Völkerbundsmächte diesem litauischen Treiben
im Memelgebiet in aller Heimlichkeit wohlwol-
lend zugesehen hätten.

dem Schluß, daß Litauen es niemals wagen
würde, den eingeschlagenen Weg zu betreren,
wenn es nicht von Sowjetrußland und auch von
Frankreich Unterstützung erfahren hätte. Hitler
habe in diesen Tagen eine einzig dastehende
Geduld gezeigt. Das Blatt befürchtet aber, daß
auch eine solche Geduld in gewissen Lagen
lleberraschungen befürchten lasse.
Polen lehnt jede Einmischung ab
DNB. Warschau, 26. Sept.
Im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen
in Memel weisen die polnischen Blätter darauf
hin, daß die ernste Spannung zwischen Deutsch-
land und Litauen Beunruhigung erwecke. Die
Blätter stellen fest, daß man in Deutschland mit
Erregung und in Litauen mit Nervosität die

Diesen Auffassungen der Oppositionspresse
tritt der zum Regierungslager gehörende kon-
servative „Czas" energisch entgegen; er schreibt,
die Memelfrage interessiere Polen nur mittel-
bar, und es sei zu bezweifeln, ob die polnische
Regierung sich in den deutsch-litauischen Streit
einmischen wolle. Die Ansichten der regierungs-
feindlichen polnischen Kreise ,daß Polen sozusa-
gen aus Liebe zu Litauen Memel gegen dis
deutschen Ansprüche verteidigen müsse, seien
auf das schärfste abzulehnen. Man könne nicht
vergessen, daß noch bis vor kurzem Litauen
alle seine Hoffnungen aui Deutschland gesetzt
habe, daß es seine Front gegen Polen gerichtet
habe, daß es auch jetzt noch alle Beziehungen
mit Polen ablehne und weiterhin den Besitz
Wilnas anstrebe. Für Polen liege keinerlei
Grund vor, Memel zu verteidigen und seine
politische Linie den Interessen der Kownoer
Politiker anzupafsen, die unversöhnliche Gegner
Polens seien. „Ueberlassen wir die Sorge um
Memel anderen, wir haben nähere und wichti-
gere", schließt der Artikel.

„Schlichtung immer noch möglich"
Die Ausgabe des Mnserausschuffes wird nicht als beendet angesehen

Sir Aussprache
im Völkerbwidsrat
DNB. Genf, 26. Sept.
Nach der Verlesung des Berichts des Fünfer-
ausschusses durch den Ausschußvorsitzenden Mada-
riaga gab der R at s p r ä s i d e n t eine Erklä-
rung ab, in der nach Worten des Danks an den
Fllnserausschutz ausführte:
Die Bemühungen des Ausschusses haben sich
als erfolglos erwiesen. Aber ich kann nicht
glauben, daß der Weg der Schlichtung endgültig
verschlossen ist. Ich halte es deshalb nicht für
richtig, die Aufgabe des Fllnferausschusses als
beendet anzusehen. Der Ausschuß muß in der
Lage sein, falls irgendwelche Anregungen an
ihn herangebracht werden, zu beurteilen, ob sie
einen weiteren Schlichtungsversuch rechtfertigen.
Ich möchte dabei feststellen, daß eine Schlich-
tung immer noch möglich ist, bis der Be-
richt des Rats aufgrund des Artikels 15 Abs. 4
endgültig angenommen ist. Die Zeit ist gekom-
men, die Vorbereitung dieses Berichts in An-
griff zu nehmen. Das Verfahren nach Artikel
15, dessen Ingangsetzung Abessinien bei uns be-
antragt hat, wurde ausgesetzt, solange das
Schlichtungsverfahren aufgrund des italienisch-
abessinischen Vertrags von 1928 andauerte.
Der einstimmige Spruch der Schiedsrichter hat
jedoch nicht, wie man hoffen dürfte, dem vor den
Rat gebrachten Streit ein Ende gemacht. Am
4. September ist Artikel 15 anwendbar gewor-
den. Die Argumente der beiden Parteien sind
bekannt. Sie sind in den dem Rat übermittel-
ten Schriftstücken enthalten. Wenn das von der
abessinischen Regierung in Aussicht
gestellte Memorandum rechtzeitig eintrifft,
wird es auch in Betracht gezogen. Ich schlage
demgemäß vor, daß der Rat sofort Schritte er-
greift, einen Bericht gemäß Artikel 15 Abs. 4
.auszuarbeiten. Wie in früheren Fällen soll er
die Ausarbeitung einem Ratsausschuß übertra-
gen, der aus den Vertretern aller Ratsmitglie-
dsr mit Ausnahme der Parteien besteht. Ich
schlage vor, daß der Rat seine Sitzung nicht
schließt. Er wird rechtzeitig wieder zusammen-
trete«, «m den Bericht anzunehmen, oder dring-

lich einberufen werden, wenn die Umstände es
erfordern sollten.
Eden gab hierauf folgende Erklärung ab:
Ich bedauere, daß trotz der Bemühungen
des Fünferausschusses die auf eine
Lösung des uns jetzt vorliegenden Streits ge-
richtet waren — tatsächlich bisher keine Lösung
gefunden worden ist. Ich bin sicher, daß alle
meine Kollegen dieses Bedauern teilen. Am 4.
September habe ich die Meinung ausgesprochen,
daß es unsere Pflicht sei, die Maschinerie des
Völkerbunds, die uns in die Hand gegeben ist,
zu benutzen. Das ist noch meine Auffassung. Ich
unterstütze daher uneingeschränkt den Vorschlag
des Ratspräsidenten, daß, da wir jetzt aufgrund
von Artikel 15 arbeiten, der Rat den Bericht
und die Empfehlungen, die in Absatz 4 dieses
Artikels vorgesehen sind, ausarbeitet. Das ist
eine Aufgabe, an die wir mit der ganzen Ernst-
haftigkeit und Aufmerksamkeit, die durch ihre
Bedeutung geboten ist, aber auch ohne Verzöge-
rung Herangehen müssen.
Dieses Verfahren hat einen weiteren Vorteil,
auf den der Ratspräsident bereits aufmerksam
gemacht hat: Solange der Rat mit der Ausar-
beitung seines Berichts und seiner Empfehlun-
gen beschäftigt ist, kann das Werk der Schlich-
tung fortgesetzt werden. Außerdem werden die
Regierungen, solange die Ausarbeitung des Be-
richts im Gang ist, Gelegenheit haben, zu prü-
fen, ob noch weitere Maßnahmen ergriffen wer-
den können, um den Frieden zu sichern. Das ist
eine Verpflichtung, die wir als Mitglieder des
Völkerbunds nicht außer Acht lassen dürfen. Ich
will schließen mit einem Wort über die größe-
ren Gesichtspunktes dieses Streites. Die Politik
der britischen Regierung in dieser Hinsicht ist
kürzlich von maßgebender Seite dargelegt wor-
den. Ich brauche deshalb nur hinzuzufügen, daß
die britische Regierung unerschüt-
terlich entschlossen ist, an dieser Politik fest-
zuhalten.
Der französische Ministerpräsident Laval er-
klärte sodann:
In der gegenwärtigen Lage nach dem Schei-
tern der Schlichtungsverhandlungen des Fünfer-
ausschusses kann keine andere Entscheidung als
die uns vom Ratspräsidenten unterbreitete ge-

troffen werden. Der Delegierte Großbritan-
niens wünscht, daß alle Mittel und alle Verfah-
ren zum Zwecke der Schlichtung erschöpft werden.
Ich habe mich zu angelegentlich an der Suche
nach einer friedlichen Lösung dieses Konflikts
beteiligt, um nicht den Erklärungen Edens zu-
zustimmen. Im Rat und in der Versammlung
habe ich Erklärungen abgegeben, die die Hai-
ti ng meiner Regierung . .gten. Ich habe dem
nichts hinzuzufügen. Der Rat mutz gemäß der
Satzung handeln und jetzt seine Empfehlungen
aufstellen. Ich bin auch in diesem Punkt mit
dem Vertreter Großbritanniens einverstanden.
Der Rat wird seine Pflicht nach dem Buchstaben
und dem Geist der Satzung erfüllen und wird —
dessen bin ich sicher — nach einer Darstellung
der Umstände des Streits alle diejenigen Maß-
nahmen bezeichnen, die er für die gerechtesten
hält.
Litwinow führte aus, daß die heutige Ent-
schließung des Völkerbundes die Phase der
Reden und der Erklärungen beende. Die Hal-
tung der Sowjetregierung zu dem vorliegenden
Streitfall sei bereits hinreichend dargelegt wor-
den. Sie sei bestimmt durch die Grundsätze, die
er, Litwinow, im Rat und in der Versammlung
abgegeben habe. Diese Grundsätze ließen keinen
Zweifel bestehen über die Antwort der Sowjet-
regierung auf etwaige Vorschläge des Rats zur
Aufrechterhaltung des Friedens in Afrika und
in den übrigen Erdteilen, sowie zur Innehal-
tung des Völkerbundspakts.
Der dänische Außenminister Munch dankte
im Namen der im Fünferausschuß vertretenen
Länder dem Rat für seine Bemühungen. Er er-
klärte sich durchaus einverstanden mit den
Grundsätzen, die der Ausschuß seinen Beratun-
gen zugrunde gelegt habe. Angesichts des Schei-
terns seiner Bemühungen dürfe der Rat nicht
passiv bleiben und sich nicht darauf beschränken,
die Entwicklung dieses ernsten Konflikts abzu-
warten. Deshalb sei die Erklärung des Rats-
präsidenten sehr zu begrüßen. Das vorgeschla-
gene Verfahren wahre offenbar die Möglichkeit
der Schlichtung und bezeichne für den Fall, daß
die Schlichtung nicht Zustandekommen sollte, das
beste Mittel, um gleichzeitig den Frieden und

Ser neue Ausschuß
DNB. Genf, 26. Sept.
Der Völkerbundsrat hat Donnerstag
vormittag in öffentlicher Sitzung den
Bericht des Fllnferausschusses entgegengenom-
men und sodann auf Vorschlag des Präsidenten
beschlossen, einen aus allen Ratsmitgliedern
mit Ausnahme der streitenden Parteien bestehen-
den Ausschuß zur Ausarbeitung eine«
Berichts im Sinne des Artikels 15 Abs. 4
der Satzung einzusetzen.
Der Fünferausschuß wird bis zur endgültigen
Annahme des Berichts bestehen bleiben, um
etwaige Anregungen, die einen neuen Schlich-
tungsversuch rechtfertigen sollten, entgegenzu-
nehmen. Die Ratstagung wird nicht geschlossen,
sondern es ist vorgesehen, daß der Rat jederzeit
zur Prüfung des Berichts im Falle der Dring-
lichkeit sofort zusammentreten kann.
Vertrauliche Sitzungen
Verlesung des Fünferberichts im Völkerbundsrat
DNB. Genf, 26 Sept.
Der öffentlichen Sitzung des Rats war eine
vertrauliche Besprechung der am Kon-
flikt nicht beteiligten Ratsmitglieder und eilte
private Sitzung des Völkerbundsrats voraufge-
gangen Der italienische Delegierte Baron
Aloisi hatte an der privaten Sitzung teilgenom-
men; während der öffentlichen Sitzung blieb der
Platz Italiens am Ratstisch leer. Im übrigen
waren alle Länder durch ihre Hauptdelegierte«
vertreten: Laval, Eden, Litwinow, Beck, Titu»
lescu, Aras.
Die Sitzung begann mit der Aufforderung des
Präsidenten an die abessinischen Delegierten, am
Ratstisch Platz zu nehmen. Hierauf erhielt der
spanische Delegierte de Madariaga als Vor-
sitzender des Fllnferausschusses das Wort. Er ver-
las den (bereits veröffentlichten) Bericht des
Fllnferausschusses über seine Bemühungen um
die Schlichtung des italienisch-abessinischen Kon-
flikts mit der darin enthaltenen Zusammenfas-
sung der Vorschläge für ein internationales
System der Hilfeleistung zugunsten Abessiniens ¬
und den dazu abgegebenen Erklärungen der ver-
schiedenen beteiligten Regierungen. Madariaga
schloß die Verlesung des Berichts mit der Be-
merkung, daß er im Augenblick nichts hin-
zuzufügen habe.
Sie englische Antwort
an Frankreich überreicht
DNB London, 26. Sept.
Die englische Antwort auf die französische An-
frage, welche Haltung England im Falle eines
nicht herausgeforderten Angriffes in Europa
einnehmen werde, ist dem französischen Botschaf-
ter in London Donnerstag nachmittag im
Außenamt übergeben worden. Der Wortlaut
der Antwort, der etwa 600 bis 700 Worte um-
faßt, wird anfangs nächster Woche ver-
öffentlicht werden.

Die Begründung der italienischen Forderungen
wird in der englischen Presse allgemein schark
verurteilt.
-i-
Aus Malta und aus Nairobi (Kenia) werden
weitere vorbeugende militärische Maßnahmen
Englands gemeldet. *
Nach einer Meldung der „Daily Mail" ist in
Libyen eine lebhafte militärische Tätigkeit ,im
Gange. Die Italiener ziehen dort Kriegsschiffe,
Flugzeuge und Truppen zusammen.
*
Die norditalienische Presse bemüht sich erneut,
Verständnis für die italienische Stellungnahme
rur abessinischen Fra« zu erwecken.
 
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