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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 191 - Nr. 200 (17. August - 28. August)
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Wissenschaft und Kunst / Aus -er Welt -er Frau / Sie LMtun-e

Pfälzer Sole

Dienstag, 27. Augulk 1S3S

7v. Jahrgang / Nr. las

„Sanktionen bedeuten Krieg!"
Mussolini über Italien- Absichten ln Abessinien / „Mr können seht nicht mehr zurück"

in den Morgenstunden verbreitet, und es wur-
den Vorbereitungen zum Schmuck der Stadt ge-
troffen. Die Häuser, Laternen und Bäume wur-
den mit grünweißroten Fahnen geschmückt. Bil-
der vom König und Mussolini sind an Mauern
und Häusern angebracht. Viele farbige Inschrif-
ten tragen Texte, die sich auf die politische und

DNB. London, 26. Aug.
Der Sonderberichterstatter der „Daily Mail",
^>rd Price, meldet aus Rom, Mussolini
^öe ihm persönlich gesagt, daß Italien sofort
."" Völkerbund verlassen werde, falls
!" Genf Sanktionen beschlossen werden
^ten. Jede Nation, die Sanktionen gegen
Taljen anwende, werde auf die bewafs-
Gegnerschaft Italiens stoßen.
Polini habe ferner erklärt, daß er bestimmt
"'N 4. September eine Abordnung zum Völker-
Nndsrat entsenden werde, um den Standpunkt
Aliens vor aller Welt deutlich zu machen.
Trüber hinaus gibt Ward Price seinem Blatt
"ch eine ganze Reihe von Aeußerungen Musso-
die er vom Duce teils mündlich, teils so-
schriftlich erhalten habe. In diesem
^nfammenhang sei auch die Erklärung über die
"Nktiosfrage noch eimal wiederholt.
Mussolini sagte: „Wenn in Genf Sanktionen
egen Italien beschlossen werden, dann wird
ulien sofort den Völkerbund verlassen. Un-
-'p"°rständlich sollte begriffen werden, daß
Staat, der Sanktionen gegen Italien an-
eudet, der bewaffneten Feindschaft Italiens
segnen wird." Wie der Korrespondent ergän-
." bemerkt, unterscheide dabei Mussolini
tii n " moralischen, wirtschaftlichen und mili-
^'schen Sanktionen. Eine moralische
" ktion, z. B. in Form eines Tadelvotums
H.. ^enf, würde mit dem Austritt aus dem
"rbund beantwortet werden. Einer Blok-
" italienischer Häfen oder der
n^l'eßung des Suezkanals würde
ArN"HEms Worten mit allen Streitkräften
'"us zu Land«, zu Wasser und in der Luft
de? geleistet werden. Eine Schließung
H buezkanals würde er als einen Bruch des
'»t Vertrages betrachten, denn das Sta-
!»r Kanals sei in diesem Vertrag einge-
"!Ien worden.
Korrespondent bemerkt dazu, Sanktionen
"u Einstimmigkeit, d. h. das Einvernehmen
h^"k*"'chs zur Voraussetzung haben. Des-
Fj . ^be er Mussolini gefragt, ob er alle
h-fragen mit Frankreich (Tunis usw.) ge-
" habe im Austausch gegen ein Versprechen
'n Regierung, Italien freie Hand
sh^.uf'üka zu lassen. Hierauf habe Mussolini
d' ^antwortet, und zwar: „Es ist wahr,
Vereinbarungen vom 7 Januar alle
^"""^Verschiedenheiten zwischen uns und
""Kersch geregelt haben." Mussolini erklärte
. "i": „Sollte der Völkerbund so unbeson-
"ileemfernen Kolonialfeldzug in einen
europäischen Krieg zu erweitern,
für jeden unbefriedigten Ehrgeiz
»ssy *upu oder sogar in der ganzen Welt weit
"ab der diesmal nicht Millionen, son-
iahende von Millionen von Menschen-
md würde, dann würde der Völker-
Schuld tragen."
^i " bie Haltung Italiens, gegenüber der
Ckpj" b"s Völkerbundsrates am 4.
sagte Mussolini: „Ich werde eine
d-r Su dieser Ratssitzung schicken, um
Men , Standpunkt Italiens klar darzu-
^ota Sache wird durch Dokumente und
I»gnx^"phien unterstützt werden. Ich werde
iithKiste mit Büchern schicken, einschließ-
Mbnr Vuches von Lady Simon, worin die
hiit^!"h"u und sklavenhälterischen Eewohn-
Mdrn Abessinier gekennzeichnet werden. (Es
Mfesr,, "w das Buch „Sklaverei", dessen
M N Eattin von Sir John Simon
der Vülkerbundsrat dieses Beweis-
en ?"b^vft hat, werde ich den Völkerbund
" gesonnen ist, Italien als auf glei-
" Wit Abessinien stehend zu behandeln,
wes kann." Die euroväischen Natio-

nen sollten dem Beispiel der Vereinigten Staa-
ten folgen und Italien in Frieden lassen, da-
mit es seine Sendung erfülle. Die Pazifisten
seien die schlimmsten Feinde des Friedens, denn
sie wollten einen Streit über die ganze Well
verbreiten, der den begrenzten Charakter einer
kolonialen Expedition habe, deren Zweck es sei,
Ordnung in einem Lande zu schaffen, wo nie-
mals Ordnung geherrscht habe. Italien werde
nichts tun, um Zwietracht in Europa zu verur-
sachen, aber andere müßten das gleiche Verant-
wortungsgefühl zeigen.
Bevor einer von Sanktionen rede, sollte er
sich die eventuellen Folgen gut überlegen. Ita-
lien habe von Locarno bis Stresa zu viele Be-
weise seines Wunsches nach Zusammenarbeit zur
Sicherung des Friedens in Europa gegeben, als
daß es beschuldigt werden könnte, es wolle das
Zündholz an das Pulverfaß halten. Hoffentlich
, werden seine Worte allen vernünftigen Englän-
dern die Lage klarmachen. Er wünsche sie daran
zu erinnern, daß Italien stets zu dem Briti-
schen Reiche gehalten habe, und zwar nicht
nur im Weltkrieg, sondern auch zu anderen Zei-
ten, wenn der Rest der Welt gegen Großbri-
tannien Stellung genommen hatte. Auf die
Frage des Korrespondenten, ob die Möglichkeit
einer Aenderung seiner Haltung be-
stehe, antwortete Mussolini: Keinerlei Möglich-
keit, es sei denn, daß Abessinien nachgibt.
Mussolini führte ferner aus: „Die Aufgabe
der Kolonisierung und Zivilisierung Abessiniens
wird das italienische Volk für mindestens 50
Jahre beschäftigt halten. Sobald man uns ge-
stattet, uns dieser ungeheuren Unternehmung
zu widmen, werden wir Gefährten und nicht
Gegner des Britischen Reiches sein, verbunden
durch gegenseitige Achtung vor den beiderseiti-
gen Interessen." Mussolini vertrat die Ansicht,
daß die britische Regierung Italiens Sonder-
rechte in Abessinien bereits durch Verträge an-
erkannt Habe und daß es erst Halt rufen sollte,
wenn Italien irgendwelche britischen Interessen
bedrohe.
Ueber Italiens frühere Ostafrikapolitik sagte
Mussolini: „13 Jahre lang hat Italien sich
Abessinien gegenüber fortdauernd freundschaft-
lich gezeigt. Wir haben den Abessiniern nach
der Unterzeichnung des Vertrages von 1928 so-
gar eine große Menge moderner Waffen ge-
schenkt. Einige der Waffen, die jetzt gegen
unsere Soldaten in Afrika Verwendung finden
werden, werden italienischer Herkunft sein. Es
handelt sich um Mauser-Gewehre, Maschinenge-
wehre und eine Million Patronen, die ich
Abessinien als Geschenk gesandt habe. Würde
ich dies getan haben, wenn ich feindselige Ab-
sichten gegen Abessinien gehabt hätte?"
Dann verbreitet sich Mussolini über die be-
kannten Gründe seiner Politik, die Ueber-
völkerung Italiens, die Unergie-
bigkeit Libyens und die Vorzüge
Abessiniens. Er sagte: „Die Erschließung
der Reichtümer Abessiniens wird Italien und
der ganzen Welt zugute kommen. Die Zeit ist
vielleicht gekommen, die Frage der Kolo-
nien mit all ihren Zusammenhängen aufzu-
werfen. Dies würde allen zivilisierten Staaten
zum Vorteil gereichen und besonders denen, die
ungerechterweise ihres Anteils an den Schätzen
der Welt beraubt worden sind. Sobald aber
Abessinien für die italienische Kolonisation ge-
öffnet worden ist, werden die kolonialen Be-
strebungen Italiens restlos erfüllt sein."
Di« finanzielle Lage Italiens gibt
Mussolini, wie er erklärte, keinen Anlaß zur
Unruhe. Das italienische Volk habe einen sol-
chen Beweis von Selbstaufopferung gegeben,
daß sein entschlossener Wille zu allen etwa not-
wendigen weiteren finanziellen Opfern unzwei-

felhaft sei. Die Frage, ob Italien durch seinen
abessinischen Feldzug nicht zur Aufgabe der
Rolle gezwungen werde, die es bisher in Zen-
traleuropa gespielt habe, beantwortete Musso-
lini mit einem Hinweis auf die 500 000 Mann,
die gegenwärtig bei Bozen Manöver ausführen.
Mussolini sagte noch: „Wir können jetzt nicht
mehr zurück. Die 200 000 italienischen Gewehre
in Ostafrika würden von selber losgehen."
Der Korrespondent sagt, Mussolini habe den
dringenden persönlichen Wunsch geäußert, daß
dieses Interview in der „Daily Mail" als eine
autoritative Darstellung seiner An-
sichten veröffentlicht werde.
Der Duce in Nozen
DNB. Bozen, 26. Aug.
Der italienisch« Regierungschef Mussolini
traf am Montag um 12.10 Uhr in Bozen ein.
Die Nachricht von seiner Ankunft hatte sich schon

DNB London, 26. Aug.
Reuter meldet aus Washington:
Der amerikanische Botschafter Bullitt in
Moskau hat gestern dem stellvertretenden Sow-
jetkommissar des Aeußeren eine Note über-
reicht, in der nachdrücklich dagegen Protest
erhoben wird, daß sich bei dem 7. Kongreß der
kommunistischen Internationale auf sowjetrussi-
schem Gebiet Vorkommnisse abgespielt hätten,
die eine Einmischung in die inneren An-
gelegenheiten der Vereinigten Staaten
bedeuteten. Die Note erhebt „den allernach-
drücklichsten Protest gegen diese flagrante Ver-
letzung, des Versprechens, das am 16. Novem-
ber 1933 von der Regierung der USER hin-
sichtlich der Nichteinmischung in die inneren
Angelegenheiten der Vereinigten Staaten ge-
geben worden ist".
Der damalige Brief Litwinows an den
Proäsidenten Roosevelt wird im ungekürz-
ten Wortlaut wiedergegeben. Die Note verweist
besonders auf das Versprechen Litwinows, nicht
zuzulassen, daß sich auf dem Gebiet der Sow-
jetunion irgendeine Gruppe bilde, aufhalte oder
betätige, deren Ziel der Umsturz oder die ge-
waltsame Aenderung der politischen oder sozia-
sen Ordnung in dem Eesamtgebiet der Verei-
nigten Staaten oder einem Teil davon bilde.
Die Note sagt: Da der Sowjetregierung die
Ziele der kommunistischen Internationale nicht
unbekannt sein könnten, scheine es unnötig,
die Verhandlungen auf dem letzten Kongreß an-
zuführen oder eine Namensliste der dort an-
wesenden Mitglieder der amerikanischen kom-
munistischen Organisation zu geben, deren Zu-
lassung in die Sowjetunion der Sowjetregie-
rung natürlich bekannt gewesen sei. Dann heißt
es in der Note: „Das amerikanische Volk nimmt
die Einmischung fremder Länder in seine in-
neren Angelegenheiten außerordentlich übel auf.
Die amerikanische Regierung erachtet die sorg-
fältige Erfüllung des Versprechens der Nicht-
einmischung als wesentliche Vorbedingung für
die Aufrechterhaltung normaler freundschaft-
licher Beziehungen zwischen den Vereinigten
Staaten von Amerika und der Union der So-
zialistischen Sowjetrepubliken. Den Vereinigten
Staaten würde es an Offenheit mangeln, wenn
sie nicht freimütig erklärten, sie sähen die ern-
stesten Folgen voraus, wenn die Sowjetuni-
on nicht willens oder außerstande sei, geeig-
nete Maßnahmen zu ergreifen, um weitere
Handlungen zu verhindern, die im Widerspruch
stehen zu dem feierlichen Versprochen das den
Vereinigten Staaten gegeben worden ist."
Die Note schließt mit der Warnung, die Fort-
dauer der Einmischung in die inneren Angele-
genheiten des amerikanischen Volkes durch die
Sowjetunion würde die Entwicklung freund-

strategische Bedeutung der Manöver und auf
den italienisch-abessinischen Streitfall beziehen.
„Am Brenner steht ganz Italien mit allen
Lebendigen und allen seinen Toten" oder „In
Afrika ist Platz und Raum für alle" oder „Wir
haben alte Rechnungen zu begleichen". Andere
Inschriften lassen den König, den Regierungs-
chef, die Armee und andere hochleben.
Mussolini fuhr im Kraftwagen stehend vom
Bahnhof zum Plaza Vittorio Emanuel« (Wal-
ther-Platz), wo er von einer großen Menschen-
menge begrüßt wurde. Zu seinem Empfang
hatten sich die Spitzen der Behörden und die
Parteiorganisationen von Bozen und Umgebung
eingefunden. Man hatte eine kurze Ansprache
des Regierungschefs erwartet und die technischen
Vorbereitungen dazu getroffen, aber Mussolini
fuhr nur im Kraftwagen um den Platz, grüßte
die Erschienenen und begab sich sofort ins Re-
gierungsgebäude, wo er für die Zeit seines
Bozener Aufenthalts Wohnung nimmt.

schaftlicher Beziehungen zwischen den Völkern
der beiden Ländern unvermeidlich verhindern.
*
Die Londoner Morgenpresss beschäftigt sich
eingehend mit der Protestnote, die die ameri-
kanische Regierung an die Sowjetunion gerich-
tet hat. Die entschiedene Stellungnahme der
Vereinigten Staaten findet ebenso wie der
scharfe Ton größte Beachtung. Der Korrespon-
dent der „Morning Post" in Washington sagt,
sogar Leute in enger Fühlung mit der Lage
seien überrascht über etwas, was sie als eine
unmittelbare Drohung -trachteten, die
durch diplomatische Redewendungen nur leicht
verhüllt sei. In dem Bericht des Korresponden-
ten der „Times" heißt es, im Augenblick brau-
che die Note nicht als Ultimatum bezeichnet
zu werden, aber es bestehe jeder Grund für die
Annahme, daß ein schneller und völliger Äb-
bruch der diplomatischen Beziehungen der Ver-
einigten Staaten mit Sowjetrußland eine Mög-
lichkeit der Zukunft ist.
DNB Newyork, 26. Aug.
Mit großen Schlagzeilen bringen die Mor-
genblätter den Protest der amerikanischen Re-
gierung gegen die Sowjetpropaganda, wobei
sie auf die Folgen Hinweisen, die sich aus einer
Fortsetzung der kommunistischen Machenschaften
in den Vereinigten Staaten ergeben könnten.
In einem Leitartikel führt „New Pork Ti-
mes" aus, daß das Staatsdepartement in
förmlichster und feierlichster Weise bei den
Sowjetgewalthabern dagegen protestiert habe,
daß sich ihre Versprechungen, auf Grund deren
sie die Anerkennung der Vereinigten Staaten
rreichten, als trügerisch erwiesen hätten. Es
sei offenkundig, daß bei dem letzten Kongreß
der kommunistischen Internationale in Moskau
die Sowjetrregierung diskret zur Seite geblickt
hab, während Pläne und Komplotte für eine
offene oder geheime Einmischung in amerika-
nische Angelegenheiten von russischen Staatsan-
gehörigen vorgeschlagen und gebilligt wurden.
Angesichts der zur Zeit in Amerika herrschenden
Empfindlichkeit gegenübr der roten Propaganda
und Verschwörung könne die Regierung sicher
sein, daß ihre feste Haltung gegenüber Moskau
allgemine Untrstützung finden werde.

Landesverrat
DNB Berlin, 26. Aug. Dio Justizpressestelle
teilt mit: Der 20 Jahre alte Johann Gorski
aus Köln-Kalk ist durch Urteil des dritten Se-
nats des Volksgerichtshofs wegen Landesverrat
zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden.
Gleichzeitig wurden ihm die bürgerlichen Ehren-
rechte auf die Dauer von zehn Jahren aber-
kannt.

Amerika proiestieri in Moskau
Sowjetruffifche Einmischung in inneramerikanische Angelegenheiten
 
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